• Wer nicht hören will . . . • - mein 17221. Tag


er Mensch geht für gewöhnlich durch sein Leben, ohne sich darüber den Kopf zu zerbrechen, wie das, was er in sich und um sich herum erlebt, im Einzelnen funktioniert. Er begnügt sich damit zu erleben, dass es funktioniert. Und lange Zeit kann das auch gutgehen. Doch was geschieht, wenn er wie aus heiterem Himmel außer Gefecht gesetzt wird? Dann merkt er plötzlich, dass nicht eine einzige Lebensfunktion selbstverständlich ist. Und auf einmal ist Dankbarkeit kein leeres Wort mehr.

Zweimal bin ich in eine derartige Situation geraten. Einmal, vor Jahren, erwachte ich und stellte fest, dass ich keinen Geruchssinn mehr hatte. Nichts, keine Düfte, weder Rosen, noch Gewürze, noch den frisch gefangenen Fisch am Hafen – einfach tot, die Nase. Ich war zu der Zeit auf der Insel Ischia im Golf von Neapel, und dort gibt es einen herrlichen Garten mit exotischen Pflanzen, ein Vermächtnis des englischen Komponisten Sir William Walton. Ich weiss noch genau, wie das war: mich über die in verschwenderischer Pracht blühenden Orchideen zu beugen, mit der Nase tief einzuatmen, und — nichts. Ich wollte zuerst einmal nicht mehr leben. Dann, nach einigen Tagen, begriff ich, um was es ging, und ich verwandelte die Situation in einen Lebenswunsch: so will ich nicht mehr leben. Und ich begann, mir diese kostbare Leihgabe, unseren Körper, mehr und mehr zum Freund zu machen – auf dass er mich ein ganzes Leben zuverlässig unterstütze und begleite. Wie es ist, wenn der Körper nicht mehr reibungslos funktioniert, das hatte ich in den 14 Tagen ohne Geruchssinn überdeutlich erfahren – keine Freude, keine Farben, alles grau, fade, eintönig.

Und nun, knapp eine Woche ist es her, konnte ich mit dem linken Ohr nichts mehr hören. Einfach taub, wie unter einer Glocke. Panik, Wochenende, Tinnitus, Hörsturz, Mittelohrentzündung? Zuerst einmal herrschte völlige Verzweiflung und Ohnmacht in mir. Und immer wieder Schmerzen, stechend, im Ohr. Und dann noch Orgeldienst am Sonntagmorgen. Eine Qual, heilloses akkustisches Durcheinander mit stark reduziertem Hörvermögen. Und dann die Bilder, die ins Bewußtsein drängen: ein Kollege von der Musikschule, mit Tinnitus schon länger als ein halbes Jahr krank geschrieben — ich war völlig hilflos. Besonders beim Erwachen am Morgen fühlte sich das Ohr so an, als ob es gar nicht mehr vorhanden wäre; wie in ein dickes Wattepolster eingepackt, schirmte es mich von der Außenwelt hermetisch ab. Doch dann bemerkte ich, dass sich der Zustand leicht veränderte, je nachdem, was ich gerade tat. Saß ich beim Essen, öffnete sich leicht das Ohr. Ging ich ausgedehnt im Wald spazieren, wurde es besser. Zumindest die tiefen Frequenzen waren wieder da, doch nicht der Gesang der Vögel, oder das Rauschen der Blätter im Wind. Am Folgetag wurde mir bewußt, dass das Stechen im Ohr immer dann einsetzte, wenn ich etwas bestimmtes tun sollte. Ein Glas Wasser trinken, beispielsweise. Oder auf die Toilette gehen, um die Blase zu entleeren. Oder die Arbeit unterbrechen, um alle Gliedmaßen einmal tüchtig durchzustrecken. Und so fiel es mir wie Schuppen von meinen Augen: „wer nicht hören will . . . ”  - jeder kennt das
Sprichwort.   Und es weckte einen tiefen Wunsch in mir:
„Ja,   ich möchte wieder hören! Bitte helft mir! Was ist
jetzt wirklich zu tun?” – immer wieder von neuem, un-
ablässig, bittend und bettelnd; so bat ich Stunde um Stun-
de um Führung und eine deutlichere Intuition. Und siehe da,
ich spürte eine enorme Kraft, die nicht nur meinen Körper durchdrang, sondern auch meinen Geist erhob, und ihn mit neuem Leben füllte. Seither habe ich begonnen, wieder intensiv positive Wünsche zu äußern. Längere Zeit hatte ich nicht die Kraft dazu – jetzt ist sie wieder da, und mit dem Wünschen kommen auch die höheren Frequenzen zurück; ich könnte heulen vor Freude und Glück, wie interessant es alleine nur ist, die alltägliche Geräuschkulisse wahrzunehmen.




