Herzen und Masken - mein 17410. Tag


Heute ist Aschermittwoch, die Narrenasche färbt den Schnee . . .

„Wann i oft a bissl ins Narrnkastl schau’, dann siech i a Madl mit Aug’n so blau . . . ” – so sang der österreichische Schlagerbarde Peter Cornelius vor etlichen Jahren. Wissen Sie denn überhaupt, was ein Narrenkastl ist? Nein? Das tröstet mich, denn ich wusste es auch nicht, bis mir eines Tages ein Salzburger Freund mit charmanter Verbeugung ein Österreichisch-Deutsch-Wörterbuch überreichte. „Ins Narrenkastel schauen” – das bedeutet so viel wie träumerisch sehnsuchtsvoll in die Ferne blicken – und ich dachte immer, ein Narrenkastel sei ein Käfig, in den man gesteckt wird, wenn man sich als Narr entblößt.

»Nur nicht auffallen! Mach dich nicht zum Narren!« So wurden – und werden wohl noch immer – viele Kinder am Gängelband geführt, und mit der großen Erziehungsschere wird unser Bäumchen immerfort beschnitten, bis es traurig seine kümmerlichen Zweige hängen lässt. Kein Wunder, wenn es dann den Herausforderungen des Lebens wenig abzugewinnen weiss, und stattdessen viel lieber weit weg „ins Narrenkastl” schaut, wo es die Fantasiegestalten seiner Kindheit vorüberziehen sieht.

»Einmal nur die Rolle spielen, die ich mir erträumt habe! Einmal nur den grauen Alltag ganz vergessen! Einmal nur ein(e) andre(r) sein!« Und schon schlüpfts in bunte Kleider, hüpft und springt vor Lust und Freude, und verwandelt sich in das Wesen, das wir – die Zuschauer vor den Kulissen – einen Narren nennen.

Das Drehbuch ist geschrieben, die Rollen sind verteilt.
»Welche Rolle hätten’s denn gern?«

Und hinter den Kulissen?

Was da geschieht, das lässt sich nur erahnen. Was hinter Masken sich verbirgt, das scheut gar allzuoft das Licht - - und lächelt dir ins Angesicht.

Das Unterscheidungsvermögen zwischen Herzen und Masken will gelernt sein.

»Hinter leeren Fensterhöhlen wohnt das Grauen, und des Himmels Wolken schauen« - - »t i e f hinein«, so möchte man in Abwandlung der Schillerschen Verse sagen; Schneeflocken umwirbeln die Larventräger, und ein eisiger Wind sorgt für den letzten Schliff auf den polierten Masken.

Die Augen sind das Fenster zur Seele, sagt man. Warum ist es eigentlich Mode geworden, seine Augen bei Tag und Nacht hinter einer Sonnenbrille zu verbergen? Der Mensch – ein Potemkinsches Dorf? Hauptsache, die Fassade hält. Nur nicht aus der Fassung bringen lassen, selbst wenn man schon versteinert ist . . . .

Rückblende: Faschingssonntag, der Bär ist los. Es ist schon eine seltsame Karawane, die bei Schnee und Kälte durch die Straßen von Weil der Stadt zieht. Die ehemalige freie Reichsstadt, überwiegend katholisch geprägt, ist eine Hochburg der schwäbisch-alemannischen „Fasnet”. Traktoren ziehen die schweren Umzugswagen, und ein Melodienreigen verschiedenster Musikgruppen vermengt sich zu einem unentwirrbaren Knäuel in meinem halbbetäubten Ohr. Es ist das erste Mal seit meiner Kindheit, dass ich wieder solch einem bunten Treiben zusehe, und ich staune ob der Fantasie und Kreativität aller Beteiligten. Wieviel Arbeitsstunden wurden in die Vorbereitungen für diesen Umzug gesteckt! Weder Kosten noch Mühen wurden gescheut, um den Narrenzünften aus nah und fern eine adäquate Bühne für ihren großen Auftritt bereitzustellen.

Beeindruckende, handgeschnitzte Masken und die dazugehörigen, handgearbeiteten „Häser” (Narrenkleider) zeugen von einer hohen Originalität schwäbisch-alemannischer Fasnacht, einer jahrhundertealten Tradition, sowie einer hochstehenden Handwerkskunst, die treulich von Generation zu Generation weitervererbt wird. Und so wandeln von der Teufelsfratze bis hin zur personifizierten Güte fast alle Facetten menschlichen Gebarens an mir vorüber. Ein Schauspiel, das den Zuschauern den Spiegel der Welt vorhält, wie einst der Narr dem Herzog in Shakespeares Komödie „What You Want”. „Was ihr wollt”, das könnt ihr haben, und den Löffel gleich dazu. Denn die Suppe, einmal eingebrockt, will ausgelöffelt sein.

