Banalitäten? Kausalitäten! - mein 17228. Tag


rster Gedanke heute morgen beim Erwachen: ich muss dringendst einkaufen gehen, habe rein gar nichts mehr im Haus, nicht einmal mehr Toilettenpapier – wie ich während einer „Sitzung” gestern mit Bestürzung festgestellt hatte. Ich schwinge mich aufs Rad, mit den Gedanken schon im Urlaub, bei Erholung, Entspannung und Aufladung – kaufe ein, was noch bis Sonntag einzukaufen ist, und mache mich auf den schweißtreibenden Rückweg, immer schön den Berg hinauf. Dann, kurz vor dem Ziel, fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Toilettenpapier vergessen, und einiges andere noch dazu! Puuh! Wenn das keine klassische Positiv-Negativ-Prüfung am frühen Morgen ist! Nichts zu wollen, ich fahre nicht noch einmal hinunter. Doch was ist der kausale Zusammenhang mit dem gestrigen Tag für solch ein Mißgeschick?

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht an Demenz leide – Vergesslichkeit war noch nie meine Stärke. Es scheint mir eher so zu sein, dass mir die Gedanken an das, was dringlich war, beim Einkauf nicht kommen durften – warum? Weil ich den Einkauf bis zuletzt verschoben hatte; von vorgestern auf gestern, und von gestern auf heute – frei nach dem Motto das Wesentliche zuletzt. Stur sein, so nennt man das auch. Natürlich, es ist anstrengend, bei hochsommerlichen Temperaturen die vollen Satteltaschen den Berg hinaufzukarren, doch es führt kein Weg daran vorbei. Einerlei, man muss im Leben auch einmal bereit sein, in den sauren Apfel hineinzubeißen. Äpfel – 2 Kilo habe ich jetzt wieder von ihnen zu Hause, doch so sauer sind sie gar nicht – süß und saftig, vom Bodensee. Und so verwandeln wir doch alles scheinbar Negative – im hellen Licht der rechten Sicht.




Overload - mein 17227. Tag


urz vor dem Urlaub das altbekannte Spiel: Zuviel, zuviel, zuviel! Heute war der vorletzte Arbeitstag, und der Berg will und will nicht weniger werden. Das zehrt an den Kräften, doch woran liegt das nur?

Wollen wir ’mal offen und ehrlich sein, ich bin ja doch mein eigener Chef. Da haben wir also schon den Übeltäter bei der Hand. Er hat sich zuviel vorgenommen. Nun, ich geb’s ja zu und bin zerknirscht, wieder einmal, und werde es so lange sein, bis ich innerlich bereit bin, mich nicht mehr zu überlasten. Wann habe ich endlich genug? Wie sagt man denn so schön:

Nur der Dumme macht immer dieselben Fehler,
der Weise macht jeden Tag neue!

Na, dann besteht ja wenigstens noch Hoffnung! Also, es ist schon spät, ich mach’ jetzt Schluss . . .




Mein 17226. Tag - Weißdorntag


-lichkeit beherzigen!

er hat sie noch im Ohr? Ja, genau, die Herz-Schmerz-Polka, von Peter Alexander einst charmant und spitzbübisch gesungen, und alle Herzen schlugen höher – doch nicht im Dreiviertel-, sondern im Zweivierteltakt; sonst wäre es ja ein Herz-Schmerz-Walzer geworden.
„Herz — Schmerz — und dies und das . . . ach das ist uralt” – was hat denn unsere Gesellschaft nur auf dem Herzen? Wenn ich mich nicht irre, ist Herzinfarkt inzwischen die zweithäufigste Todesursache in unserem Land. Die Wirtschaft lahmt, doch die Firmen, die an der Herstellung von Herzschrittmachern beteiligt sind, boomen. Eine groteske Entwicklung.

Schlager sind sicherlich nicht jedermanns Sache, doch eines kann man dem Meister der leichteren Muse, Peter Alexander, gewiss nicht absprechen: seine entwaffnende Herzlichkeit und sein österreichischer Charme wirken wie ein heilender Balsam auf die gestresste Seele. Kein Witz! Wenn ich seiner Stimme lausche, entspannt sich in mir alles, und ich fühle mich wohl. Und das als klassisch ausgebildeter Musiker. Früher kam dann noch die Einbildung hinzu, die alles verwarf, was sich nicht als würdig erwies, dem Musentempel allerhöchster Kunst anzugehören. Heute sehe ich das viel gelassener. Schön, dass es solch eine unglaubliche Vielfalt gibt, an Musik wie an Kunstschöpfungen aus anderen Bereichen – zeigt es uns nicht in aller Deutlichkeit die Spannweite unserer Fantasie? Fantasie aber ist nichts anderes als die unbegrenzte Schöpferkraft des Geistes. Ein verantwortungsvolles Geschenk an den Menschen.

Doch zurück zu dem, was wir für unser Herz tun können. Die Äbtissin Hildegard von Bingen (1098 – 1179) beispielsweise dachte und handelte da ganz praktisch.