Tempus fugit - mein 17220. Tag


eit ist ein dehnbarer Begriff, und sicherlich haben Sie es schon erlebt, wie quälend langsam sie verstreicht, wenn man eine widerwärtige Aufgabe zu erledigen hat. Doch wie im Flug entschwindet sie uns in den glücklichen Stunden, die wir für immer festzuhalten trachten; und so verwandeln sich jene kostbaren Augenblicke zu den Fixpunkten unserer Erinnerung. Indess das Leben schreitet weiter; und wir halten mit, Schritt auf Schritt . . . 

Immer wieder ein kleines Entspannungspäuschen zwischendurch, und der Tag gewinnt – an Lebensqualität und Freude. Gestern nach dem Mittagessen nahm ich die Gelegenheit wahr, und legte mich nieder – eine Viertelstunde – bis um 15:00 Uhr, so dachte ich. Einige tiefe Atemzüge, und ich spüre die wohltuende Entspannung meiner Gliedmaßen, aber auch der inneren Organe und Drüsen; herrlich ungewohnt ist es, die eigene Bauchspeicheldrüse gluckern und blubbern zu hören. Der Verdauungsapparat verrichtet Schwerstarbeit, und ich höre zu, halb entschlummernd . . . Da dringen drei leise Glockenschläge aus weiter Ferne an mein Ohr, und ich schrecke auf – „was, schon 15:00 Uhr, das ist nicht möglich!”- doch bevor ich einen klaren Gedanken fassen kann, ist alle wohltuende Entspannung dahin. Völlig unnötig, wie sich im Nachhinein herausstellt; denn es waren die drei Glockenschläge für die letzte Viertelstunde vor 15:00 Uhr.

Warum musste ich diese zeitliche Verwechslung, die mir meine Ruhe raubte, heute so erleben? Ich kenne doch das Geläute der Kirchturmglocken in- und auswendig; für die volle Stunde müssen erst einmal vier Schläge voraus mit einer kleineren Glocke zu hören sein, und dann jeweils die Anzahl der vollen Stunden mit einer größeren Glocke, noch einmal wiederholt von der größten und tiefsten Glocke.

Heute morgen erst wurde mir der Zusammenhang mit dem Vortag bewußt: unwesentliche, doch nervlich aufreibende Kleinigkeiten liessen mich das Arbeitsende weiter und weiter hinauszögern; angespannt hetzte ich durch den Abend, und nahm die Probleme mit ins Bett. Da liegt man dann, und macht sich Druck: jetzt aber rasch entspannen und einschlafen, denn es ist schon spät! Ein Unding, eine Sisyphusarbeit, die erschöpft und schwächt, doch nie zum Ziele führt.

Von der Anspannung des Tages loszulassen — das benötigt einfach gewisse Stunden; unser Geist will zur Ruhe kommen, denn er strebt nach Harmonie und Ordnung. Man fühlt sich wohl in einer aufgeräumten Stube, wo alles seinen rechten Platz hat; und so will jeder Gedanke bearbeitet sein, bis alles unter Dach und Fach ist, und alle Schubladen verschlossen sind. Dann lege ich meine Kleider ab, und streife damit auch den Tag von mir – jetzt bin ich bereit für die Nacht, und einen Schlaf, der wirklich erfrischt und erquickt.




Unverhofft kommt oft - mein 17219. Tag


uf meinem Arbeitstisch steht eine Karte mit einem wunderbaren Ausspruch von Joseph Haydn: „Da mir Gott ein fröhliches Herz gegeben hat, so wird er mir schon verzeihen, wenn ich ihm fröhlich diene.” Darunter ist ein kleiner Junge zu sehen, der in Ermangelung einer richtigen Geige andächtig seinen über die Schulter gelegten Regenschirm streicht – mit einem Blütenstengel.

