• Die Geschichte mit der Acht, Teil I •


ommer, sei willkommen. Du wärmst uns schön, wenn nun die Tage wieder kürzer werden. Auf den Feldern reift das Korn, und wie von ferne dringen Töne an mein Ohr, die selge Zeiten in mir – obschon lange her – aufleben lassen.

Sommerkanon.js
Sommerliches Grün

»Sing mit, und lass die Saiten klingen, lass Dein Herz recht fröhlich springen!« Der Sommerkanon ist’s – wiegend und schwebend lädt er ein, miteinzustimmen in die alte Weise. Entstanden ist sie wohl vor fast achthundert Jahren schon, als weiland Englands König, Heinrich der Dritte, Kunst und Kultur erblühen ließ. Und doch klingt sie so frisch als wie am ersten Tag. Zeigt sie nicht Kraft und Anmut brüderlich vereint?

So zeigt sich uns auch die Natur, die nun in ihrer Pracht und Fülle ihren Höhepunkt schon überschritten hat. Genießen wir die Stunden draußen jetzt mit wachen Sinnen, solange es noch lichtvoll grünt! Das Grün ist Balsam für die Nerven, und es stärkt uns im Bemühen, die Aufmerksamkeit auf die Gegenwart zu richten. Im Hier und Jetzt ist einzig Leben, im Hier und Jetzt sind wir in der Verbindung, und nur im Hier und Jetzt können wir auch erfahren, was im jeweiligen Augenblick wirklich zu tun ist.

In der bewußten Wahrnehmung des Augenblicks liegt die einzige Möglichkeit, das eigene Leben neuschöpfend zu gestalten, und somit aus dem Dämmerschlaf der Seele zu erwachen. Nur durch bewußte Wahrnehmung unserer Innen- und Außenwelt können wir mehr und mehr zu begreifen suchen, wie unsere Seele lernt und sich verändert – zum Guten hin, so hoffen wir, doch müssen wir dazu beständig gute, das heißt im objektiven Sinn „richtige” Entscheidungen treffen.

Leicht gesagt, doch leicht vertan – woran erkennt man sie, die wirklich guten Entscheidungen?

Das spüren wir nur allzuoft im Nachhinein, wenn wieder einmal das Gewissen plagt, die Verdauung zickt, oder der Rücken schmerzt . . . Wir kennen sie doch zur Genüge, diese unangenehmen Befindlichkeiten, die nichts anderes wollen, als uns zu unserem Glück zu zwingen – indem sie uns daran erinnern, dass wir (eine oder mehrere, möglicherweise sogar sehr viele) Fehlentscheidungen zuletzt getroffen haben. Unsere Aufgabe ist es nun, im Geist den Handlungsstrang zurückzuverfolgen, Schritt für Schritt, bis wir in unserer Vorstellung noch einmal vor den Situationen stehen, in denen wir gegen unsere innere Stimme und/oder gegen unser Gefühl entschieden haben. Wenn uns dieses Zurückgehen, diese Rückschau (in der Stille!) gelingt, so begreifen wir intuitiv, was wir in den entsprechenden Situationen versäumt haben, und respektive – wie wir hätten entscheiden sollen. Keine Sorge! Denn bald werden wir wieder in ähnliche Entscheidungssituationen geführt, in denen wir erneut auf die Probe gestellt werden, und zeigen können, dass wir aus Fehlentscheidungen etwas gelernt haben. Das ist wahre Freude!

Im Erkennen solcher kausaler Zusammenhänge erschließt sich uns ein gewaltiges geistiges Potenzial, das uns die Tür zum bewußten seelischen Lernen eröffnet. Seelisches Lernen aber ist der „Fahrstuhl nach oben”, mithin die Grundvoraussetzung für alle, die sich geistig weiterentwickeln, und in der Tat dauerhaft glücklich sein wollen. Möchten wir das? Das sollten wir, unbedingt, denn nur dann werden wir dem Sinn unserer Erschaffung wirklich gerecht.

Wollen wir das nicht, so bleiben wir vollkommen der materiellen Welt und unseren niederen Instinkten verhaftet, bewegen uns ein Leben lang im Kreis, und lassen die Werte unserer Persönlichkeit verkümmern. Solch ein Leben kann durchaus sehr schön, sehr angenehm, und sogar sehr bequem sein, denn wer sich im Kreis dreht, lebt ja wie auf einer zweidimensionalen Ebene, auf der er nahezu ohne Anstrengung nach allen Seiten hin- und hergehen kann.