„Das Gute liegt gleich um die Ecke” -
denkt sie, und schneidet von der Hecke
ein Weißdornzweig ab sanft und sacht -
damit er ihr kein Aua macht.

Weißdorn hat nämlich spitze Dornen, und hübsche weiße Blüten im Frühling – daher also sein Name. Seine gesundheiltlichen Vorzüge hat Hildegard in ihren naturheilkundlichen Schriften dargelegt; dem Herzen tut er wohl, lindert dessen Schmerz und Spannung, und fördert einen ruhigeren und gleichmäßigeren Herzschlag. Nun war der Lebensrhythmus vor nahezu eintausend Jahren sehr viel beschaulicher als heute; umso dringlicher sollten wir also heute etwas für die Stärkung unseres Herzens tun – damit es fröhlich weiterschlage im Trubel unserer Zeit. Die Glocken läuten zu Mittag; Zeit für das Mittagessen. Ein grünes Getränk als Aperitif: eine Handvoll frischer Weißdornblätter mit Quellwasser fein gemixt, durch ein Tuch oder feines Sieb filtriert, ist doch einmal etwas anderes. Eine Medizin ohne Risiken und Nebenwirkungen, und dazu noch alkohol- und rezeptfrei. Wohl bekomm’s!




Vom richtigen Umgang mit Wünschen - mein 17225. Tag


ennen Sie das? Da hört man jemand reden, und der Vortrag rauscht an einem vorbei, ein Wort nach dem anderen. Man hat große Mühe, mit seinen Gedanken dabei zu bleiben, und dem Redner zu folgen. So vergehen die Minuten, und man wünscht sich sehnlichst eines nur herbei: das Schlußwort. Doch auf einmal gehen die Ohren auf, und man wird hellwach. Ein Satz nur, wenige Worte, doch sie treffen mitten ins Herz.

So erging es mir bei einer ökumeníschen Trauung, als einer der beiden Pfarrer den Frischvermählten wünschte, dass „ihnen nicht gegeben werde, was sie begehren, sondern das, was sie brauchen”. Da ist bei mir der Groschen gefallen. Wünsche, die ich hartnäckig genug begehre, erfüllen sich – doch werden sie mir dann zum Segen oder nur zu einer Last? Wer will schon ein Klotz am Bein, das ihn daran hindert, innerlich vollkommen frei zu sein? Wünsche müssen mit Bedacht gewählt werden.

Ein Freund erzählte mir von seiner Kindheit, wie er in äußerst bescheidenen Verhältnissen aufwuchs, als Flüchtlingskind in den trostlosen Zweckbauten der fünfziger Jahre. Kein eigenes Zimmer, kein eigenes Spielzeug, kein Geld für die Streiche und Vergnügungen der Altersgenossen aus gutsituierten Häusern. Der Wunsch, einmal in einem eigenen Zuhause zu leben, erfüllte ihn voll und ganz; einmal sein eigener Herr zu sein, in den eigenen vier Wänden nach Belieben schalten und walten zu können. Dieser Wunsch prägte seinen ganzen weiteren Lebensweg, seine Berufswahl, seine Entscheidung für eine Ehe und drei Kinder, und für den Bau eines eigenen Hauses. Sein Wunsch hatte sich erfüllt. Nach über 30 Jahren ist er nun schuldenfrei, die Kinder sind aus dem Haus, und seine eigenen vier Wände – sind ihm zur beschwerenden Last geworden. Die Beanspruchung und Verantwortung im Beruf ist so groß geworden, dass er für die Pflege und den Unterhalt des großen Hauses nicht aufkommen kann. Es fehlt ihm dazu die notwendige Zeit, die Ehefrau ist chronisch erkrankt. Der Garten versinkt in einen Dornröschenschlaf, am Haus wird nur das Dringlichste repariert . . .

Und seine Wünsche jetzt? Die haben sich mit den Jahren vollkommen verändert. Nur keine Mühlsteine mehr! Nun träumt er von einer kleinen, feinen, überschaubaren Mietwohnung, pflegeleicht, in einem Neubau in attraktiver Lage. Alles delegieren, Verantwortung abgeben, sich um nichts mehr kümmern müssen, frei sein von den lästigen Verpflichtungen der Wohnungsbesitzer: keine nervenaufreibenden Eigentümerversammlungen, keine Erstellung komplizierter Nebenkostenabrechnungen, dafür endlich Zeit für sich und die schönen Dinge des Lebens. Lange genug hat er das vernachlässigt, was ihn wirklich interessiert.

