• Die richtigen Zeichen setzen •


Frühlingsbeginn

Trotz allem Irrspiel und Verwirrspiel, das uns die Weltbühne momentan in aufrüttelnder Inszenierung präsentiert, ist auf eines noch Verlass:

»Der Frühling hat sich eingestellt,
mit seinen lichten Farben,
verschönert uns die karge Welt,
die lange musste darben.«

»Licht!«

Dem Lichte strecken wir uns sehnsuchtsvoll entgegen, es umhüllt uns, die wir aus dem Lichte stammen, und dem wir, seien unsre Schritte noch so klein, voll Mut und Tapferkeit entgegenschreiten.

»Was ist Licht?«

Licht ist zentripetal komprimierte Schwingungsenergie (von Gott ausgehend, zu Gott zurückkehrend, auf das Rotationszentrum, der Lichtquelle hin ausgerichtete elektromagnetische Wellen, die durch geistige Kraft eine unserem irdischen Bewusstsein unvorstellbare Verdichtung erfahren). Da wir, als geistige Wesen und Kinder Gottes unsere Schöpfernatur nicht leugnen können, zieht es uns zum Licht, und wir tragen es in uns, in unserem Geist, und in jeder Körperzelle. Die Schöpfung, die uns den Geist Gottes in mannigfaltigster Weise erfahren lässt, lädt uns ein, ihr Gehör zu schenken; sie zu schätzen, sie zu achten, sie zu lieben, ist ein Gebot und eine Notwendigkeit, denn Liebe ist ein gleichwertiges Empfangen und Zurückgeben dessen, was der harmonischen Entfaltung des Ganzen dient.

»Wie eng verwandt sind Licht und Harmonie!«

Wer fand, dies auszudrücken, gewaltigere Töne, als Joseph Haydn? Wer in seine Musik eintaucht, der versteht fortan besser, was es heißt zu lieben: zu empfangen und zurückzugeben – und wir, als Menschen auf der Ebene der Erde, umschreiben dieses Wechselspiel von Geben und Nehmen nicht ohne Grund auch mit dem Begriff der Dankbarkeit.

»Bleibt zu Hause!«

Wir schauen in die Welt, und wir erschrecken. Es rumort an allen Ecken. Tröste Dich, mein Herz: allein beständig ist der Wandel, und eins ist sicher: nichts wird so bleiben, wie es ist. Was bleibt also zu tun?

Ruhe bewahren, und im persönlichen Lebensumfeld das tun, was zu tun ist: das, was wir in unserem Innersten als gut und richtig empfinden. Die Intuition ist dabei unser Ratgeber und Wegweiser, Schritt für Schritt und Tag für Tag. »Bleibt zu Hause!« Das riet angesichts der „. . . Wolfsgruben, Beinhäuser und Gewitterableiter . . .” in der äußeren Welt der Goethesche Zeitgenosse Jean Paul (1763 -1825) seinen Lesern: »Die nötigste Predigt, die man unserem Jahrhundert halten kann, ist die, zu Hause zu bleiben.« (in der Vorrede zu seiner Erzählung „Leben des Quintus Fixlein”) Das war in der Epoche des Sturm und Drang, und solche Worte waren neu, zur damaligen Zeit.

Seither hat sich viel getan. Gottlob, die Menschen begreifen es immer mehr bei uns. Wir sehen es an den Entscheidungen der Politik, die ein getreuer Spiegel unserer Entscheidungen als Individuen sind, sofern man sie nur einmal in der Durchschnittssumme betrachtet. Das jetzige „Jein” des deutschen Außenministers in der Libyenfrage ist eigentlich ein aus diplomatischen Gründen verklausuliertes „Nein”, und dieser Mut zum „Nein”-Sagen, der sich zum ersten Mal in der Entscheidung des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder, keine Truppen in den Irak-Krieg zu schicken (2003), vor der Weltöffentlichkeit manifestiert hat, wird Früchte tragen. Auch jetzt lassen die Deutschen ihr Kriegsspielgerät zu Hause, und das sind die Entscheidungen, die weltweit die richtigen Zeichen setzen.