Wer sich hingegen um die Bewusstmachung seiner Entscheidungen und der damit verbundenen Gefühle bemüht, der entwickelt die notwendige geistige Kraft, um den Kreis der Gewohnheit und Trägheit – ein Teufelskreis – zu durchbrechen. Diese Kraft ermöglicht es uns erst, vom Kreisen um das eigene ICH zur entscheidenden, geistig-spirituellen Dimension unseres Bewusstseins vorzudringen: aus dem zweidimensionalen Kreisen wird ein Aufwärtsgehen entlang einer dreidimensionalen Spirale. Diese Spirale trägt uns kraft eigenen Bemühens höher und höher, bis wir den Himmel schauen¹.

Blick in den Kosmos

Licht wird es in uns, hell und schön, wenn wir denn endlich unserer Bestimmung folgen. Zuerst jedoch müssen wir ihr erst einmal gewahr werden.

¹ Anmerkung: rollen wir eine dreidimensionale Spirale ab, so entsteht vor unserem Auge eine schiefe Ebene, auf der wir empor- oder hinuntersteigen können; vergleiche hierzu auch den landläufigen Ausdruck „auf die schiefe Bahn geraten”, der allerdings nur das seelische Abwärtsgehen umschreibt. Wertneutral betrachtet können wir in jeder Entscheidungssituation von neuem die Weichen stellen, ob – und wie schnell – unsere Seele auf der schiefen Ebene aufwärts zu streben vermag, oder einfach nur sich gehen lässt, und in der Folge abwärts geht. Entweder, oder! Ein seelischer Stillstand ist auf der schiefen Ebene, die der Spirale im dreidimensionalen Raum entspricht, vollkommen ausgeschlossen.

So weit die graue Theorie. Die  farbenfrohe  Praxis folgt demnächst in: • Die Geschichte mit der Acht, Teil II •, auf diesem Blog, ganz ungekürzt, kräftig gewürzt . . .




• Adieu, große Kälte! •


ir brauchen dich nicht mehr. „Sonne, Freudenspenderin, sei uns willkommen!” Du hast uns überraschend schnell mit dir versöhnt – wenn ungetrübtes Blau vom Himmel lacht, den Strahlenkranz empfangend.

Was ist des Sonnenlichts Natur? Ist es nun Freundenspenderin, oder ein Freudenspender nur? Im germanischen Sprachraum ist sie, die Sonne”, in ihrer wärmenden Fürsorge eher weiblicher Natur, während im romanischen Sprachraum il sole” bzw. le soleil” eindeutig den männlichen, beherrschenden Anteil zum Ausdruck bringt.

Erstaunliche Unterschiede, nicht wahr? Die Sprachen der Völker, die sich über Jahrtausende hin entwickelt haben – und sich permanent weiterentwickeln, einer Verschmelzung in fernerer Zukunft entgegen – zeigen uns auf, wie unterschiedlich doch das Empfinden anderer Mentalitäten ist. Das gilt es zu erkennen, um es im Miteinander, das ja überwiegend auf Sprachkommunikation beruht, zu berücksichtigen. Toleranz baut hier die Brücken, über Ländergrenzen und Meere hinweg.

So wie der Sonne Strahlen jede Erdkrume erwärmt, und nicht an den von Menschenhand gezogenen Grenzen haltmacht, so unbegrenzt sollten wir in unserem Denken, Fühlen, Wollen, und Handeln jederzeit sein.

Er muss sich bald schon wieder – ob er es möchte, oder nicht – vereinen mit den anderen, hinunterströmen in den Ozean . . .

 . . . wo seine Freunde sind.
Besser, du möchtest es, mein Kind!
Das sei als Herzenswunsch in dir gehegt:
Glücklich zu lieben alles, sei’s, was dich bewegt.

Das ist die Liebe, die alles umfasst, indem sie bei sich selbst beginnt. Selbstliebe lernen, heißt es nun. Was also tun?

»Lernet und teilet!«

Mein Freund Jürgen hat seine bisherigen Erfahrungen für Euch niedergeschrieben. Eine herrlich blühende Rose ziert sein Selbstliebe-Kompendium, und es ist die Rose der Entfaltung, die ihm den Lebensweg weist.

So öffnen sich die Knospen, wer sich der Liebe öffnet. Licht wird es in uns, warm und hell. Und langsam zeigt sich nun die Schönheit, die unsrer Seele innewohnt. Sie zu entfalten ist es, was sich wirklich lohnt! Nehmen wir uns die Natur zu Herzen; »sie blühet, weil sie blühet . . . egal ob man sie siehet« (Silesius). Auch im Verborgenen ist’s nicht umsonst, denn einer sieht dich, jederzeit.

