• Der widerspenstigen Zähmung • - mein 17272. Tag


enn’s nicht gerade ein Drama wie Hamlet ist, gibt’s bei Shakespeare immer was zum Schmunzeln – etwa im Dialog des zweiten Akts der Widerspenstigen, als der Erbschleicher PETRUCHIO dem Objekt seiner Begierde, der spröden KATHERINA, zum ersten Mal gegenübersteht:

PETRUCHIO:
. . . Hearing thy mildness prais’d in every town,
Weil alle Welt mir deine Sanftmut preist,
Thy virtues spoke of, and thy beauty sounded,—
Von deiner Tugend spricht, dich reizend nennt,
Yet not so deeply as to thee belongs,—
Und doch so reizend nicht, als dir gebührt:
Myself am mov’d to woo thee for my wife.
Hat mich’s bewegt, zur Frau dich zu begehren. –
KATHERINA:
Mov’d! in good time: let him that mov’d you hither.
Bewegt? Ei seht! So bleibt nur in Bewegung,
Remove you hence. I knew you at the first,
Und macht, daß ihr Euch baldigst heimbewegt;
You were a moveable . . .
Ihr scheint beweglich . . .

Reizend, diese Frau, nicht wahr? Doch wer zuletzt lacht, lacht am besten. Wer wird am Ende triumphieren? Wird der große Dichter uns mit einem Happy-End beglücken?

Das sei an dieser Stelle nicht verraten, Shakespeare’s Komödie in Ehren – doch mir geriet sie eher zur Tragödie, zum Kreuzweg gar – die berühmt-berüchtigte DSL-Installation in 5 Minuten.

Frohlocken am Dienstag vergangener Woche – der Anruf eines Telekom-Mitarbeiters, dass DSL ab sofort freigeschaltet sei; knirschende Zähne und Sorgenfalten am Mittwochabend, als auch der Netzwerkspezialist am Notfalltelefon nur noch mit den Achseln zucken kann. Immerhin gibt er mir einen Hinweis, der mich auf die richtige Fährte bringt. Ob ich mir wirklich ganz sicher sei, dass die Kabelei vom Splitter in der Eingangswand zum Router im Büro einwandfrei funktioniert? Mir schwant böses, und so sollte sich das bewahrheiten, was Petruchio auftrumpfend zur widerspenstigen Katharina sagt: „kiss me Kate; we will be married o’ Sunday”.

Die gute Kate, sie wollt’s nicht glauben, und auch ich spekulierte die folgenden Tage fleißig in Gedanken: wird es etwas, oder wird es nichts? – denn erst am Wochenende konnte ich mich wieder darum kümmern. Das Spekulieren schwächt die Nerven, Geduld ist auch nicht meine Stärke, und so war ich am Ende, bevor es richtig los ging:

Samstag, Feiertag;
Kabel legen, eine Plag’ . . .
und zum Feiern keinen Grund.

:cry: Erschwerend kam ein deftiger Muskelkater hinzu, den mir einige neue Körperübungen asiatischer Provenienz beschert hatten; doch es half alles nichts; ich musste hinunter, auf die Knie (stöööhn), um den Boden aufzureißen, und das Kabel mit den vier Adern, zwei für ISDN, zwei für ADSL, neu zu verlegen. Schon damals, bei der erstmaligen Bodenverlegung, hatte ich mir Stein und Bein geschworen: das mach’ ich nie wieder – nebenbei, ganz heimlich, still und leise, stiegen Zweifel in mir auf. Doch was nimmt man nicht in Kauf; alles hat im Leben eben seinen Preis.

Von der Stirne heiß
rinnen muss der Schweiß,
soll das Werk den Meister loben;
doch der Segen kommt von oben.
(Schiller, Die Glocke)

Weise gesprochen, guter Friedrich, ins Schwitzen kam ich reichlich; dennoch: der Segen liess endlos lange auf sich warten. 21:00 Uhr, und weit und breit kein Feierabend in Sicht, Wochenend’ ade! Dafür herrschte das allerliebste Chaos, wie man auf dem Foto leicht erkennen kann.

Warum ich das alles schreibe?

Weil es für mich erstaunlich und lehrreich war, wie man innerlich reagiert, wenn’s schwierig wird. Wie tapfer kann man wirklich sein, wenn’s darauf ankommt?

Es war zum Verrückt werden. Die Dielen, die sich über mehrere heiße Sommer wohl gründlich verzogen hatten, waren beim erneuten Zusammenbau störrischer als die widerspenstigste Katharina. Erinnerungen an frühere Urlaube wurden wach, wenn man beim hastigen Packen für die Rückreise den Koffer nicht mehr zubekam: beim Packen zu Hause hatte alles wunderbar hineingepasst.