»Mischt euch nicht ein!«

Ein wesentliches Talent guter Seelen ist es, sich nicht in die Angelegenheiten anderer einzumischen, egal, ob dies im kleinen Kreis Familienangehörige sind, oder im größeren Kreis ganze Kulturen und Nationen. Doch was geschieht, wenn Menschen sich in Angelegenheiten anderer Menschen einmischen? Um das zu verstehen, braucht man sich nur auszumalen, was geschehen würde, wenn . .  sich beispielsweise die Naturgesetze, die die Schwerkraft bearbeiten, in die Naturgesetze, die den Auftrieb bearbeiten, einmischen würden: hoppelnde Flugzeuge, möglicherweise. Doch Flugzeuge sind nun mal keine Hasen. Und das ist gut so. Die Schwerkraftgesetze kümmern sich darum, dass alle Materie dem Erdmittelpunkt zustrebt, und die Auftriebgesetze kümmern sich darum, dass Vöglein fliegen und Fischlein schwimmen können. Und so hat alles seine Ordnung, denn andernfalls wäre ein Chaos die unausweichliche Folge. Dasselbe beim Menschen: bringt der Mensch seine eigenen Angelegenheiten in Ordnung, geht alles in seinem Umfeld besser, und er wird zum Vorbild für andere innerhalb seines Lebensbereichs. Mischt er sich dagegen ein in Dinge, die ihn nichts angehen, so sorgt er für Schwierigkeiten und Chaos ohne Ende. Ein Blick auf das aktuelle Tagesschehen in der Welt, nicht nur in Libyen, macht uns das deutlich.

Wer gelernt hat, sich nicht einzumischen, der erwirbt sich Neutralität in hohem Maß. Das ist es, was ein Vorbild auszeichnet, und das ist es, was sich das gesamte Universum von uns Menschen wünscht. Die Schweiz hat dies bereits verwirklicht, doch gibt es nichts, was sich nicht noch verbessern ließe: als die Schweizer Lawinenrettungsgruppe mit ihren Bernhardinern nach dem Erdbeben, das im Jahr 1995 die japanische Großstadt Kōbe heimgesucht hatte, auf dem Flughafen der zerstörten Stadt eintraf, durfte sie tagelang wegen Quarantäne-Bestimmungen das Gelände nicht verlassen. Schließlich wurde sie auf die bereits vom Schutt freigeräumten Flächen geführt, und musste unverrichteter Dinge wieder abziehen. Ironie des Schicksals? Nein. Gott und das Universum schulen uns in dieser Weise Tag für Tag.

Der Mensch ist ein im Grunde hilfsbereites Wesen. Doch Helfen wollen macht leicht blind. Erinnern wir uns noch einmal daran, was wir eingangs gesagt hatten. Liebe ist ein gleichwertiges Empfangen und Zurückgeben dessen, was der harmonischen Entfaltung des Ganzen dient. Alles, was im Universum geschieht, basiert auf diesem energetischen Austausch, der stets ausgewogen sein muss. Wer kann in Liebe geben, so dass es der Entfaltung des Ganzen dient? Nur der, der über ausreichende Energiereserven verfügt, weil er fortlaufend die im Sinne des Universums richtigen Entscheidungen trifft.

Fast alle Nationen haben Japan großzügige Unterstützung zugesagt; Nationen, die billionenfach in der Kreide stehen. Geld verteilen, das man gar nicht hat? Doch es sind nicht die Staaten, die die Schulden machen. Sie sind nur ausführendes Organ, die Exekutive dessen, was jeder einzelne durch seine persönlichen Entscheidungen zu verantworten hat. Nehmen Sie einen Kredit in Anspruch?