»Blühe für Dich, weil es Dein Auftrag ist!
So bist Du Freude für die Welt.«

„Kinder, wie ist es in der Sonne schön!” Zugegeben, an Ostern haben wir gefroren. Doch jetzt herrscht Dankbarkeit und Frieden in euch, oder etwa nicht? :smile: Die Wärme kam auf leisen Sohlen, heimlich über Nacht. Wer hätte das gedacht? Zwölf Grad mehr! Das Herze lacht. Am ersten Arbeitstag der Woche! So geht die Arbeit leicht und zügig von der Hand. Wer wollte da noch neidisch oder eifersüchtig sein, wenn andere im Sonnenschein spazieren? Freude und Glück sei ihnen großherzig gegönnt. Sind nicht die Tage lang genug, um noch nach Feierabend ein paar Strahlen einzufangen?

Aprilwetter ist launisch, sagt man. Abwechslungsreich, sag’ ich, so klingt es besser mir. In weiser Planung wird es dazu eingesetzt, uns seelisch „wetterfest” zu machen. Sozusagen unerschütterlich, auch wenn’s von oben wie aus Kübeln schütten sollte.

»Vollkommen positiv und frohgestimmt
will man uns haben, allezeit.
Bist Du bereit?
Oder willst Du noch länger Trübsal blasen?
So blas’ allein mit Deiner Pein,
bis Du zur Freudenmelodie gefunden.
Dann erst verlass Dein Kämmerlein,
dem Leben öffnend sei bereit;
mach’ Deine Herzenstüren weit!
Mit Freudentönen wirst Du Licht
im reinsten Lichte sein.«

Freude und Freundschaft sind Geschwister! Schließ doch ein Freundschaftsband mit Dir. Du wolltest doch als Kind schon ewig glücklich sein!

»Erkenne Dich!«
»Erinnere Dich daran, an jedem neuen Tag.«




Herzen und Masken - mein 17410. Tag


Heute ist Aschermittwoch, die Narrenasche färbt den Schnee . . .

„Wann i oft a bissl ins Narrnkastl schau’, dann siech i a Madl mit Aug’n so blau . . . ” – so sang der österreichische Schlagerbarde Peter Cornelius vor etlichen Jahren. Wissen Sie denn überhaupt, was ein Narrenkastl ist? Nein? Das tröstet mich, denn ich wusste es auch nicht, bis mir eines Tages ein Salzburger Freund mit charmanter Verbeugung ein Österreichisch-Deutsch-Wörterbuch überreichte. „Ins Narrenkastel schauen” – das bedeutet so viel wie träumerisch sehnsuchtsvoll in die Ferne blicken – und ich dachte immer, ein Narrenkastel sei ein Käfig, in den man gesteckt wird, wenn man sich als Narr entblößt.

»Nur nicht auffallen! Mach dich nicht zum Narren!« So wurden – und werden wohl noch immer – viele Kinder am Gängelband geführt, und mit der großen Erziehungsschere wird unser Bäumchen immerfort beschnitten, bis es traurig seine kümmerlichen Zweige hängen lässt. Kein Wunder, wenn es dann den Herausforderungen des Lebens wenig abzugewinnen weiss, und stattdessen viel lieber weit weg „ins Narrenkastl” schaut, wo es die Fantasiegestalten seiner Kindheit vorüberziehen sieht.

»Einmal nur die Rolle spielen, die ich mir erträumt habe! Einmal nur den grauen Alltag ganz vergessen! Einmal nur ein(e) andre(r) sein!« Und schon schlüpfts in bunte Kleider, hüpft und springt vor Lust und Freude, und verwandelt sich in das Wesen, das wir – die Zuschauer vor den Kulissen – einen Narren nennen.

Das Drehbuch ist geschrieben, die Rollen sind verteilt.
»Welche Rolle hätten’s denn gern?«

Und hinter den Kulissen?

Was da geschieht, das lässt sich nur erahnen. Was hinter Masken sich verbirgt, das scheut gar allzuoft das Licht - - und lächelt dir ins Angesicht.

Das Unterscheidungsvermögen zwischen Herzen und Masken will gelernt sein.

»Hinter leeren Fensterhöhlen wohnt das Grauen, und des Himmels Wolken schauen« - - »t i e f hinein«, so möchte man in Abwandlung der Schillerschen Verse sagen; Schneeflocken umwirbeln die Larventräger, und ein eisiger Wind sorgt für den letzten Schliff auf den polierten Masken.

Die Augen sind das Fenster zur Seele, sagt man. Warum ist es eigentlich Mode geworden, seine Augen bei Tag und Nacht hinter einer Sonnenbrille zu verbergen? Der Mensch – ein Potemkinsches Dorf? Hauptsache, die Fassade hält. Nur nicht aus der Fassung bringen lassen, selbst wenn man schon versteinert ist . . . .