Selbsttyrannei, was ist das? Das ist das, was man erlebt, wenn sich negative Gefühle wie Frust, Ärger, Wut und Zorn zu einer Spirale verdichten, die sich immer schneller dreht, und der man aus eigener Kraft nur schwer wieder entrinnen kann. Und der Gedankenkreisel dreht sich getreulich mit: Immer auf die Kleinen! Ich hab’s doch gleich gewusst! Es wäre doch zu schön gewesen, wenn einmal etwas auf Anhieb funktioniert hätte! Wenn man dann nicht aufpasst, versinkt man schnell in Selbstvorwürfen: Ich Idiot! Ich kann noch nicht ’mal einen Laminatboden zusammenschustern! Versager! Du bist auch zu gar nichts zu gebrauchen! Kennen Sie das? Man kniet auf dem Boden, man tobt, hat Schaum vor dem Mund, den Schraubenzieher in der Hand — und ist drauf und dran, auf die Dielen einzuschlagen, Mord, Tod, Zerstörung und Gewalt! Und das verheerende dabei: man verletzt sich dabei selbst am meisten.

Negativen Gedanken einen Riegel vorzuschieben, das braucht Kraft – und die hatte ich zu so später Stunde nicht mehr zur Verfügung. Anderen Glück und Freude gönnen? Neutral und gelassen bleiben? Geduld zu den kleinen Schritten? Nichts davon. An diesem Samstagabend bade ich ausgiebig in meinen schwachen Seiten. Bis weit nach Mitternacht brennt das Licht. DSL funktioniert, allen Widerspenstigkeiten zum Trotz. Kiss me Kate, we will be married o’ Sunday, Sie erinnern sich? Inzwischen ist es Sonntag geworden, doch aufgeräumt und geputzt wird erst, wenn’s hell ist; auch die Feier fällt bescheiden aus, und findet in der Badewanne statt: ein heißes Baldrianbad
, bis zur Ohnmacht, für meine aufgeriebenen Nerven.




Perspektiven und Ausblicke - mein 17260. Tag


estern blätterte ich wieder einmal vergnüglich in den Seiten eines Autors, den ich sehr schätze. Unter einem Foto, das im Vordergrund eine Bank zeigt, die zum Sitzen und Verweilen einlädt, und im Hintergrund das weite Panorama einer sanft geschwungenen Mittelgebirgslandschaft, stand folgendes zu lesen: „Hier, an diesem Platz, möchte ich alt werden.”

Befremdung beschlich mich bei diesen Worten. Das schrieb ein Mann in der vollen Blüte seines Lebens, voll Elan, Schaffenskraft und Liebesfähigkeit – was bringt einen Menschen dazu, der, wie ich aufgrund seiner Artikel annehmen darf, mit dem bewußten Umgang seiner Gedanken wohlvertraut ist, sich solche Perspektiven aufzubauen?
Möchte er dort, so schön es auch an jenem Platz sein mag, wirklich alt werden?

Vorsicht, Wünsche! Wünsche sind eine Macht, und vermutlich die größte, die es im gesamten Universum gibt. Die Erfahrung zeigt, dass wir sehr behutsam mit unseren Wünschen umgehen sollten; sonst können sie mächtig ins Kraut schießen, wie die Geschichte der Eheleute Hans und Lise zeigt, denen die Bergfeÿ (alte alemannische Schreibweise von Bergfee) drei Wünsche gewährt. Johann Peter Hebel’s skurrile Kalendergeschichte, Jahrgang 1808, ist auch heute noch sehr lesenswert – und er resümiert, nachdem alle drei Wünsche vertan sind, dass „du wissen mögest, was du . . . wünschen sollest, um glücklich zu werden.”.

Möchte ich alt werden? Nein, ich möchte lange leben, gesund und glücklich. Das aber ist etwas ganz anderes – es schafft eine neue Perspektive in mir, die mich hebt und weitet; die mich verbindet, mit dem Urquell des Lebens, und mit der Energie, die mich beständig erneuert und jung erhält. Es gibt nichts natürlicheres, als vollkommen gesund und jugendlich sein Erdendasein zu beschließen – dann, wenn es an der Zeit ist, und die Seele ihren Erfahrungsschatz reich gefüllt hat. So ist unser Lebensentwurf von „oben” eigentlich vorgesehen, und wir sollten ihn uns immer wieder vergegenwärtigen, bis wir ihn vollkommen verinnerlicht haben.

 

Wir können wählen, welchen Weg unser Dasein nimmt, und in welche Richtung sich unsere Lebensuhr bewegt. Treffen wir die rechte Wahl! Nicht nur am kommenden Wochenende, auf politischer Ebene, sondern, was viel wichtiger ist, Tag für Tag auf der gedanklichen Ebene - indem wir kraftvolle Wünsche formen, die uns zum rechten Handeln zwingen.