Joseph Haydn hat es nicht immer leicht gehabt, im Leben. „Vor dem Verdienen kommt das Dienen” – das wusste der gute Joseph nur zu gut; 30 Jahre diente er seinem Brotherrn Fürst Esterhazy, treu ergeben, und sein Werdegang führte ihn doch noch zu höchstem Ruhm und Ehren – in mühevollen, kleinen Schritten; tapfer und beharrlich ging er seinen Weg. Beethoven soll beim Anblick von Haydn’s Geburtshaus ausgerufen haben: „Welch bescheidene Hütte für solch einen großen Mann!”. Auch ist überliefert, dass sich Haydn mit seinem schönsten Sonntagsanzug kleidete, bevor er sich zum Komponieren an seinen Schreibtisch begab. Was Wunder, wenn dieser Mann mit einem Füllhorn höchster Inspiration überschüttet wurde!

Einen Menschen wie Joseph Haydn sollte man sich zum Vorbild nehmen, denn dann nimmt das Leben leichtere Konturen an. Er stand den Schwierigkeiten, die sich ihm zweifelsohne in nicht geringem Maß entgegenstellten, heiter und mit Gelassenheit gegenüber. Er beschränkte sich darauf, das zu tun, was seinen Möglichkeiten entsprach, doch alles weitere überliess er dem Walten höherer Mächte. Das scheint mir aber um so besser zu funktionieren, je weniger man sich um sich selber dreht.

Mir fällt das nicht so leicht – ich muss mich doch immer wieder zu dieser inneren Heiterkeit und Gelassenheit ermutigen. Das ist Arbeit – Bewußtseinsgestaltung, ein aktiver Prozess. Loslassen, entspannen, innere Verantwortung abgeben, wenn sie einen zu sehr niederdrückt. Und wenn ich wieder einmal für längere Zeit ziemlich niedergeschlagen war, dann spüre ich umso deutlicher, dass meine Wünsche wieder mehr vom Herzen kommen, als für gewöhnlich nur vom Kopf; und dadurch entwickeln sie erst die erwünschte Kraft. Und so habe ich vorgestern meinen Lebensfaden wieder gefunden – mich richtiggehend aufgerappelt – wie Baron von Münchhausen sich einst an seinem eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen hatte. Mein innerer „Haussegen” hing zu lange schief. Jetzt hängt er wieder lotrecht, und ich bin glücklich, dass ich mich dazu überwinden konnte. Eine kleine Belohnung folgte gestern auf dem Fuß. Energie aus dem Blauen, zwei Stühle für die Terrasse, gut in Schuß – ich brauchte sie nur nach Hause zu tragen. Ein Dank dem unbekannten Spender, der sie am Gehsteig abgestellt hatte. Jetzt kann ich wieder draußen sitzen, ein paar Sonnenstrahlen einfangen, für einen Augenblick die Augen schließen und die Seele baumeln lassen . . . und meinem Schöpfer fröhlich weiterdienen. Joseph Haydn lebe hoch! – ewig lebt er sowieso . . .




Ab und Auf, des Lebens Lauf - mein 17218. Tag


„Und geht alles in die Binsen,
ich behelfe mir mit Grinsen!”

Das konnte ich in einer Mail vor kurzem lesen. Einspruch! Da sollte man doch unbedingt etwas dagegen setzen.

„Und geht alles in die Binsen,
täglich ess’ ich meine Linsen!”

sau wusste wohl, was er an einem Teller roter Linsen hat; das war ihm dann sogar sein Erstgeburtsrecht wert. Er investierte in seinen Körper, und nicht in materielle Reichtümer – und er wurde reich dafür belohnt: mit einem langen, gesunden Leben. 180 Jahre soll es gewährt haben. Hut ab, meine Damen und Herren!

Doch keine Sorge, es ist nicht nötig, nun säckeweise Linsen zu horten. Die Welt wird nicht untergehen, ganz im Gegensatz zur Sonne, die es täglich tut; und das doch auch nur, weil die Erde fröhlich ihre Runden dreht. Und das wird sie weiter tun – ohne dass wir einen Finger krumm machen, noch für viele, viele Millionen Jahre . . . Nehmen wir uns doch ein Vorbild an dem Reformator Luther; der war ein vernünftig denkender Mensch: „und wenn die Welt morgen untergeht, so pflanze ich heute noch ein Apfelbäumchen . . . ”

Linsengericht ja, Weltgericht — Nein! Werfen wir alle Ängste über Bord. Das Zeitalter der Angst liegt hinter uns. Wir arbeiten am Zeitalter der Geborgenheit. GOTT ist ein liebender Erzieher und Förderer, kein verdammender Richter, und er möchte möglichst viele Seelen, die er einst unter unvorstellbarer Mühe erschaffen hat, als Freunde und Mitarbeiter um sich haben.