Rückblende: Faschingssonntag, der Bär ist los. Es ist schon eine seltsame Karawane, die bei Schnee und Kälte durch die Straßen von Weil der Stadt zieht. Die ehemalige freie Reichsstadt, überwiegend katholisch geprägt, ist eine Hochburg der schwäbisch-alemannischen „Fasnet”. Traktoren ziehen die schweren Umzugswagen, und ein Melodienreigen verschiedenster Musikgruppen vermengt sich zu einem unentwirrbaren Knäuel in meinem halbbetäubten Ohr. Es ist das erste Mal seit meiner Kindheit, dass ich wieder solch einem bunten Treiben zusehe, und ich staune ob der Fantasie und Kreativität aller Beteiligten. Wieviel Arbeitsstunden wurden in die Vorbereitungen für diesen Umzug gesteckt! Weder Kosten noch Mühen wurden gescheut, um den Narrenzünften aus nah und fern eine adäquate Bühne für ihren großen Auftritt bereitzustellen.

Beeindruckende, handgeschnitzte Masken und die dazugehörigen, handgearbeiteten „Häser” (Narrenkleider) zeugen von einer hohen Originalität schwäbisch-alemannischer Fasnacht, einer jahrhundertealten Tradition, sowie einer hochstehenden Handwerkskunst, die treulich von Generation zu Generation weitervererbt wird. Und so wandeln von der Teufelsfratze bis hin zur personifizierten Güte fast alle Facetten menschlichen Gebarens an mir vorüber. Ein Schauspiel, das den Zuschauern den Spiegel der Welt vorhält, wie einst der Narr dem Herzog in Shakespeares Komödie „What You Want”. „Was ihr wollt”, das könnt ihr haben, und den Löffel gleich dazu. Denn die Suppe, einmal eingebrockt, will ausgelöffelt sein.

Wir tun uns schwer, den Faden, den die Parzen spinnen, bloßzulegen. Des Lebens Los, fällt uns das einfach in den Schoß? Gewisslich nicht, sonst sprächen wir nicht vom Los, das wir gezogen haben. Die Drahtzieher sind wir allein. Ursach’ und Wirkung, gestern wie heut’. Den Leuten sieht man’s ins Gesicht geschrieben, und um den Hals hängt schwer beladen — sie, die Schicksalskette unsres Lebens, mit den vielen Narrenschellen dran. Bei jedem Schritt ein jede hell erklingend, künden sie vom Karma, das es abzutragen gilt.

Gestern tanzten sie, die Hexen. Ein Veitstanz, schaurig schön und wild. Heute liegen sie in Schutt und Asche, die aufgekehrt sein will. Und wissen taten sie’s wohl vorher schon, mit einem Liedchen auf den Lippen: »Da Bach naa, da Bach naa, mit Kummer un mit Sorga, bis am Asch-, bis am Asch-, bis am Aschermittwochmorga . . . « (Den Bach hinunter, den Bach hinunter, mit Kummer und mit Sorgen, bis am Asch-, bis am Asch-, bis am Aschermittwochmorgen . . . ). So lautet das Credo der Schramberger Da-Bach-na-Fahrer, die in bunt geschmückten Holzzubern die eisigen Wasser der Schiltach befahren. Schiffchen ahoi! Der Katzenjammer lässt nicht lange auf sich warten, und auf den Fasching folgt das Fasten. So war’s, und so wird’s lang noch sein.

Zerknirschter Sünder, jetzt bereue?
Sei besser fest in Tat und Treue.
Erkenne dich, dein wahres Wesen.
Nur an dir selbst kannst du genesen.

Ist’s nicht die schönste Rolle auf der Welt, sich selbst zu sein? Dazu bedarf’s – hurra – keiner Verstellung mehr.

Die Larve schlüpft.
Heraus kommst du.
Wie aus dem Ei gepellt.
Geschenk und Freude für die Welt.

Erst wenn wir alle Masken abgelegt haben, zeigt sich unser wahres Herz. Wer sich von Herzen wünscht, sich zu erkennen, der steht unter Schutz. Symbol: der weiße Schirm. Die Trauer weicht der Freude. Die Finsternis dem Licht.




• Nachhilfe • - mein 17352. Tag


ibt es dumme Schüler? Nein, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Mir ist in den vielen Jahren des Unterrichtens noch kein einziger begegnet. Aber es gibt ungeduldige Lehrer, und solche, die ihre Schüler überfordern — weil sie sich nicht genügend in den Schüler hineinzuversetzen vermögen.

Ob ein Schüler raschere oder langsamere Fortschritte macht, ob er eine schnellere Auffassungsgabe hat, oder eher zur Begriffsstutzigkeit neigt — das alles macht nicht seinen innewohnenden Wert aus, und wird dem unbeschränkten Potenzial, das er – einem ungeschliffenen Diamanten gleich – in seiner Seele trägt, beileibe nicht gerecht. Wollten wir ein Kind nach seiner Körpergröße messen? Einen Sportler nach seinen langen Beinen? Einen Zug nach seiner Geschwindigkeit? Das einzig wichtige ist, dass der Zug sein Ziel erreicht, sicher, ohne Entgleisung, und ohne falsche Weichenstellung. Und die Geschwindigkeit, mit der unser Lebenszug vorankommt, sollten wir selber frei bestimmen dürfen. Erst dann fühlen wir uns wohl und machen uns nicht unnötigen Druck.