»Bringt euer Haus in Ordnung!«

Wir tragen Verantwortung, für unseren persönlichen Lebensbereich, und für unsere täglichen Entscheidungen. Mit ihnen bauen wir entweder Energie auf, oder wir verlieren sie. Und genau das ist der springende Punkt. Was aber ist die vom Universum erwünschte Art, zu helfen? Zuerst müssen wir erkennen, wer in unserem Lebensumfeld die Richtigen sind, die Hilfe verdienen. Denn nur sie sind auch bereit, bei sich selbst zu beginnen, und ihre Schwierigkeiten selbst in die Hand zu nehmen. Wir sprechen hier auch von der Hilfe zur Selbsthilfe, den richtigen Menschen gegenüber. Das könnten beispielsweise

Doch gilt es in jedem Fall intuitiv zu prüfen, ob man helfen darf, und ob die Hilfe auf fruchtbaren Boden fällt. Andernfalls ist es ein Einmischung, die ungute Gefühle hinterlässt, und oft auch Streitigkeiten provoziert. Vor allem bei falsch motivierter materieller Hilfestellung (Mitleidpflicht!) erzeugt man Abhängigkeiten, die den Bedürftigen auf Dauer schwächen, und in seiner Unselbständigkeit verharren lassen.

Ach ja, dass ich′s nicht vergesse: am Sonntag wählen die Baden-Württemberger die Regierung, die sie durch das Jahr 2012 begleiten wird. »Die richtigen Zeichen setzen!« Doch Wahlempfehlung darf ich keine aussprechen. Neutral sein heißt auch unparteiisch sein. Nur so viel vorneweg: Gott ist am Steuer. Und das beruhigt ungemein. :smile:




• Wie entsteht positive seelische Intelligenz? (II) •


Teil II

eiter geht es mit Teil II, nachdem wir bereits im ersten Teil gesehen hatten, dass der aufrichtige Wunsch und die tägliche Bitte die Grundbedingungen für mehr positive Intelligenz sind. Heute dominiert nun mein Lieblingsthema – will heißen „Mut”. Mut tut gut, das wissen wir. Doch was ist Mut denn ganz genau: Übermut? Wagemut? Hochmut? Wankelmut? Langmut? Ein Wort ist’s, das bislang noch fehlt: die Demut gibt dem Auf und Ab des Lebens erst Balance. Mit Demut kommen wir der Sache langsam, aber sicher, näher.

Am vorletzten Sonntag ergab sich für mich die Gelegenheit, einiges zum Thema „Mut” – was auch mein Tagesthema war – hinzu zu lernen. Ich hatte eine Orgelvertretung zu spielen, und konnte während des Gottesdiensts beobachten, wie eine ganze Gemeinde von der übergeordneten Intelligenz im Universum geschult wird. Das Schulungsziel: die Gottesdienstbesucher auf die entscheidende, und sorgfältig geplante Mutprüfung gegen Ende des Gottesdiensts vorzubereiten. Die Belohnung für das Bestehen dieser Mutprüfung: mehr positive seelische Intelligenz!

Derartige Zusammenhänge erschließen sich natürlich erst im Nachhinein, und so will ich erst jetzt – nach über einer Woche des Nachsinnens – darüber berichten, wie das Ganze vor sich ging. Auch wenn die Schlussfolgerungen nicht so leicht bekömmlich sind – Medizin schmeckt nun einmal recht bitter – so bleibt abzuwarten, ob nicht dem Einen oder Anderen nach dieser Lektüre ein Licht aufgeht :idea: .

Szenenwechsel, der Sonntagvormittag in der Rückblende

Der Prädikant, ein angehender Pfarrer, jung und voller Elan, kommt auf die Orgelempore. Er begrüßt mich. Er strahlt, und seine Augen funkeln. Ein Leuchten geht über sein Gesicht. Kein Zweifel: da kommt jemand, der von seiner Sache überzeugt ist. »Sie begleiten heute unsre Lieder?« – »Und Sie begleiten heute unsre Gemeinde?« Wir lachen herzlich. Gegenseitige Sympathie. Ablauf wie gewöhnlich. Es kann beginnen . . .

Auszug aus dem Wochenpsalm: „Unser Herr ist groß und von großer Kraft, und unbegreiflich ist, wie er regiert . . .”

Der Predigttext ist der Apostelgeschichte entnommen, die Bekehrung des Saulus (APG 9, 1-19). Es gibt zwei Protagonisten in dieser Geschichte, Hananias und Saulus (der spätere Paulus). Der Prädikant stellt eine provozierende Frage:

»Warum ausgerechnet der?«

Warum schickt Gott Hananias, einen seiner treusten Diener, ausgerechnet zu dem gefürchteten Saulus, der gegen alle, die sich zu Jesus bekennen, mit Gewalt vorgeht? Hananias erfährt im Zwiegespräch, dass Gott Saulus als sein Werkzeug auserwählt hat, seinen Namen vor Heiden und vor Könige und vor das Volk Israel zu tragen (Vers 15).