Wir tun uns schwer, den Faden, den die Parzen spinnen, bloßzulegen. Des Lebens Los, fällt uns das einfach in den Schoß? Gewisslich nicht, sonst sprächen wir nicht vom Los, das wir gezogen haben. Die Drahtzieher sind wir allein. Ursach’ und Wirkung, gestern wie heut’. Den Leuten sieht man’s ins Gesicht geschrieben, und um den Hals hängt schwer beladen — sie, die Schicksalskette unsres Lebens, mit den vielen Narrenschellen dran. Bei jedem Schritt ein jede hell erklingend, künden sie vom Karma, das es abzutragen gilt.

Gestern tanzten sie, die Hexen. Ein Veitstanz, schaurig schön und wild. Heute liegen sie in Schutt und Asche, die aufgekehrt sein will. Und wissen taten sie’s wohl vorher schon, mit einem Liedchen auf den Lippen: »Da Bach naa, da Bach naa, mit Kummer un mit Sorga, bis am Asch-, bis am Asch-, bis am Aschermittwochmorga . . . « (Den Bach hinunter, den Bach hinunter, mit Kummer und mit Sorgen, bis am Asch-, bis am Asch-, bis am Aschermittwochmorgen . . . ). So lautet das Credo der Schramberger Da-Bach-na-Fahrer, die in bunt geschmückten Holzzubern die eisigen Wasser der Schiltach befahren. Schiffchen ahoi! Der Katzenjammer lässt nicht lange auf sich warten, und auf den Fasching folgt das Fasten. So war’s, und so wird’s lang noch sein.

Zerknirschter Sünder, jetzt bereue?
Sei besser fest in Tat und Treue.
Erkenne dich, dein wahres Wesen.
Nur an dir selbst kannst du genesen.

Ist’s nicht die schönste Rolle auf der Welt, sich selbst zu sein? Dazu bedarf’s – hurra – keiner Verstellung mehr.

Die Larve schlüpft.
Heraus kommst du.
Wie aus dem Ei gepellt.
Geschenk und Freude für die Welt.

Erst wenn wir alle Masken abgelegt haben, zeigt sich unser wahres Herz. Wer sich von Herzen wünscht, sich zu erkennen, der steht unter Schutz. Symbol: der weiße Schirm. Die Trauer weicht der Freude. Die Finsternis dem Licht.




Jahreswechsel - mein 17362. Tag


till ruht der See. In ihm spiegelt sich alles, was über ihm aufragt. Wie oben, so unten – und so auch hier. Wir sehen, was sich an der Oberfläche des Sees zeigt. Doch den Grund, den tiefen – wer würde sich anmaßen, ihn zu schauen?

So wird es uns verständlich, warum es nicht so einfach ist, bis auf den Grund der Seele zu schauen. Die Seele ist dem See entnommen — so glaubten es unsere Vorfahren, und kleinen Kindern erzählt man heute noch, dass sie der Storch aus dem Teich hinter der Kirche herausgefischt und durch die Luft zu uns ins traute Heim geflogen hat.

Die Seele ist – - ein großes Rätsel. Wo kommt sie her, wo geht sie hin? Und überhaupt, was ist ihr Sinn? Mit unserem Verstand allein sind wir, ob schon geboren, doch verloren. Wir müssen lernen, ihn zu spüren und zu fühlen, den Urgrund unseres Seins.

Heute ging ich hinunter ins Städtchen, um mich mit den notwendigen Dingen bis zum Wochenende zu versorgen. Beim Gemüse- und Obsthändler herrschte Andrang kurz vor Ladenschluß. »Schau, welche Überraschung!« Ein bekanntes, liebes Gesicht. Eine Frau, die Freude und tiefe Dankbarkeit ausstrahlt. Wir gingen einmal ein Stück Weges gemeinsam den Wald entlang, und sie erzählte mir von den Schicksalsschlägen, die sie gemeistert hatte – ein schwerer Unfall, der sie eigentlich zum Krüppel hätte werden lassen – wenn sie nicht tapfer und im Vertrauen auf Gott an sich und ihrem Körper gearbeitet hätte. Dankbarkeit? Ja! Wenn ich sie so vor mir stehen sehe, gerade und aufrecht, und ihre Augen strahlen vor Glück, dann verstehe ich, was es bedeutet: neu geboren zu sein; im Wissen darum, welch großartiges Geschenk es ist, am Leben zu sein, gesund und munter auf beiden Beinen zu stehen, hin und her zu gehen, und mit allen Sinnen die Schönheit der Welt zu erkunden. Sie schüttelte mir lange die Hände, wünschte mir Gottes Segen, bedankte sich für das Gespräch, das wir damals geführt hatten, und sagte mir zuletzt mit einem Augenzwinkern: »Sie wissen ja, ohne den Heiligen Geist geht gar nichts!«

Wie recht hat sie! Die Gute hat es auf den Punkt gebracht. ER ist es, der uns führt. ER ist es, den man spürt. ER spricht zu uns, und wir – wir nennen seine Worte unsre innere Stimme; kurz – unsre Intuition. Hören wir auf sie, so wird uns Lohn. Und wer nicht hören will, muss fühlen. Eigentlich ganz einfach, oder?