Für begriffsstutzige Schüler gibt es besondere Unterrichtsformen. Sie sind, im Gegensatz zum kostenlosen Unterricht an allgemeinbildenden Schulen, kostenpflichtig. Nein, ich meine nicht das Nachsitzen nach der sechsten Stunde, sondern den Nachhilfeunterricht, wie ihn qualifizierte Lehrkräfte gegen eine entsprechende Gebühr erteilen. Ich habe mich für diese Form des Unterrichts entschieden; doch nicht als Lehrer, nein, vielmehr als begeisterter Schüler. Das Besondere an meinem Nachhilfeunterricht: es gibt keine festen Zeiten, und auch keine festen Räumlichkeiten. Deshalb ist es durchaus angebracht, für diese außergewöhnliche Unterrichtsform den Begriff der Tagesschule zu verwenden. Schließlich begleitet mich mein Lehrer den ganzen Tag. Und das Beste: Die Gebühr bestimme ich!

Den richtigen Umgang mit Energie lernen: die Tagesschule ist im Grunde unbezahlbar.

Gestern bezahlte ich 3,80 €, zögerlich zuerst, und mit zusammengebissenen Zähnen. Und das kam so . . .

Tagesschule vom vergangenen Donnerstag:

Zwischenbilanz:

  1. Die Nachlösefahrkarte und das überflüssige Telefonat ergeben aufsummiert die stolze Summe von 3,80 €. Auf einen Monat gerechnet sind das runde 120 Euro. Genug Geld – und Geld ist eine Form von Lebensenergie – um sich darüber Gedanken zu machen, wieso einem solch ein Betrag wie Sand durch die Hände rinnt.
  2. Ich liebe Blumen. Das weiss mein Nachhilfelehrer nur zu gut, denn er kennt mich; viel besser als ich jemals selbst mich kennen werde. Deshalb spricht er „durch die Blume” zu mir; bilderreich und assoziativ.
    • Zu spät! – der Zug ist abgefahren.
    • Zu spät! – der Bus ist weg.
    • Zu spät! – der Unterricht ist gelaufen.

    Alles klar? Seit Jahren weiss ich es, es geht um Anspannung und Druck, um selbstgemachten Stress und Überlastung.

    • Zu spät! – in den Feierabend.
    • Zu spät! – ins Bett.
    • Zu spät! – ins erholsame Wochenende.

    Wer zwingt mich denn zu Überstunden?

  3. Es dauert einfach seine Zeit, bis man sich mutig mehr und mehr von alten, eingefahrenen Denkmustern befreit. Mich mit anderen vergleichen? Konkurrieren? Besser sein wollen? Anerkennung und Erfolg, um jeden Preis? Über Bord damit! Ich bin
    es schließlich wert, dass ich gut zu mir selbst sein darf. Zeit heilt Wunden, sagt man. Heile, heile, Segen!

Hach, wie schön ist es,
entspannt und scherzend,
auch mein Nacken ist nicht schmerzend,
federnd durch den Tag zu gehen!

Am darauffolgenden Tag musste ich noch einmal dieselbe Zugstrecke fahren. Anscheinend hat sich an meiner inneren Einstellung etwas zum Guten gewendet. Der Aufzug fährt ohne Zwischenstopps durch, die Ampelanlage steht auf Grün. Alles klappt wie am Schnürchen. Was ich zu tun habe, geht gut. Mein Tagesthema heute: „MUT”. Zuletzt steht noch ein Einkauf an, beim Sizilianer in einem weißgekalkten, ehemaligen Weinkeller. Ein bißchen wie in Palermo, wie in den engen, quirligen Gassen der Altstadt.

»Ciao, come stai?« ruft er mir schon von weitem zu; mit seinen dunkeln, feurigen Augen schaut er vom Gabelstapler herunter. Gekonnt hievt er eine Palette mit saftigen Orangen hoch. »Abbastanza bene!« antworte ich, der übliche Spruch. Was hat er mir nicht alles schon geschenkt! Obst und Gemüse, was das Herz begehrt. Und die hochempfindlichen Khakis, die ich nie und nimmer heil nach Hause hätte bringen können, fuhr er mir bis an die Treppe, und machte mir noch einen Sonderpreis dazu.