Hananias ist demütig. Er lässt sich bereitwillig dahin führen, wo Gott ihn haben will: in das Haus, in das Saul, von Gottes Lichtblitz zu Boden geworfen, von seinen Helfershelfern geführt wurde. Dort sitzt er nun, und weiß nicht, was geschehen wird. Er wartet, nichts sehend, nichts essend, nichts trinkend, schon seit drei Tagen.

Hananias tritt ein und legt ihm die Hände aufs Haupt: »Lieber Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt . . . dass du wieder sehend und mit dem Heiligen Geist erfüllet werdest.«

Saulus ist ein anderer geworden: er ist wie ausgewechselt. Aus Saulus wird Paulus, fortan die treibende Kraft in der Sache Gottes.

Ich kenne keine Geschichte, die das Thema „Mut” eindrücklicher vor Augen führt, als diese Begebenheit aus der Apostelgeschichte. „Mut” wird von zwei gegensätzlichen Seiten beleuchtet. Hananias und Saulus spiegeln jeweils eine dieser Seiten wieder, doch beide Seiten wohnen jedem richtig gearteten seelischen Mut inne.

Hananias

  • Er soll zu seinem ärgsten Widersacher gehen: eine Aufforderung, die ihm alles abverlangt.
  • Ungewissheit und innere Zweifel stehen dem vollkommenen Vertrauen in die göttliche Führung gegenüber.
  • Durch Demut und Gehorsam entwickelt Hananias die notwendige innere Stärke.
  • Die unmittelbare Folge: mehr und mehr ruhige Gefühle der Geborgenheit und des Getragen Seins.
  • Conclusio:
    Ungewöhnliches wagen – aber nur, wenn die Intuition dazu rät.

Saulus – Paulus

  • Er ist zunächst völlig hilflos der Situation ausgeliefert: das macht ihn demütig.
  • Er erkennt in der Innenschau (Blindheit), dass sein bisheriges Leben verwerflich war, und schließt mit der Vergangenheit ab.
  • Er sagt sich von allem los, was ihm bisher wichtig war, und sagt »Nein« zu: Geld, gesellschaftlichem Ansehen, Einfluss und Macht.
  • Diese Standhaftigkeit hilft ihm später im Gefängnis, nicht den Mut zu verlieren.
  • Conclusio:
    »Nein« sagen können, wenn ein »Nein« erforderlich ist. Standhaft bleiben.

Für beide, Hananias und Paulus, gelten bedingungslos folgende
Charaktereigenschaften:

  • Geradlinigkeit
  • Standhaftigkeit
  • Aufrichtigkeit
  • Rückgrat zeigen können
  • Zähne zeigen können, falls erforderlich

Indikatoren bei andauernder Mutlosigkeit

  • Zahnprobleme
  • Rückenprobleme
  • Knieschlottern in dramatischen
    Entscheidungssituationen

Solche Probleme waren gewiss Hananias und Paulus Sache nicht!

Dem Prädikanten auf der Kanzel gelingt es, die Protagonisten zum Leben zu erwecken. Er kann begeistern, weil er selbst begeistert ist – das heißt, der Geist, der Heilige, kann in ihm wirken, weil er sich ihm geöffnet hat. Das überträgt sich auf die Zuhörer. Sie sind eingestimmt und vorbereitet. »Hananias und Paulus.«»Ja, die großen biblischen Gestalten!«»Hat das was mit uns zu tun?« Die Spannung steigt. Die Mutprüfung kann kommen.