Dankbarkeit steht uns gut zu Gesicht, nicht nur am letzten Tag eines zurückliegenden Jahres. Guten Menschen ist es ein Herzensbedürfnis, und zeigen kann man Dankbarkeit auf die unterschiedlichste Art und Weise. In Schiltach, dem kleinen Schwarzwaldstädtchen, in dem ich groß geworden bin, gibt es eine jahrhundertealte Tradition, den Silvesterzug. Wie gerne denke ich daran zurück! Schon am Vormittag ging es hinunter in den Keller, um die alten Öl- und Kerzenleuchten der Großeltern – aus Holz und Blech, mit verrußten und hauchdünnen Glasscheiben an den Seitenwänden – hervorzuholen, abzustauben, und instand zu setzen.

Dann, Punkt 20:00 Uhr, in tiefster Dunkelheit, war es soweit. Hunderte von Menschen versammelten sich vor dem Pfarrhaus, von dessen Fenstern Kerzen hell erstrahlten; nachdem der Pfarrer seine Ansprache beendet hatte, zogen alle Teilnehmer schweigend durch die Straßen bis zum Marktplatz. Jegliche elektrische Beleuchtung war rechtzeitig abgeschaltet worden, und nur einige hoch auflodernde Pechfackeln stießen ihre Funkenglut gen Himmel. Sie tauchten die mittelalterlichen Fachwerkgassen in ein schauerliches Licht- und Schattenspiel. Vor dem Rathaus angekommen, wurden die Leuchten entzündet, und ein heller, lichter Schein spielte auf den Gesichtern derer, die sie in der Hand hielten. Gesichter, vom Leben gezeichnet – und die flackernden Kerzenflammen gruben die Falten den Menschen noch tiefer in die Stirn, als sie tatsächlich, bei Tageslicht besehen, waren. Dann plötzlich wurde, von unsichtbarer Hand geführt, das Schweigen unterbrochen, und es erklang ein Choral in die Stille hinein . . .

Nun_danket_alle.js

Majestätisch und erhaben, feierlich und getragen verklangen die letzten Töne. Mir war es ganz warm ums Herz geworden, und ich fühlte mich an der Hand des Vaters unendlich geborgen. Es war ein Gefühl, als ob mir nie etwas Leidvolles geschehen könnte. Zu guter Letzt kam noch der Bürgermeister zu Wort, und dann wünschte man sich Gottes Segen, und alles Gute für das neue Jahr. So gingen wir nachdenklich und schweigend nach Hause; schon längst im Schlaf versunken, vernahmen wir aus weiter Ferne den Ruf des Nachtwächters:

„Wohlauf im Namen Jesu Christ,
das alte Jahr vergangen ist,
ein neues Jahr vorhanden ist.
Ich wünsch’ euch ein glückselig’ Jahr,
und was ich wünsche, werde wahr,
ewger Friede immerdar,
Lobet Gott den Herrn!”

Still ruht der See. Leise rieselt der Schnee. Er ist rar geworden, in unseren Breitengraden. Schneeweiß sind sie, die Schneeflocken, weil ihre Kristalle alle Farben des Lichts in sich tragen. Und manchmal, in den kostbarsten Momenten des Glücks, zerlegen die Strahlen der im Winter tiefstehende Sonne das Weiß der Kristalle in die schillernde Palette des gesamten Farbspektrums. So bunt, vielfältig, und farbenfroh werde unsre Seele! Das wünsch’ ich euch und Ihnen, verehrte Leserinnen und Leser, von ganzem Herzen.




• Dein Wunsch sei mir Befehl! • - mein 17340. Tag


st das wirklich nur so eine scherzhafte, umgangssprachliche Redensart, wie man gemeinhin annimmt? Kinder nehmen diese Redensart durchaus ganz wörtlich, denn sie glauben noch an das Christkind; und manches Kind, das schon in die Schule geht, schreibt ihm deshalb dieser Tage einen lieben, langen Brief mit tausend Wünschen.