Ich kaufe ein, und bezahle. 33,80 Euro. Als ich vollbepackt Richtung Bahnhof marschiere, kommen Zweifel in mir auf. Und immer ungutere Gefühle. 33,80 Euro! In Gedanken gehe ich die einzelnen Posten des Einkaufs noch einmal durch. Ich schaue normalerweise nicht auf die Preisschilder, weil ich so deutlicher spüren kann, was mein Körper wirklich haben möchte. Und ausserdem habe ich schon so oft eingekauft, dass ich über ein gutes Preisgefühl verfüge. 33,80 Euro! Das kann nicht sein. Ich komme, wenn ich großzügig rechne, auf maximal 25 Euro.

Ich lege alles, was ich eingekauft habe, vor mir auf den Schnee. Rechne drei, viermal zusammen. 22 €, 24 €, 25 €. Mehr kommt einfach nicht zusammen. Ich spüre überdeutlich, dass ich zurück muss. Oh Gott! Da hat man sich fröhlich verabschiedet, und allen ein schönes Weihnachtsfest gewünscht. »Arrivederci, auf Wiedersehen im neuen Jahr!« Meine Beine werden zu Blei. Mit gesenktem Haupt schleiche ich zurück. Was sage ich? Werde ich stottern und herumjapsen?

Der Capo macht große Augen, als er mich zurückkommen sieht. »Chef, da kann irgendwas nicht stimmen!« Er schickt mich gleich zu seiner Frau. Sie zuckt mit den Schultern, und fährt mit dem Finger den meterlangen Kassenbon ab, auf dem der komplette Tag eingetippt ist. »Vedi! Ecco i Litschi, 11 Euro!« Da wird mir alles klar. Eine Hosentasche voll Litschis, das Kilogramm für 28 Euro. Das sprengt bei weitem meinen Haushaltsetat. »Wenn ich das gewusst hätte – kann ich das rückgängig machen?« Nach einigem Hin und Her einigen wir uns darauf, dass ich eine Handvoll Litschis behalte, und bekomme dafür im Gegenzug acht Euro zurück. Ich strahle vor Glück. Sie entschuldigt sich tausendmal. »Non c’è un problema. Buona festa, e arrivederci.« Ich gehe wieder Richtung Bahnhof. Nein, ich schwebe. Eine unglaubliche Energie durchströmt mich. MUT tut unendlich gut. Reichlich spät, doch glücklich und aufgeladen komme ich nach Hause.

MUT ist das, was wir am dringendsten benötigen, um das zu ändern, was nun mal schwer zu ändern ist: uns selbst.

Mit Nachhilfe von „oben” geht’s bedeutend leichter.

Da muss man doch einmal den Lehrer loben.
Wo der wohl wohnt?
Ein Blick nach droben.
Lacht da ein Augenzwinkern mir zurück?
Ei Tagesschule, bring mir Glück!




• Dein Wunsch sei mir Befehl! • - mein 17340. Tag


st das wirklich nur so eine scherzhafte, umgangssprachliche Redensart, wie man gemeinhin annimmt? Kinder nehmen diese Redensart durchaus ganz wörtlich, denn sie glauben noch an das Christkind; und manches Kind, das schon in die Schule geht, schreibt ihm deshalb dieser Tage einen lieben, langen Brief mit tausend Wünschen.

Warum tut es das? Und warum tun wir Großen es nicht mehr? Sind unsere Erinnerungen bereits so stark verblasst? Haben wir nicht alle als Kind die Erfahrung gemacht, dass unsere Wünsche in Erfüllung gehen, wenn wir sie nur laut und deutlich genug artikulieren? Ein kleines Kind, das schreit, wird umgehend gestillt. Es schreit, weil ihm etwas fehlt. Es schreit, weil es friert, weil es Hunger oder Durst hat, weil es ihm zu laut, zu unruhig, oder zu hell ist. Ein kleines Kind kann seine Bedürfnisse noch nicht selber stillen. Und so ist es die Aufgabe der Großen, es an die Hand zu nehmen, und zu erspüren, welche Bedürfnisse es hat.

Die Adventszeit, die Zeit des Wünschens und Wartens . . .

Jedes Kind wird größer, und so bleibt es nicht aus, dass es seinen eigenen Willen entwickelt. Ihn erprobt es an der Welt — und erfährt beträchtlichen Widerstand. So muss es langsam, aber sicher die Erfahrung machen, dass die Bäume auf der Erde nicht in den Himmel wachsen — doch dem Himmel entgegenstrecken — ja, das darf, das soll, das muss es, wenn es glücklich werden möchte! Nicht jeder Wunsch geht in Erfüllung, und auch bei weitem nicht so schnell, wie’s Kinder nun mal gerne hätten. Da muss man sich mit seinem heiß und innig ersehnten Laufrad schon mal bis zum nächsten Geburtstag gedulden, und mit den Fingern zählt man am Adventskranz jede Kerze, die schon brennt; ist’s endlich Heilig Abend, so kann man’s kaum erwarten, bis es so weit ist —— hurra, Bescherung! Fröhlich klatschen Kinder in die Hände, und ihre Augen glänzen wie die silbernen Kugeln, die am festlich geschmückten Christbaum hin- und herschwanken, trunken vor all der Herrlichkeit und Pracht.