Das „Weltgericht” findet täglich im Verborgenen statt, und zwar dann, wenn der alte Tag gegen 18:00 Uhr¹ erlischt: in perfekt aufeinander abgestimmten, hochkomplexen Programmabläufen werden alle Entscheidungen jeder Seele, die momentan in Entscheidungsfreiheit auf der Erde agiert, bilanziert und gespeichert. Und es gibt nur zwei Möglichkeiten am Ende jeden Tages:
- eine Seele ist aufgrund ihrer (inneren) Entscheidungen aufwärts gegangen, und entspricht damit dem Sinn ihrer Erschaffung, oder
- sie ist aufgrund ihrer (inneren) Entscheidungen abwärts gegangen, und widerspricht damit dem Sinn und Auftrag ihrer Erschaffung. Und dann kommt Nachhilfe, und manchmal auch Kloppe (man verzeihe die saloppe, umgangssprachliche Formulierung). Durchweg im Sinne der Maxime „leichte Schläge auf den Hinterkopf erhöhen das Denkvermögen” – das bekannte Phänomen der Migräne lässt hier grüßen, aber auch andere Schmerzen, Einschlafschwierigkeiten, gesundheitliche Probleme, und was sich sonst noch alles bewährt hat, um uns Menschen aus unserer Lethargie zu reißen.

Häufig entspricht unsere seelische Entwicklung einem Wechselbad von Auf und Ab, und wie bei den Aktienkursen muss man die längerfristige Entwicklung begutachten. Woran kann man nun erkennen, ob man abwärts oder aufwärts geht? Je glücklicher und energiegeladener man beim Erwachen am Morgen ist, desto steiler geht es bergauf, dem Paradies entgegen. Gute Entscheidungen ziehen gute Gefühle nach sich, und vice versa, natürlich.

Deshalb: satteln Sie um! Schalten Sie den Fernseher um 20:00 Uhr aus, und gestalten Sie Ihre eigene Tagesschau, 15 Minuten, reichlich bemessen. Blicken Sie zurück. Wie war das Wetter heute; grau, trübe, wolkenverhangen? Und wenn, warum? Haben Sie gewettert, gedonnert und geblitzt? Haben Sie anderen nach Kräften deren Lebensfreude verhagelt? Oder waren Sie ein wärmender Sonnenschein für Ihre Mitmenschen? Doch das wichtigste ist: stellen Sie die Weichen für den neuen Tag, lassen Sie über Nacht einen frischen Wind alle Trübsalswolken hinwegfegen – indem Sie positive Herzenswünsche äußern, und sich Ihre Vision vom Glücklichsein vergegenwärtigen. Wünsche sind eine große, große Macht – und sie gedeihen prächtig über Nacht.

¹Wundert Sie das? Endet der Tag nicht um 24:00 Uhr? Das ist eine Erfindung des modernen Menschen, der den Tag zur Nacht gemacht hat. Dem natürlichen Lebensrhythmus des Menschen entspricht das beileibe nicht; in vielen Klöstern des Mittelalters war in weiser Erkenntnis dessen, was dem Menschen wirklich gut tut, nach dem Nachtgebet um 18:00 Uhr strenge Bettruhe angesagt; man lebte und handelte im Einklang mit dem Atmen der Schöpfung, und stand damit dem allumfassenden Puls der Zeit viel näher als wir Menschen heute. Probieren Sie’s doch einfach einmal aus, früher schlafen zu gehen; das ist wahrer Balsam für uns gestresste Menschen.




Was lasse ich in mich hinein? - mein 17217. Tag


Eine schöne Zahl, die  17 | 2 | 17  , nicht wahr? Die königliche „2” in der Mitte, symbolhaft geformt wie ein dahingleitender Schwan – erst gestern bin ich irgendwo an einem Bild vorbeigelaufen, das zwei Schwäne vor der berühmten japanischen Brücke zeigt, die Claude Monet mindestens zwanzigmal gestaltet hat; suchend und experimentierend, die gegenständ- liche Abbildung mehr und mehr durchbrechend, und damit zu einem wegweisenden Künstler der Moderne werdend. Monet’s Bilder tun gut – richten sie doch den Blick auf das, was unsere Seele so dringend benötigt wie das tägliche Brot: würdevolle Schönheit.