Warum tut es das? Und warum tun wir Großen es nicht mehr? Sind unsere Erinnerungen bereits so stark verblasst? Haben wir nicht alle als Kind die Erfahrung gemacht, dass unsere Wünsche in Erfüllung gehen, wenn wir sie nur laut und deutlich genug artikulieren? Ein kleines Kind, das schreit, wird umgehend gestillt. Es schreit, weil ihm etwas fehlt. Es schreit, weil es friert, weil es Hunger oder Durst hat, weil es ihm zu laut, zu unruhig, oder zu hell ist. Ein kleines Kind kann seine Bedürfnisse noch nicht selber stillen. Und so ist es die Aufgabe der Großen, es an die Hand zu nehmen, und zu erspüren, welche Bedürfnisse es hat.

Die Adventszeit, die Zeit des Wünschens und Wartens . . .

Jedes Kind wird größer, und so bleibt es nicht aus, dass es seinen eigenen Willen entwickelt. Ihn erprobt es an der Welt — und erfährt beträchtlichen Widerstand. So muss es langsam, aber sicher die Erfahrung machen, dass die Bäume auf der Erde nicht in den Himmel wachsen — doch dem Himmel entgegenstrecken — ja, das darf, das soll, das muss es, wenn es glücklich werden möchte! Nicht jeder Wunsch geht in Erfüllung, und auch bei weitem nicht so schnell, wie’s Kinder nun mal gerne hätten. Da muss man sich mit seinem heiß und innig ersehnten Laufrad schon mal bis zum nächsten Geburtstag gedulden, und mit den Fingern zählt man am Adventskranz jede Kerze, die schon brennt; ist’s endlich Heilig Abend, so kann man’s kaum erwarten, bis es so weit ist —— hurra, Bescherung! Fröhlich klatschen Kinder in die Hände, und ihre Augen glänzen wie die silbernen Kugeln, die am festlich geschmückten Christbaum hin- und herschwanken, trunken vor all der Herrlichkeit und Pracht.

Ist diese Treppe, die sprichwörtlich „in den Himmel führt”, nicht ein schönes Symbol für das Höherstreben der Seele?

Dein Wunsch sei mir Befehl! Das ist der Ruf des Lebens, der in jedem von uns widerhallt.

So wie wir alle rufen,
so schallt es uns zurück.
Und führt uns, auf den Stufen,
hinauf zum Lebensglück.

Stufen steigen ist mühsam. Als Kinder hatten wir unsere Lieblingsplätze im Wald, wo wir unsere Baumhütten bauten. Einer dieser Plätze lag auf dem felsigen Schloßberg, und der Zugang war eine unglaublich steile und ausgetretene Sandsteintreppe, die sich Himmelsleiter nannte. Wollten wir dem Himmel näher kommen, so mussten wir also Stufe um Stufe erklimmen, schön vorsichtig und konzentriert. Zum Glück gab es auf einer Seite ein Eisengeländer, an dem man sich festhalten konnte. So ging alles gut, und wir kamen heil hinauf und auch wieder herunter.

Dein Wunsch sei mir Befehl! Wir sollten darauf vertrauen, dass es das Leben gut mit uns meint, und uns gern an die Hand nimmt, um uns den Weg zum Licht zu weisen — doch sind wir auch bereit, die Hand dem unsichtbaren Band entgegenzustrecken? Das Band ist immer für uns da, wie die Rettungsleine eines Schiffs. Es wartet nur darauf, dass wir es ergreifen.

Dein Wunsch sei mir Befehl! Wie glücklich können wir nun sein, wenn unsere Wünsche in Erfüllung gehen? Mein brennender Herzenswunsch ist momentan, mehr über das zu erfahren, was man das kleine ICH oder das kleine EGO nennt; warum? Weil ich immer deutlicher spüre, dass dieses „ich, ich, ich!” mich gefangen hält, und mich abhängig macht von Anerkennung, Lob, und Zuwendung durch andere. Es trennt mich von der Liebe, die ich schenken möchte. Es ist, als ob es immerfort auf alles, was ich tue, einen Schatten wirft, der das reine, helle Licht der wahren Liebe trübt.

Szenenwechsel. Dein Wunsch war mir Befehl! tönt es von „oben”. Da haben wir die Bescherung — und Heilig Abend ist’s noch lange nicht. Die Tagesschule lässt grüßen.

Tagesschule vom vergangenen Donnerstag, Chronologie der Ereignisse.

Rückblende, Zusammenfassung und Lernimpulse aus dieser Tagesschule:

  1. Was sind Positiv-Negativ-Prüfungen? Ich habe Ihnen mehrere „klassische” Positiv-Negativ-Prüfungen geschildert.
    • Das Schaltgetriebe, das sich in den Speichen festhakt.
    • Die Zugkontrolle am Morgen.
    • Der zerplatzte Eimer am Abend.