Ist diese Treppe, die sprichwörtlich „in den Himmel führt”, nicht ein schönes Symbol für das Höherstreben der Seele?

Dein Wunsch sei mir Befehl! Das ist der Ruf des Lebens, der in jedem von uns widerhallt.

So wie wir alle rufen,
so schallt es uns zurück.
Und führt uns, auf den Stufen,
hinauf zum Lebensglück.

Stufen steigen ist mühsam. Als Kinder hatten wir unsere Lieblingsplätze im Wald, wo wir unsere Baumhütten bauten. Einer dieser Plätze lag auf dem felsigen Schloßberg, und der Zugang war eine unglaublich steile und ausgetretene Sandsteintreppe, die sich Himmelsleiter nannte. Wollten wir dem Himmel näher kommen, so mussten wir also Stufe um Stufe erklimmen, schön vorsichtig und konzentriert. Zum Glück gab es auf einer Seite ein Eisengeländer, an dem man sich festhalten konnte. So ging alles gut, und wir kamen heil hinauf und auch wieder herunter.

Dein Wunsch sei mir Befehl! Wir sollten darauf vertrauen, dass es das Leben gut mit uns meint, und uns gern an die Hand nimmt, um uns den Weg zum Licht zu weisen — doch sind wir auch bereit, die Hand dem unsichtbaren Band entgegenzustrecken? Das Band ist immer für uns da, wie die Rettungsleine eines Schiffs. Es wartet nur darauf, dass wir es ergreifen.

Dein Wunsch sei mir Befehl! Wie glücklich können wir nun sein, wenn unsere Wünsche in Erfüllung gehen? Mein brennender Herzenswunsch ist momentan, mehr über das zu erfahren, was man das kleine ICH oder das kleine EGO nennt; warum? Weil ich immer deutlicher spüre, dass dieses „ich, ich, ich!” mich gefangen hält, und mich abhängig macht von Anerkennung, Lob, und Zuwendung durch andere. Es trennt mich von der Liebe, die ich schenken möchte. Es ist, als ob es immerfort auf alles, was ich tue, einen Schatten wirft, der das reine, helle Licht der wahren Liebe trübt.

Szenenwechsel. Dein Wunsch war mir Befehl! tönt es von „oben”. Da haben wir die Bescherung — und Heilig Abend ist’s noch lange nicht. Die Tagesschule lässt grüßen.

Tagesschule vom vergangenen Donnerstag, Chronologie der Ereignisse.

Rückblende, Zusammenfassung und Lernimpulse aus dieser Tagesschule:

  1. Was sind Positiv-Negativ-Prüfungen? Ich habe Ihnen mehrere „klassische” Positiv-Negativ-Prüfungen geschildert.
    • Das Schaltgetriebe, das sich in den Speichen festhakt.
    • Die Zugkontrolle am Morgen.
    • Der zerplatzte Eimer am Abend.

    Solche Positiv-Negativ-Prüfungen sind eine Art „Weichenstellung” für den Tag. Lassen wir uns die Freude am Leben durch derartige Mißgeschicke verderben? Seien Sie kein Spielverderber. Werden Sie eine positive Macht. Und Ihr Herze lacht. Wir können nur dann dauerhaft glücklich sein, wenn wir lernen, in allen Geschehnissen, so unangenehm sie auch zunächst sein mögen, das Positive, das Geschenk zu sehen. Positiv-Negativ-Prüfungen erleben wir häufig in den ersten zwei Stunden nach dem Erwachen; doch auch zu späterer Stunde, wenn unsere Seele es benötigt.

  2. Wir unterliegen in unserem Verhalten, und damit einhergehend, in unserer gesamten seelischen Entwicklung, dem Gesetz von Ursache und Wirkung, dem sogenannten Kausalprinzip. Durch jede von uns getroffene Entscheidung wird ein weiteres Glied an die Kausalkette angehängt. Beobachten wir die Ereignisse unserer Tagesschule, so können wir die Kausalkette zurückverfolgen; am leichtesten geht das, wenn wir bewußt und wach im Hier und Jetzt sind, und uns auf die kausalen Zusammenhänge mit dem Vortag beschränken.
    • Störungen, Ärger, Mißgeschicke, Niederlagen?
    • Belohnungen, Geschenke, freudvolle Gefühle, mehr Energie als gewöhnlich?