Ganz anders ging es mir hingegen mit einem Foto gepiercter, bauchnabelfreier Teilnehmerinnen an der „Love Parade” in Zürich. Die Bekleidung beschränkte sich auf weitmaschige Netzstrümpfe, die neugierigen Blicke fokussieren sich auf das schamlos zur Schau gestellte Fleisch. Ja, sie haben ihre lockenden Netze ausgelegt, und 800.000 Menschen zappeln und winden sich in ihnen – synchron zu den hypnotisierenden Technorhythmen, die jeden klaren Gedanken im Keim ersticken und betäuben. Das Foto brennt sich in meine Gehirnzellen ein; stundenlang schwirrt es in meinem Kopf herum, und verletzt mich zutiefst. Selbst heute morgen steigt es wieder ins Bewußtsein. Ich bekomme es nicht wieder los. Hätte ich doch nur diese Tageszeitung nicht aufgeschlagen! Alles gäbe ich darum, solch ein würdeloses Foto aus meinem Gedächtnis zu tilgen; negative Gedächtnisinhalte sind nutzloser Ballast für die Seele, und sie werfen oft für lange Zeit einen finsteren Schatten auf dieses hochsensible, feinschwingende Lichtgebilde.

er heilige Augustinus (*354) wirft in seinen Confessionen ein bezeichnendes Schlaglicht auf derartige Zusammenhänge; sehr einfühlsam schildert er die seelischen Vorgänge, die sein Jugendfreund Alypius während des Besuchs der Gladiatorenspiele im antiken Rom erlebte. Alypius ist jung, und als Student der Rechtswissenschaften neu in Rom: seine Studiengenossen schleppen ihn „trotz seines Widerspruchs und Sträubens mit kameradschaftlicher Gewalt ins Amphitheater…er aber sagte zu ihnen:

Wenn ihr auch meinen Körper dorthin schleppt und zu verweilen zwingt, könnt ihr vielleicht meinen Geist und meine Augen auf die Spiele lenken? Ich werde als ein Abwesender da sein und auf diese Art meine Überlegenheit über euch und jene Schaustellung beweisen . . . Am Ort selbst . . . raste die Menschenmenge in einem Taumel gräßlichen Entzückens. Alypius schloß das Tor seiner Augen und verbot seinem Geiste, sich mit so üblen Dingen abzugeben; hätte er doch auch seine Ohren verstopft! Denn bei einer Wendung des Kampfes traf ihn gewaltig das rasende Gebrüll der Menge; ihn packte die Neugier, und in der Überzeugung, er sei fähig, auch das Schlimmste mit seinem Blick zu besiegen und zu verachten, öffnete er die Augen; und da wurde seine Seele von einer schlimmeren Wunde durchbohrt als der Leib dessen, den er zu sehen wünschte, und er fiel jammervoller als jener, bei dessen Fall das Geschrei entstanden war: dies Geschrei drang durch seine Ohren ein und öffneten seine Augen um den Weg zu finden, seinen damals noch mehr tollkühnen als starken Geist zu verwunden und umzuwerfen; der war um so schwächer, als er sich selbst zugetraut hatte, was er nur von dem Vertrauen auf DICH (GOTT) erwarten durfte. Denn als er das Blut sah, trank er zugleich das Gift des Bestialischen; und er wandte sich nicht ab, sondern heftete seinen Blick auf das Schauspiel; er sog das Gräßliche in sich, und ohne es zu wissen, begann er an dem verbrecherischen Kampf Vergnügen zu finden, und wurde von blutiger Wolllust trunken. Und schon war er nicht mehr derselbe, der dorthin gekommen war, und wirklich ein Genosse derer, die ihn dorthin gebracht hatten. Was soll ich noch sagen?…Aber DU (GOTT) zogst ihn mit Deiner starken und barmherzigen Hand dort heraus, und lehrtest ihn nicht auf sich, sondern auf Dich (GOTT) zu vertrauen. Doch das geschah erst viel später… (Übersetzung aus dem Lateinischen: Erich Auerbach)”

Deshalb die eindringliche Bitte: Seid wählerisch mit dem, was ihr in euch hineinlasst – es prägt uns alle viel stärker, als wir ahnen. Und das gilt nicht nur für Bilder und Geräusche, sondern auch und gerade für das, was wir essen und trinken; denn es soll Balsam für das Haus unserer Seele, den Körper, sein, uns heben und weiten, zu den klareren Sphären des Geistes hinauf, der wir, unserer eigentlichen Natur nach, angehören.