Nach der Predigt geht es schnell dem Ende zu. Lieder singen, Vater Unser, Abkündigungen. Das Übliche. Veranstaltungshinweise, Einladungen, Dank an den Prädikanten, Dank an den Organisten. Auf einmal stellen sich die Ohren auf:

»Das Opfer der vergangenen Woche ergab . . . € und . . . Cent. Die heutige Kollekte ist für die Flutopfer in Pakistan bestimmt.«

Das war die offizielle Verlautbarung. Doch der Kirchengemeinderat fasst nach:

»Wie Sie alle sicher aus den Nachrichten wissen, ist das Ausmaß der Katastrophe viel größer als ursprünglich angenommen . . . «

In allen Farben schildert er die Einzelheiten. Eindringlich appeliert er an die Opferbereitschaft der Gottesdienstbesucher. Totenstille. Was jetzt wohl in jedem Einzelnen so vor sich geht?

Conclusio

Eine Woche später sitze ich wieder an der Orgel, und bekomme deshalb mit, wieviel die Gottesdienstbesucher letzte Woche gespendet haben. 50 Prozent mehr als gewöhnlich. Mutprüfung bestanden?

In der Zeitung lese ich, dass die Taliban mit Gewalt gegen die UN-Hilfsorganisationen drohen, weil aufgrund der Katastrophe „eine Horde von Ausländern” im Land sind. Das Kabinett beschwichtigt. Eine Million Euro Soforthilfe. Mitleid ist in unserer Gesellschaft Pflicht. Mutig sein hingegen nicht.

Was empfinden wir beim Anblick solcher Bilder? Wenn wir innerlich ruhig und unbelastet bleiben können, so sind wir weder gefühlskalt, noch egoistisch oder gar unmenschlich: vielmehr haben wir uns dann bereits ein hohes Maß an Objektivität verdient. Könnte Gott selbst solche Zustände ertragen, wenn er nicht in einer für uns unvorstellbar vollkommenen Weise objektiv wäre?

Das Einmischen in Angelegenheiten, die uns nichts angehen, sorgt für nahezu alle Schwierigkeiten auf dieser Welt. Es verhindert, dass Menschen lernen können, sich auf ihre eigenen Kräfte zu besinnen. Pakistan ist dafür ein sprechendes Beispiel.

Mutig „Nein” sagen zu können erfordert Stärke. Die gewinnen wir uns, wenn wir gegen den Strom schwimmen, wie es lebendige Fische tun. Wohin gelangen wir, wenn wir stromaufwärts schwimmen?

Zur Quelle! Zur Wahrheit! Zum Licht!

Erinnern wir uns an die Worte aus dem Wochenpsalm?

„Unser Herr ist groß und von großer Kraft, und unbegreiflich ist, wie er regiert . . . der den Himmel mit Wolken bedeckt und Regen gibt auf Erden . . .” (Psalm 147)

Und die massiven Regenfälle in Pakistan? Wechseln wir doch jetzt einmal den Standpunkt. Betrachten wir sie objektiv, und bar jeglicher Wertung. Was sind sie dann? Keine Katastrophe, sondern schlichtweg eine unfassbar weise Planung von höchster Stelle. Eine Vorbereitung für bessere Zeiten, denn Millionen von Menschen werden durch diese gewaltigen Naturereignisse geschult. Weitere derartige Ereignisse werden folgen, das sei verbürgt mit Brief und Siegel.

Und noch etwas: das Universum meint es gut mit uns. Es braucht uns Menschen mit mehr positiver Intelligenz. Und mit mehr Freude. Geteilte Freude ist doppelte Freude. Geteiltes Leid ist doppeltes Leid. Das ist das kleine Einmaleins der Seele. Virginia Woolf schrieb hierzu:

»Anteilnehmen können wir jedoch nicht. Die so weise Schicksalsgöttin sagt „Nein”.

Wenn ihre Kinder, kummergebeugt wie sie bereits sind, auch diese Last noch tragen und in ihrer Vorstellung Anderer Leid ihrem eigenen hinzufügen müßten, so würden Gebäude nicht länger errichtet und Straßen in grasbewachsene Pfade auslaufen; das wäre das Ende von Musik und Malerei, und nur ein großer Seufzer würde zum Himmel aufsteigen, und Männern wie Frauen blieben einzig Schrecken und Verzweiflung.«

Wollen wir das?