    Solche Positiv-Negativ-Prüfungen sind eine Art „Weichenstellung” für den Tag. Lassen wir uns die Freude am Leben durch derartige Mißgeschicke verderben? Seien Sie kein Spielverderber. Werden Sie eine positive Macht. Und Ihr Herze lacht. Wir können nur dann dauerhaft glücklich sein, wenn wir lernen, in allen Geschehnissen, so unangenehm sie auch zunächst sein mögen, das Positive, das Geschenk zu sehen. Positiv-Negativ-Prüfungen erleben wir häufig in den ersten zwei Stunden nach dem Erwachen; doch auch zu späterer Stunde, wenn unsere Seele es benötigt.

  2. Wir unterliegen in unserem Verhalten, und damit einhergehend, in unserer gesamten seelischen Entwicklung, dem Gesetz von Ursache und Wirkung, dem sogenannten Kausalprinzip. Durch jede von uns getroffene Entscheidung wird ein weiteres Glied an die Kausalkette angehängt. Beobachten wir die Ereignisse unserer Tagesschule, so können wir die Kausalkette zurückverfolgen; am leichtesten geht das, wenn wir bewußt und wach im Hier und Jetzt sind, und uns auf die kausalen Zusammenhänge mit dem Vortag beschränken.
    • Störungen, Ärger, Mißgeschicke, Niederlagen?
    • Belohnungen, Geschenke, freudvolle Gefühle, mehr Energie als gewöhnlich?

    Wir brauchen nur zu fragen. »Warum? Was ist der Grund? Was war gestern?« Wenn Sie sich den gestrigen Tag vergegenwärtigen, dann verstehen Sie besser, was heute in Ihrer Tagesschule läuft — und was Sie Ihnen sagen möchte.
     
    Einige Beispiele aus der geschilderten Tagesschule:

    • Der Auftakt der Mißgeschicke: Die Mütze, die meinen Kopf schön warm hält – und mir Geborgenheit gibt – wird von einem Zweig vom Kopf gefegt. Und gestern? Zwei Situationen kommen mir, wo ich bewußt gegen die Intuition meinen Kopf, meinen Willen durchgesetzt habe.
      Die Arbeit umgehend abbrechen, wenn es Zeit zum Essen ist? Fehlanzeige. Ich hätte diese Möglichkeit gehabt. Ich liess den Körper hungern, ihm mangelte Geborgenheit, und damit auch der Seele, denn die beiden gehen immer Hand in Hand. Die Sache mit der Mütze weist mich darauf hin.
    • Die zweite Situation vom Vortag schwor die schweren Mißgeschicke bis zum späten Abend herauf. Ich will, ich will, ich will! Ich wollte unbedingt einen Artikel fertigstellen, und es zog sich hin; ich war müde, das Konzentrieren wurde zur Qual, und ich musste noch vor Ladenschluss zum Einkaufen. Doch es fehlte nicht mehr viel. Alles in mir spannte sich an. Druck baute sich auf. Nicht umsonst sagt man umgangssprachlich »Das drücken wir noch durch!« Und so drückte ich die Sache durch. Mit flatternden Nerven. Wider besseren Wissens. Es war nur eine Viertelstunde. Doch sie schlug die Wunde, die, mit Salz und Essig bestreut, am darauffolgenden Tag mir höllisch brennen sollte.
      Der nächste Morgen: Druck, Druck, Druck, Anspannung, flatternde Nerven, alles, was schief gehen kann, geht daneben; in der Viertelstunde, bis der Zugkontrolleur mich zum Sitzen und Innehalten zwingt, spüre ich förmlich, wie mein Körper Stresshormone und Adrenalin ausschüttet, und von Säuren überschwemmt wird (umgangssprachlich: »Es war mal wieder alles Essig . . .«).
      Will ich das? Ist das Selbstliebe? NEIN. NEIN, und nochmals NEIN.
      Wunderbar. Damit hat die Tagesschule ihr Ziel erreicht. Sie führt uns die Konsequenzen unserer Entscheidungen vor Augen — in der Hoffnung, dass wir begreifen, dass sich Glücklicher zu werden mehr lohnt als Unglücklich zu bleiben. Die Tagesschule hilft uns, mehr und mehr uns selbst zu erkennen. Sie spiegelt unsere Entscheidungen des Vortags. Manchmal tut’s weh, oft ist es lustig, und immer sehr, sehr originell.

      Da war doch noch die Sache mit der Bierhefe? Die Krönung

      Mißgeschicke werden uns geschickt, damit wir ihre Botschaft lesen.

      des Tages. Bierhefe, ein Wundermittel für die Nerven. Doch kein Alibi und auch kein Freibrief, um sich und seine Nerven permanent zu überlasten. Peng! Da liegt der Eimer mit der Hefe im Schlamm. Bierhefe packt die Nerven in Watte. Meine liegen blank. Am Boden. Wie die Hefe, die jetzt den Waldboden düngt.

