anchmal stechen einem Farben ganz besonders in die Augen: gerade dann, wenn man ihnen dort begegnet, wo man sie nicht erwartet. Nehmen wir einmal an, sie sehen einen Schwarzweiß-Film. Gegen Ende des Films wird ein Stierkämpfer in der Arena gezeigt, der mit eleganten Bewegungen dem heranstürmenden Bullen geschickt auszuweichen versucht. Das Tuch, das der Matador in den Händen hält, ist — rot! Können Sie sich die unbändige Kraft vergegenwärtigen, mit der sich diese Farbe unseres ganzen Denkens, Fühlens und Seins bemächtigt? Wir können uns nicht gegen sie wehren, sie hat uns vollkommen in der Hand; wie von einem übernatürlichen Zauber gebannt blicken wir auf ihre magnetische Leuchtkraft, die uns zu sättigen vermag wie eine nahrhafte Speise.
So ähnlich erging es mir gestern, als mir zwei Hausnachbarn begegneten, die für gewöhnlich höchst unauffällig gekleidet sind; die Farben, die sie tragen, sind konventionell, und nicht der Erwähnung wert; sie würden höchstens einer grauen Maus zur Ehre gereichen. Ich sehe die eine Person die Treppe herunterkommen, mit einem leuchtend roten Shirt, und kurze Zeit später die andere Person mit einem Hemd in genau derselben Farbe. Mit offenem Mund reibe ich mir die Augen – das gibt’s doch nicht! Beide mit einem „roten Tuch”! Sie sind sich schon seit langem nicht „grün”. Ist da eine Aussprache fällig?
Die Art, wie und mit welchen Farben wir uns kleiden, gehört zur Körpersprache. Sie zu lesen, erfordert Wachheit, und macht Freude; besonders dann, wenn man bemerkt, dass menschliche Gemüter miteinander kommunizieren können, auch ohne dass sie in direktem Kontakt zueinander stehen.
Farbharmonien und Farbentsprechungen sind normalerweise ein Anzeichen für Verbundenheit und seelische Verwandschaft; in unserem Beispiel hier ist die Farbe „Rot” hingegen ein Symbol für angestaute Emotionen, die das Blut in Wallung bringen.