Ende Teil II




Fliegt, meine kleinen Freunde! - mein 17296. Tag


a, was krabbelt denn da aus meiner schönen, warmen Yoga-Decke heraus? »Marienkäfer! – bringt das Glück? Wer weiss – ein Glück nur, dass euch beiden nichts geschehen ist. Nun denn, was mache ich mit euch? Ihr wolltet sicher überwintern.«

Was macht der kluge Mann in dieser Lage?
Ein Tier im Schuhkarton wird schnell zur Plage.
Und Zweie erst, in meinem Haus,
nein, nein, ich setz’ euch lieber aus.
Das Tierheim ist eh übervoll,
Herrgott, sag’ was ich machen soll!

Nach einigem Hin- und Her, und nach dem Durchspielen möglicher Alternativen setze ich die kleinen, zappelnden Käfer behutsam auf die Terrasse – es hat Frost gegeben, heute morgen — und übergebe sie somit dem Kreislauf der Natur. Bald werden sie erfroren sein, die Armen! Mein Mitgefühl, das haben sie, doch leiden, nein — das tu ich nicht.

Wie steht’s mit Ihrer Mitleidspflicht?

Vor allem Kindern und Frauen fällt es nicht leicht, in derartigen Situationen objektiv zu bleiben. Mitleiden, wenn andere leiden? Hilft’s denn, das Leid der Welt zu mindern? Wie sagen wir doch so schön: »Geteiltes Leid ist halbes Leid.«

Geht diese Gleichung auf? Dann müsste doch geteilte Freude halbe Freude sein. Unfug. Rein mathematisch betrachtet, verdoppelt das Mitleiden das ursprüngliche Leid. Leiden plus Leiden ergibt zweifaches Leid. Freuen plus Freuen ergibt zweifache Freude. Das gehört nun mal zum kleinen Einmaleins, obwohl es in der Grundschule noch immer nicht gelehrt wird.

Und falls sich Widerspruch in Ihnen regt: Mitleid und Mitgefühl sind durchaus nicht dasselbe. Wenn ich über Einfühlungsvermögen verfüge, so kann ich einem Menschen Mitgefühl entgegenbringen und ihm Trost spenden, ohne angesichts seiner Situation zu leiden. Bleibe ich innerlich vollkommen objektiv, so darf ich auch erkennen, ob Hilfe angebracht ist, und wenn ja, in welcher Form – denn Hilfe muss immer Anleitung zur Selbsthilfe sein, sonst hat sie keinerlei Wert.

Unsere Welt ist so angelegt, dass wir in vielerlei Entscheidungssituationen Objektivität entwickeln können. Da gibt es Prüfungen mit verletzten Tieren, da sitzen Bettler auf der Straße, da schauen uns schwarze Kinder mit aufgeblähten Bäuchen aus Plakaten entgegen, und allerlei anderes mehr. Wo man hinschaut, so viel Leid! Da hat es eine Kamera doch gut, denn die ist objektiv. Sie macht sich von der Situation ein Bild, klick, fertig, Schluß, und aus. Nicht mehr und nicht weniger. Keine Emotionen. Sie leidet nicht. Auch Gott, unser Schöpfer und Erhalter, leidet nicht. Er ist die vollkommene Objektivität – und die vollkommene Liebe, die keine Forderungen stellt. Seine Selbstlosigkeit kennt keine Grenzen, und deshalb hat er uns die Erde als „Bühne” zur Entfaltung unserer seelischen Werte geschenkt.

Objektivität ist die wichtigste Grundlage für uns Menschen, um das Leid auf der Welt zu vermindern. Verharren wir in Emotionalität und Mitleid, so gibt’s von oben nur eine Devise: »Mehr davon!« — denn Leidenschaft war schon immer das, was neues Leiden schafft. Verstehen Sie mich nicht falsch, Objektivität entwickeln bedeutet nicht, seine Gefühle einzubüßen — ganz im Gegenteil; doch werden sie viel ruhiger, transparenter, und angenehmer. Eine wunderbare innere Klarheit geht mit ihnen einher, und es fällt uns dann viel leichter, in der Balance zu bleiben — oder, wenn wir sie einmal verlieren sollten, wieder in unsere Mitte zurückzukehren.