Erst der rechte Wunsch lässt die Tat gelingen!




Wie verändert man die Welt? - mein 17197. Tag


nsere Welt ist komplex geworden, undurchschaubar, vielfältig, mit Abermillionen von Möglichkeiten, Optionen, Ablenkungen, und Gefährdungen. Viele Menschen sehnen sich nach Ordnung und Überschaubarkeit, nach einem hübschen Paradiesgärtlein, nach einer kleinen, vertrauten, heilen Welt. Wie geht das zusammen? Kein Problem. Wir müssen nur selbst Hand anlegen, an unser Paradiesgärtlein, es hegen und pflegen; und das treu und zuverlässig, Tag für Tag. So, wie wir einen sonnendurchfluteten, azurblauen Himmel erst dann zu schätzen wissen, wenn wir für längere Zeit unter einem trübgrauen, tiefhängenden Wolkendach unseren vertrauten Tätigkeiten nachgegangen sind, so hilft uns der verwirrende irdische Irrgarten, den Blick für diejenigen Dinge zu schärfen, die wirklich wesentlich, sinnvoll und hilfreich sind.

Hilft es, Mißstände zu entlarven und anzuprangern? Gestern erhielt ich unaufgefordert eine Mail – die genau das tat – und tut, und tun wird, seit nunmehr bereits 20 Jahren, wie man dort lesen kann. Es geht um Hochfinanz, Lug und Trug, Dominanz des Materialismus, Machtstreben, Kontrolle – und die Blindheit des „kleinen Mannes” der wie Vogel Strauß seinen Kopf in den Sand steckt; weder etwas sehen, geschweige denn etwas hören will, und sich anscheinend willenlos manipulieren lässt.
Ist dem wirklich so? Ist es nicht vielmehr eine Art von Selbstschutz? Wie fühle ich mich denn selbst, wenn ich solche anklagenden Inhalte überfliege? Es macht mich unglücklich, frustriert mich, macht mich wütend, raubt mir Energie, Lebenszeit und Lebensfreude. Der ganze Groll und Hass der Autoren überträgt sich auf mich – und ändern kann ich doch nur mich selbst. Will ich das? Mich ändern – ja, denn das ist eine Notwendigkeit; die negativen Gedanken anderer Menschen übernehmen – nein, denn Gedanken sind eine Macht, und sie dringen auf mich ein wie spitze Nadeln, und verletzen mich – wenn sie negativ, kritisch, vorwurfsvoll und anprangernd sind. Deshalb benötige ich keine Tageszeitung, kein Radio und auch kein Fernsehen. Bin ich deshalb weltfremd? Ja, ich gebe zu, die Welt hat sich mir entfremdet. Es ist nicht meine Welt, die Welt im Großen. Ich baue an meiner Welt, im kleinen, und sie ist völlig anders geartet. Sie wird von Liebe und Wertschätzung zu allen Wesen und Dingen getragen. Das macht mich glücklich.

Vergessen wir nicht, dass wir selbst es sind, die das Erscheinungsbild unserer Erde bestimmen. Könnte jede Seele bereits eine positive und selbstlose Macht sein, wäre unsere Welt ein getreues Spiegelbild, und es gäbe keine einzige negative Erscheinung in ihr. Wäre das nicht paradiesisch? So muss es wohl im Paradies sein, denkt manche/r, und so ist es auch tatsächlich, auf höheren Daseinsebenen, wo die Freude ewig währt.
Neulich schrieb mir ein Menschenkind eine Mail, die ich hier auszugsweise wiedergeben möchte:

„Sie müssen wissen, dass ich noch fast ganz klein bin. Ich bin noch nicht einmal sechzehn, aber ich denke, das ist nicht ausschlaggebend dafür, wann und wie man sein Leben gestalten möchte…Ich mag die Leute nicht, die in allem immer nur das Schlechte sehen…Ich möchte so gern, dass es mich daran erinnert, wie ich es schaffen kann, ein guter Mensch zu werden bzw. zu bleiben.”

Goldene Worte, die man nicht kommentieren muss. Das sind die Menschen, die Zukunft gestalten. Sie hat es schon angelegt, das Paradiesgärtlein, nach dem sich so viele sehnen. So verändert man die Welt – ganz im kleinen, wenn man bei sich selbst beginnt. Doch nur keine falsche Bescheidenheit – es strahlt aus, wirkt ansteckend, und überträgt sich auch auf jene Menschen, mit denen man in Verbindung steht. Und so fügt sich das eine zum anderen, und wir schließen den Kreis für heute mit den geflügelten Worten „Sei Du selbst die Veränderung, die Du Dir wünschst für diese Welt”.