
an mag ihn mögen oder nicht, den Doktor Faust, der unserem Sprachmagier Goethe jahrzehntelang im Magen lag, bis er ihn schlußendlich doch noch verdaut bekam. Den Auswurf studieren wir in zwei Teilen, Faust I und Faust II, und wir staunen ob der seelischen Abgründe, die Goethe unserem inneren Auge eröffnet; Faust war ein Mensch aus Fleisch und Blut, doch hatt’ er auch den rechten Mut. Er wollte wissen, „was die Welt – im Innersten zusammenhält”. Und wenn er anfangs auch über Leichen geht – wir erleben das im ersten Teil der Tragödie mit Gretchen, dem Symbol der kindlichen Reinheit und Unschuld – so muss auch Faust für alle seine Taten büßen, und nur auf dem Pfad der Tugend kann er Läuterung erlangen, und so zu einem sinnvollen Werkzeug waltender Schicksalsmächte werden.
Die positive Neugier ist es, die mich bei Faust so fasziniert. Er interessiert sich für verborgene Zusammenhänge, und schaut sich die Welt genauer an, als es dem geschäftigen, oberflächlichen Blick des Alltagsmenschen für gewöhnlich zu eigen ist.
Das Drama um Doktor Faustus ist ebenso ein weit ausgreifender Weltenspiegel, wie es eine tief angelegte Seelenschau ist; es wird somit zum Bindeglied zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos, das die Seele als Wesenheit geistigen Ursprungs begreift, und unser irdisches Dasein im Zwiespalt zwischen Gewissen und Tat vollkommen durchschaut. Gleicht nicht oftmals unser Tasten durch das irdische Labyrinth, im Bannkreis ständiger Verlockungen und Gefährdungen, einem flackernden Irrlicht in der Dunkelheit, das sich einen Weg durch heimtückische Moore suchen muss? Wie leicht lassen wir uns durch mephistotelische Eingebungen unseres Verstandes¹ fehlleiten.
„Das also war des Pudels Kern!” lässt Goethe seinen Faust, den verwandelten Mephisto (Symbol für Hinterlist und Argwohn) erkennend, sprechen – und wohnt ein wenig dieses dämonischen Kerns nicht in jedem von uns? Wir müssen ihn in Schach halten, unbedingt – und unsere Energie auf die Entfaltung des göttlichen Kerns, der in jedem von uns angelegt ist, ausrichten.
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Der Weg ist das Ziel: die hochgereckte Faust muss sich zum demütigen Bitten und Flehen öffnen – bei jedem Menschen, denn die Faust ist eine Begleiterscheinung unseres freien Willens. |
Den Ursachen aller Dinge und Erscheinungen auf den Grund zu gehen bringt uns Erkenntnis über die Welt, und damit Erkenntnis über uns selbst, da die Welt uns einen exakten Spiegel vorhält. Welterkenntnis führt deshalb unweigerlich zur Selbsterkenntnis. Goethe’s unermüdlicher Forscherdrang ist ein berückendes Beispiel hierfür; das Motto seiner Lebensgestaltung gipfelte in einem einzigen Satz: „Willst du ins Unendliche schreiten, geh nur im Endlichen nach allen Seiten.”.
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