      »Ein Loch ist im Eimer, Karl-Otto, Karl-Otto /
      Dann stopf es, oh Henry, oh Henry /
      Womit denn, Karl-Otto, Karl-Otto . . .«
      so tönt die alte Leier. Zeit, etwas zu ändern.

Was ist die Rettung?
Die Rettung ist der positive Wunsch.

»Wie lange willst du denn noch mit dem Kopf durch jede Wand? Reichen dir die Schmerzen und Blessuren, die du dir in deinem Leben zugefügt hast, immer noch nicht aus?«

»Hmmmmmm . . .«

»Möchtest du glücklich sein? Möchtest du gut zu dir sein? Tut dir Geborgenheit gut?«

»Jaaaaaaaaa!«

»Dann schenk sie dir! Beginne bei dir selbst.«

So lassen wir sie heilen, unsre Wunden. Und lassen wir es ziehen, in Frieden, unser Ego, unser kleines ICH. Eines Tages brauchen wir’s nicht mehr, weil wir erkennen, dass wir’s wert sind, uns auszusöhnen mit uns selbst; und dann beginnen wir, als Licht zu strahlen, um das zu sein, was wir in Wahrheit sind: Gottes Kind.

post scriptum: Teilt die Erlebnisse eurer Tagesschule mit anderen! Berichtet davon im Forum. Gemeinsam lernen ist einfach effektiver, und wir alle haben dann mehr Freude . . .




Sturheit unter der Lupe - mein 17333. Tag


Wie würden Sie antworten, wenn Ihnen jemand folgende Frage stellt:

»Sind Sie stur?«

it Sturheit identifizieren wir uns nicht so gerne, oder? Es fällt uns schwer, den Begriff der Sturheit zu umschreiben, und noch viel mehr, Sturheit an uns selbst wahrzunehmen. Dagegen ist es geradezu ein Kinderspiel, sture Verhaltensweisen bei anderen Menschen zu erkennen, und sich darüber zu ärgern. Redewendungen wie „So ein sturer Bock aber auch!” legen ein Zeugnis davon ab.

Vorsicht Spiegelung! Wer sich bereits ein klein wenig mit dem Spiegelprinzip auseinandergesetzt hat (»Wie außen, so innen«; siehe Spiegelgesetze), der wird sich einer Beurteilung anderer Menschen zu enthalten versuchen; denn er ahnt, dass die Sturheit, die er an seinem Gegenüber wahrnimmt, letztendlich zu ihm selbst gehört.

Wenn du den Zeigefinger auf andere richtest, zeigst du dann nicht auch auf dich selbst? Ein Finger deiner Hand zeigt von dir weg, und vier Finger zeigen auf dich. Probier es einfach aus.
 
Jesus gebraucht für diesen Zusammenhang ein klares Bild:
 

»Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge?«
 
Matthäusevangelium, Kp. 7,3

Also gut. Wir entscheiden uns für den schwierigeren, doch seelisch weitaus lohnenderen Weg: wir machen uns auf die Suche nach dem Balken im eigenen Auge, dem Balken, der uns seelisch blind macht; er symbolisiert nichts anderes als unsere falsche seelische Sicht.

„Ich will! Ich will! Ich will!”

»Des Menschen Wille ist sein Himmelreich!«
». . . und auch sein Höllenreich!«

 

so müssen wir ergänzen, wenn wir die ganze Wahrheit zu erfassen suchen.

Sturheit ist nichts anderes, als in den kleinen Entscheidungen des Alltags überwiegend seinen eigenen Willen durchzusetzen, entgegen der feinen Stimme der Intuition, die oftmals etwas anderes von uns fordert. Wir müssen lernen, unsere Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen zu überprüfen.

„Ich will! Ich will! Ich will!”
„Soll ich?”
„Sollte ich wirklich?”
 

Wer sich in Entscheidungssituationen leichten Herzens von seinem eigenen Willen verabschieden kann, der hat mit Sturheit keinerlei Probleme, denn er kann etwas, was mir schwerfällt:

das Kapitulieren.

Wie schön, dass es die Tagesschule gibt! Mit ihrer Hilfe können wir den Balken im eigenen Auge erkennen. Erkennen wir die Tagesschule, erkennen wir in ihrem Spiegel mehr und mehr uns selbst. Selbsterkenntnis aber ist es, was uns Flügel verleiht.

So will ich euch nun ein wenig von meiner Tagesschule erzählen, damit ihr besser versteht, wie sie mit uns arbeitet.