Lebenszeit und Lebensenergie verpuffen, wenn wir mit unseren Wünschen auf das falsche Pferd setzen. Wie kann ich denn in Erfahrung bringen, was ich tatsächlich benötige, und was meiner seelischen Entwicklung wirklich zuträglich ist? Wir schmoren viel zu sehr in der eigenen Suppe, als dass wir über den Tellerrand unserer begrenzten Lebenserfahrung hinausschauen könnten. Deshalb ist es um so wichtiger, dass wir die innere Bereitschaft entwickeln, uns mehr und mehr durch unser Leben führen zu lassen, und das, was geschieht, dankbar anzunehmen – auch wenn es oftmals nicht das ist, was unserem eigenen Willen und Wolllen entspricht. Begehren und von Herzen wünschen sind zweierlei: deshalb habe ich mir den Satz des Pfarrers zu eigen gemacht, und er bringt jedesmal, wenn ich ihn ausspreche, Frieden in mein Herz: „Gib mir nicht, was ich begehre, sondern was mein Heil vermehre . . . ”

Herr, schicke was du willt,
ein Liebes oder Leides;
ich bin vergnügt, dass beides
aus deinen Händen quillt.

Wollest mit Freuden
und wollest mit Leiden
mich nicht überschütten!
Doch in der Mitten
liegt holdes Bescheiden.

Eduard Mörike, schwäbischer Pfarrer und Dichter,
1804 -1875




Quellenkunde - mein 17224. Tag


s ist Hochsommer, und die Temperaturen nähern sich dem Siedepunkt. Erste Bürgerpflicht: Trinken!
Müßig die Frage, wer und was wir sind; doch eines steht zumindest fest: zu 70% bestehen wir aus Wasser. Ein kleiner Ozean, sozusagen, und wären wir ein Wassertropfen, dann begäben wir uns auf die Spuren von Jules Verne: „eine Reise bis zum Mittelpunkt des Körpers”.

Wie es um unseren inneren „Ozean” bestellt ist, hängt von vielerlei Faktoren ab; es ist ein ewiger Kreislauf der Erneuerung und Reinigung, und gleicht somit dem Wasserkreislauf der Natur bis aufs Haar. Wir sind ein Teil von ihr, und können ohne sie nicht gedeihen; sie ist langmütig und geduldig, und hat uns manches zu verzeihen.

„Zurück zur Natur!” – so rief Jean-Jacques Rousseau uns bereits vor 250 Jahren zu, und seine Epistel haben an Aktualität seit jener Zeit erheblich dazugewonnen. Wir haben uns zu sehr von den Urgründen unseres Daseins entfernt. Könnten Sie ohne technische Hilfsmittel in freier Natur ein Feuer entfachen? Wüssten Sie sich Nahrung zum Überleben zu sichern – alleine mit den Kräutern, Samen und Früchten von Wald und Wiesen? Wir sind abhängig geworden, und leben am Gängelband einer hochtechnisierten Zivilisation. Sollten wir nicht wieder lernen, dem intuitiven Erspüren unserer Lebensgrundlagen mehr Raum zu geben?

Gestern war ich mit dem Rad unterwegs. Da stellt sich jedesmal die Frage, was man wirklich mitnehmen soll. Alles hat sein spezifisches Gewicht, und Wasser ist besonders schwer. Deshalb begnügte ich mich mit einem 0,5 Liter Fläschchen, sicherlich ein Tropfen nur, auf den heißen Stein. Doch ich vertraute darauf, unterwegs immer wieder einmal auffüllen zu können. Schließlich lebe ich hier nicht in der Wüste Gobi.

Da stehe ich dann vor einer wunderschönen Quelle, schwitzend und durstig, und trinke mich nach Herzenslust satt. Das Wasser ist frisch und sehr kühl, und dadurch, dass es erst einmal durch die Schichten des Buntsandsteins sickern muss, bevor es wieder zu Tage tritt, auch unglaublich weich – ein richtiger Hautschmeichler, und, nicht zu vergessen, ideal zum Bierbrauen.

Schwarzwaldwasser ist eine Kostbarkeit. Gut getan hat es mir, und als ich mich aufrichte, sehe ich das Hinweisschild (gelber Pfeil) „kein Trinkwasser”. Aha. Habe ich mich also geirrt? Nein. Ich habe noch immer beste Gefühle, mit dem, was jetzt in meinem Bauch umherkullert. Doch Ordnung muss sein. Und um für Ordnung zu sorgen, müssen Verordnungen her. Und die Trinkwasserverordnung verordnet nun einmal, dass Wasser untersucht werden muss, bevor es sich Trinkwasser nennen darf. Und da Untersuchungen kostspielig sind (und in regelmäßigen Abständen wiederholt werden müssten), macht man stattdessen lieber ein kleines Hinweisschild, an jede gute Quelle. Kann man durchaus nachvollziehen, auch wenn man anstatt „kein Trinkwasser” beispielsweise „Trinken nur auf eigene Verantwortung” darauf schreiben könnte.

Ich bin daran gewöhnt, eigenverantwortlich zu handeln – unter Einbeziehung dessen, was mir meine Intuition rät. Also trinke ich auf eigene Gefahr – auf dass mich Gott bewahr’; denn er hat mich schließlich auch zur Quelle geführt, und mir schöne Gefühle für diesen Ort gegeben.