    Wir brauchen nur zu fragen. »Warum? Was ist der Grund? Was war gestern?« Wenn Sie sich den gestrigen Tag vergegenwärtigen, dann verstehen Sie besser, was heute in Ihrer Tagesschule läuft — und was Sie Ihnen sagen möchte.
     
    Einige Beispiele aus der geschilderten Tagesschule:

    • Der Auftakt der Mißgeschicke: Die Mütze, die meinen Kopf schön warm hält – und mir Geborgenheit gibt – wird von einem Zweig vom Kopf gefegt. Und gestern? Zwei Situationen kommen mir, wo ich bewußt gegen die Intuition meinen Kopf, meinen Willen durchgesetzt habe.
      Die Arbeit umgehend abbrechen, wenn es Zeit zum Essen ist? Fehlanzeige. Ich hätte diese Möglichkeit gehabt. Ich liess den Körper hungern, ihm mangelte Geborgenheit, und damit auch der Seele, denn die beiden gehen immer Hand in Hand. Die Sache mit der Mütze weist mich darauf hin.
    • Die zweite Situation vom Vortag schwor die schweren Mißgeschicke bis zum späten Abend herauf. Ich will, ich will, ich will! Ich wollte unbedingt einen Artikel fertigstellen, und es zog sich hin; ich war müde, das Konzentrieren wurde zur Qual, und ich musste noch vor Ladenschluss zum Einkaufen. Doch es fehlte nicht mehr viel. Alles in mir spannte sich an. Druck baute sich auf. Nicht umsonst sagt man umgangssprachlich »Das drücken wir noch durch!« Und so drückte ich die Sache durch. Mit flatternden Nerven. Wider besseren Wissens. Es war nur eine Viertelstunde. Doch sie schlug die Wunde, die, mit Salz und Essig bestreut, am darauffolgenden Tag mir höllisch brennen sollte.
      Der nächste Morgen: Druck, Druck, Druck, Anspannung, flatternde Nerven, alles, was schief gehen kann, geht daneben; in der Viertelstunde, bis der Zugkontrolleur mich zum Sitzen und Innehalten zwingt, spüre ich förmlich, wie mein Körper Stresshormone und Adrenalin ausschüttet, und von Säuren überschwemmt wird (umgangssprachlich: »Es war mal wieder alles Essig . . .«).
      Will ich das? Ist das Selbstliebe? NEIN. NEIN, und nochmals NEIN.
      Wunderbar. Damit hat die Tagesschule ihr Ziel erreicht. Sie führt uns die Konsequenzen unserer Entscheidungen vor Augen — in der Hoffnung, dass wir begreifen, dass sich Glücklicher zu werden mehr lohnt als Unglücklich zu bleiben. Die Tagesschule hilft uns, mehr und mehr uns selbst zu erkennen. Sie spiegelt unsere Entscheidungen des Vortags. Manchmal tut’s weh, oft ist es lustig, und immer sehr, sehr originell.

      Da war doch noch die Sache mit der Bierhefe? Die Krönung

      Mißgeschicke werden uns geschickt, damit wir ihre Botschaft lesen.

      des Tages. Bierhefe, ein Wundermittel für die Nerven. Doch kein Alibi und auch kein Freibrief, um sich und seine Nerven permanent zu überlasten. Peng! Da liegt der Eimer mit der Hefe im Schlamm. Bierhefe packt die Nerven in Watte. Meine liegen blank. Am Boden. Wie die Hefe, die jetzt den Waldboden düngt.

      »Ein Loch ist im Eimer, Karl-Otto, Karl-Otto /
      Dann stopf es, oh Henry, oh Henry /
      Womit denn, Karl-Otto, Karl-Otto . . .«
      so tönt die alte Leier. Zeit, etwas zu ändern.

Was ist die Rettung?
Die Rettung ist der positive Wunsch.

»Wie lange willst du denn noch mit dem Kopf durch jede Wand? Reichen dir die Schmerzen und Blessuren, die du dir in deinem Leben zugefügt hast, immer noch nicht aus?«

»Hmmmmmm . . .«

»Möchtest du glücklich sein? Möchtest du gut zu dir sein? Tut dir Geborgenheit gut?«

»Jaaaaaaaaa!«

»Dann schenk sie dir! Beginne bei dir selbst.«

So lassen wir sie heilen, unsre Wunden. Und lassen wir es ziehen, in Frieden, unser Ego, unser kleines ICH. Eines Tages brauchen wir’s nicht mehr, weil wir erkennen, dass wir’s wert sind, uns auszusöhnen mit uns selbst; und dann beginnen wir, als Licht zu strahlen, um das zu sein, was wir in Wahrheit sind: Gottes Kind.

post scriptum: Teilt die Erlebnisse eurer Tagesschule mit anderen! Berichtet davon im Forum. Gemeinsam lernen ist einfach effektiver, und wir alle haben dann mehr Freude . . .