Es ist Ende November, die Lebenssäfte sind aus den Bäumen gewichen, und die Forstverwaltung hat jetzt alle Hände voll zu tun. Die Motorsägen kreischten in den vergangenen Tagen um die Wette, und manchmal drang der dumpfe Aufprall einer mächtigen Tanne an mein Ohr. Mein Freund, der Baum, ist tot; er starb im Morgenrot . . . (erinnern Sie sich noch an das schöne Lied, das die Schlagersängerin Alexandra Ende der sechziger Jahre gesungen hat?)

Heute (bezieht sich auf Donnerstag letzter Woche) muss ich zum Unterrichten, und meine Fahrradstrecke führt einige Kilometer durch den Wald. Zwei Möglichkeiten gibt es, den Berg hinauf, und oben am Hang entlang, oder in mittlerer Hanglage immer leicht ansteigend bis zur Hochfläche. Für gewöhnlich nehme ich den unteren Weg, weil er weniger Kraft kostet, als der obere.

Schon vergangene Woche kam ich in Schwierigkeiten: ohne Zeitreserve eingeplant zu haben, stand ich vor einem rotweiß gemusterten Band, und einer Warntafel mit der Aufschrift „Vorsicht Forstarbeiten! Durchgang verboten. Lebensgefahr!” Ich stand still und horchte. Nichts war zu hören, außer dem Schweigen des Waldes. Ein Blick auf die Uhr. Die Zeit war knapp kalkuliert. Ich ging über alle Warnungen hinweg, und beschwichtigte diese noch mit Gedanken wie „das war doch schon so oft, dass tagelang die Absperrung nicht entfernt wurde, obwohl alle Baumfällarbeiten längst abgeschlossen waren”. Doch so ganz wohl fühlte ich mich nicht in meiner Haut, als ich den Weg entlangradelte. 2/3 der Waldstrecke lagen bereits hinter mir, und ich begann schon zu triumphieren: »Siehst du wohl, ich hab es doch gewusst!« — da versperrte mir eine gefällte Kiefer den Weg. Ich stolperte mit dem geschulterten Fahrrad über die sperrigen Äste und das dichte Nadelkleid, und schaffte es mit Müh’ und Not, schwitzend und keuchend, über den Stamm hinwegzukommen.

Szenenwechsel, gleiches Spiel, eine Woche später: klug geworden aus der vergangenen Woche? »Ob sie den Baum wohl inzwischen weggeräumt haben? Heute mache ich es clever. Ich nehme den oberen Weg.«

Nicht zu übersehen: ein Warnsignal.

Zuerst muss ich schieben, ein schmaler, ansteigender Fußpfad. Ein roter Handschuh liegt am Boden, nicht zu übersehen. Er springt mir direkt ins Auge, als ob er mir etwas sagen wollte. »Weiter! Keine Zeit verlieren!« Doch wenige Meter danach ist der Weg zu. »Zum Glück nur kleinere Bäume und Äste! Da kommst du durch! Es ist nicht mehr weit bis zum Hauptweg! Ich muss unbedingt zur Brauerei, um Bierhefe zu holen!« — ich hatte telefonisch eine feste Uhrzeit zum Abholen ausgemacht. Und so schultere ich erneut das Rad, um mich durch das Dickicht zu kämpfen, mit zitternden Beinen. Endlich stehe ich auf dem Hauptweg. Alles scheint frei zu sein, und keine Absperrung ist zu sehen. »Nichts wie los!« Ich trete in die Pedale, und bin fast durch, da —— blockiert ein Forsttraktor den gesamten Weg. Als ich mich vorbeigeschlängelt habe, schaue ich auf eine langgestreckte Tanne, die von zwei Forstarbeitern bearbeitet wird. Entgeistert schauen wir uns gegenseitig an, und ich gerate in Erklärungsnot. »Ich bin an keiner Absperrung vorbeigekommen . . . ich muss hier durch, muss dringend zur Arbeit . . .«»Und was ist, wenn Sie morgen tot sind?« antwortet mir der Arbeiter mit seinem orangefarbenen Schutzhelm auf dem Kopf. Es stellt sich heraus, dass ich nur deshalb nicht an der Hauptabsperrung vorbeigekommen war, weil ich zu Beginn der Fahrt jene Abkürzung gewählt hatte, die mich am roten Handschuh vorbeiführte. Als ich einwende, dass beide Wege gesperrt seien, klärt mich der Forstarbeite
r auf, dass der untere Weg inzwischen frei sei. »So ein Pech!« Doch dass ich auch umdrehen, zurückfahren, und den unteren Weg nehmen könnte, kommt mir gar nicht erst in den Sinn. »Ich will meine Bierhefe!« – das ist mein einziger Gedanke. Und so lotst mich ein Waldarbeiter mit der Motorsäge in der Hand durch den Wald, an der gefällten Tanne, die den Weg versperrt, vorbei. Die Zeit drängt immer mehr, ich schwinge mich in den Sattel, und erhöhe nach und nach die Geschwindigkeit, bis die Umgebung nur so an mir vorbeifliegt. »Was ist denn das?« Bevor ich es richtig realisieren kann, und in die Eisen steige, macht es „rrrratsch!” – ich bin durch die Absperrung am anderen Ende des Waldwegs hindurchgebraust; das weißrote Schutzband ist zerrissen – es war aus Plastikfolie, Gott sei Dank. Auf den letzten Metern hinunter zur Brauerei begegnet mir ein Spaziergänger mit seinem Hund, wir grüßen uns. »Endlich da!« Ich schaue auf die Uhr. Es ist eine Viertelstunde später als telefonisch avisiert. Die Tür ist abgesperrt, es macht niemand auf, das Auto des Brauereimeisters ist nicht zu sehen. »Bierhefe ade!« Ich stehe da, und ——— stehe still. Endlich. 5 Minuten vor 12. Endlich begreife ich, dass es so nicht weiter geht. Eigenmächtig handeln, meinen Willen durchsetzen, koste es, was es wolle, und wenn man sein eigenes Leben dabei aufs Spiel setzt? Wie sagte der Forstarbeiter? »Und was ist, wenn Sie morgen tot sind?« Habe ich danach gefragt, was heute wirklich dran ist?

