Eine schöne Zahl, die 17 | 2 | 17 , nicht wahr? Die königliche „2” in der Mitte, symbolhaft geformt wie ein dahingleitender Schwan – erst gestern bin ich irgendwo an einem Bild vorbeigelaufen, das zwei Schwäne vor der berühmten japanischen Brücke zeigt, die Claude Monet mindestens zwanzigmal gestaltet hat; suchend und experimentierend, die gegenständ- liche Abbildung mehr und mehr durchbrechend, und damit zu einem wegweisenden Künstler der Moderne werdend. Monet’s Bilder tun gut – richten sie doch den Blick auf das, was unsere Seele so dringend benötigt wie das tägliche Brot: würdevolle Schönheit.
Ganz anders ging es mir hingegen mit einem Foto gepiercter, bauchnabelfreier Teilnehmerinnen an der „Love Parade” in Zürich. Die Bekleidung beschränkte sich auf weitmaschige Netzstrümpfe, die neugierigen Blicke fokussieren sich auf das schamlos zur Schau gestellte Fleisch. Ja, sie haben ihre lockenden Netze ausgelegt, und 800.000 Menschen zappeln und winden sich in ihnen – synchron zu den hypnotisierenden Technorhythmen, die jeden klaren Gedanken im Keim ersticken und betäuben. Das Foto brennt sich in meine Gehirnzellen ein; stundenlang schwirrt es in meinem Kopf herum, und verletzt mich zutiefst. Selbst heute morgen steigt es wieder ins Bewußtsein. Ich bekomme es nicht wieder los. Hätte ich doch nur diese Tageszeitung nicht aufgeschlagen! Alles gäbe ich darum, solch ein würdeloses Foto aus meinem Gedächtnis zu tilgen; negative Gedächtnisinhalte sind nutzloser Ballast für die Seele, und sie werfen oft für lange Zeit einen finsteren Schatten auf dieses hochsensible, feinschwingende Lichtgebilde.
er heilige Augustinus (*354) wirft in seinen Confessionen ein bezeichnendes Schlaglicht auf derartige Zusammenhänge; sehr einfühlsam schildert er die seelischen Vorgänge, die sein Jugendfreund Alypius während des Besuchs der Gladiatorenspiele im antiken Rom erlebte. Alypius ist jung, und als Student der Rechtswissenschaften neu in Rom: seine Studiengenossen schleppen ihn „trotz seines Widerspruchs und Sträubens mit kameradschaftlicher Gewalt ins Amphitheater…er aber sagte zu ihnen:
Wenn ihr auch meinen Körper dorthin schleppt und zu verweilen zwingt, könnt ihr vielleicht meinen Geist und meine Augen auf die Spiele lenken? Ich werde als ein Abwesender da sein und auf diese Art meine Überlegenheit über euch und jene Schaustellung beweisen . . . Am Ort selbst . . . raste die Menschenmenge in einem Taumel gräßlichen Entzückens. Alypius schloß das Tor seiner Augen und verbot seinem Geiste, sich mit so üblen Dingen abzugeben; hätte er doch auch seine Ohren verstopft! Denn bei einer Wendung des Kampfes traf ihn gewaltig das rasende Gebrüll der Menge; ihn packte die Neugier, und in der Überzeugung, er sei fähig, auch das Schlimmste mit seinem Blick zu besiegen und zu verachten, öffnete er die Augen; und da wurde seine Seele von einer schlimmeren Wunde durchbohrt als der Leib dessen, den er zu sehen wünschte, und er fiel jammervoller als jener, bei dessen Fall das Geschrei entstanden war: dies Geschrei drang durch seine Ohren ein und öffneten seine Augen um den Weg zu finden, seinen damals noch mehr tollkühnen als starken Geist zu verwunden und umzuwerfen; der war um so schwächer, als er sich selbst zugetraut hatte, was er nur von dem Vertrauen auf DICH (GOTT) erwarten durfte. Denn als er das Blut sah, trank er zugleich das Gift des Bestialischen; und er wandte sich nicht ab, sondern heftete seinen Blick auf das Schauspiel; er sog das Gräßliche in sich, und ohne es zu wissen, begann er an dem verbrecherischen Kampf Vergnügen zu finden, und wurde von blutiger Wolllust trunken. Und schon war er nicht mehr derselbe, der dorthin gekommen war, und wirklich ein Genosse derer, die ihn dorthin gebracht hatten. Was soll ich noch sagen?…Aber DU (GOTT) zogst ihn mit Deiner starken und barmherzigen Hand dort heraus, und lehrtest ihn nicht auf sich, sondern auf Dich (GOTT) zu vertrauen. Doch das geschah erst viel später… (Übersetzung aus dem Lateinischen: Erich Auerbach)”
Deshalb die eindringliche Bitte: Seid wählerisch mit dem, was ihr in euch hineinlasst – es prägt uns alle viel stärker, als wir ahnen. Und das gilt nicht nur für Bilder und Geräusche, sondern auch und gerade für das, was wir essen und trinken; denn es soll Balsam für das Haus unserer Seele, den Körper, sein, uns heben und weiten, zu den klareren Sphären des Geistes hinauf, der wir, unserer eigentlichen Natur nach, angehören.