Vergeben, Lektion 3 - mein 17163. Tag


inmal im Jahr kommt eine besonders harte Nuß im Bereich „Vergeben”. Wie lange benötige ich, um wieder unbelastet und innerlich unbeschwert zu sein?
Vergangenen Herbst: ich stelle den Antrag auf „Bezahlung per Lastschriftverfahren” bei einem großen deutschen Transportunternehmen, damit ich schnell und einfach online buchen kann. . .

Faxe alle benötigten Unterlagen zu (hat Arbeit gemacht), warte auf die Bestätigungsmail, die einige Tage später kommt. Versuche, ein Ticket online zu buchen, geht nicht, mehrmals versucht…(zeitintensiv). Forget it, löse die Sache anders. Vor zwei Wochen: benötige erneut ein Ticket, erneuter Anlauf. Habe zwischenzeitlich den Stand vom vergangenen Herbst vergessen, versuche online, ein Ticket zu lösen. Funktioniert nicht, mir dämmert wieder, dass da was war…Suche, suche, suche, warte, warte, warte in der Telefonhotlineendlosschleife, werde weitergeleitet, ein Mitarbeiter vertröstet mich einen endlos langen Moment (alles auf meine Kosten), und klärt mich auf: „Ja, sie sind angelegt, aber nicht freigeschaltet! Bitte faxen Sie die kompletten Unterlagen noch einmal zu, dann ist in zwei Tagen alles erledigt.” – Der Zorn beginnt, hochzusteigen, ich beherrsche mich. Habe ich die Unterlagen noch? Weiss er, wieviel Zeit und Nerven mich die ganze Sache schon gekostet hat? Ich sende das zweite Fax. Einen Tag später ein Rückruf auf dem AB: „Ja, wunderbar, hat alles gut funktioniert mit Ihrem Fax. Leider habe ich vergessen, zu erwähnen, dass Sie das ursprüngliche Antragsformular auch noch einmal mitfaxen müssen, damit Ihr Antrag zügig bearbeitet werden kann!” – Ich begehe im Geiste ein Tötungsdelikt. Was für eine Faxerei! Beherrsche mích, und sende das dritte Fax. Von der Sache höre ich nichts mehr. Eine Woche später erneuter Versuch, online zu buchen. Nichts geht…Suche, suche, suche, warte, warte, warte in der Telefonhotlineendlosschleife, werde weitergeleitet, eine Mitarbeiterin vertröstet mich einen endlos langen Moment (alles auf meine Kosten), und klärt mich auf: „Ja, sie sind angelegt, aber nicht freigeschaltet!” – mit meiner Beherrschung bin ich am Ende, ich werde laut und deutlich, sie zuckt mit den Schultern und meint, sie könne die Sache nur weiterleiten, sie selbst könne da auch nichts machen, das System…ich fange an, laut und unhöflich zu werden – sie stellt ihr Headset auf Bypass, lässt meine angestauten Aggressionen ins Leere laufen, ich höre nur noch das mechanische Klappern irgendwelcher Tastaturen…
Ich erwürge und stranguliere jeden Mitarbeiter einzeln, entlasse sie als fiktiver Chef mit einem Tritt in den Allerwertesten, und habe nicht einmal einen Sandsack, um mich abzureagieren.
Später bereue ich mein Verhalten, ich wünschte, ich könnte in extremen Situtionen wie dieser innerlich ruhiger bleiben. Sollte ich mir die Zeit nehmen, um einen Beschwerdebrief an die Geschäftsleitung aufzusetzen? Was sagt die Intuition? Nein, brauchst du nicht, das ist nicht deine Aufgabe. Willst du dich beschweren, n o c h — m e h r ? Ist dir die Last nicht schwer genug, die bereits auf deinen Schultern ruht? Wirf ab, was dich drückt, vergib dir selbst das eigene Fehlverhalten, und lerne aus den Fehlern, die die anderen machen. Mehr brauchst du nicht zu tun.

Als ich innerlich losgelassen und vergeben habe, ist mir ein Stein vom Herzen gefallen. „Dein Wille geschehe…” – der höheren Vernunft zu folgen, ist auf Dauer das einzig wirklich Sinnvolle. Die OnlineTicketbuchung interessiert mich nicht mehr. Es hat sich wie von Zauberhand eine praktikablere und einfachere Lösung ergeben…