Nachdenklich radle ich zum Unterricht weiter, zuerst ein Stück den selben Weg zurück; die heutigen Erlebnisse gehen mir durch den Kopf, und auch die zurückliegenden Wochen. Überdeutlich spüre ich, dass ich aus dem Lot geraten bin, mich vollkommen überlastet habe, und mehr und mehr mit dem Kopf durch die Wand gegangen bin, ungefragt und ungeprüft. »Dein Wille geschehe!« Von wegen. Mein Wille war geschehen. Die Konsequenzen? Ein Tag wie heute, und das tagtäglich?? Nein danke, dass muss ich mir nicht geben. Leben will ich, glücklich und gesund. Ich versuche, mir selbst zu vergeben. Endlich kann ich wieder von Herzen wünschen, um Führung von „oben ” bitten — und darum, dass ich die Kraft finden möge, nicht blind zu handeln, sondern innezuhalten, um meine täglichen Entscheidungen sorgfältiger zu überprüfen. »Wen seh ich da, den kenn ich doch?« Ich komme an dem Spaziergänger mit seinem Hund vorbei, der auch mich wieder erkennt. Er nimmt wohl an, dass ich mich verfahren habe, und ruft mir zu: »dees isch dr richtige Weg!«

Sieh einer an! »Das ist der richtige Weg!« – übersetzt für die des schwäbischen Dialekts Unkundigen. Was ist der richtige Weg? Der Weg, der zu mehr Ehrlichkeit in unseren Entscheidungen und weniger Sturheit in unserem Verhalten führt — und weiter zur Selbsterkenntnis, zur Freude, zum Glück, zur Liebe, zum Seelenfrieden. Und wie sieht er aus, dieser Weg? Bitten, Wünschen, Fragen, Prüfen! Darauf vertrauen, dass es eine weise Führung gibt, die es gut mit uns meint. Und diese weise Führung hilft uns, indem sie uns den lieben langen Tag mit Geschehnissen konfrontiert, die wir selbst heraufbeschworen haben — nicht, um uns zu strafen, sondern um uns zu schulen, so dass wir erkennen können, ob wir objektiv betrachtet (aus höherer Warte) richtige oder falsche Entscheidungen getroffen haben. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns darum bemühen, unsere Tagesschule zu erkennen, und aus ihr lernen. Das hilft der Entfaltung unserer seelischen Werte enorm.

Zusammenfassung meiner Erkenntnisse aus der geschilderten Tagesschule:

  1. Wenn wir immerzu eigenmächtig (stur) entscheiden, werden wir auf die falsche Fährte gelockt; wir werden „blind” für die Wahrheit, und können den richtigen Weg nicht mehr vom falschen Weg unterscheiden.
    Wer stur an seinem einmal eingeschlagenen Weg festhält, verliert seine Fähigkeit, zu kapitulieren. Und immer gibt es Alternativen, die jedoch nur der erkennen darf, der bereit ist, sein Handeln jederzeit zu hinterfragen.
    • Erste Alternative: der untere Waldweg wäre frei befahrbar gewesen.
    • Zweite Alternative: wäre ich nicht zur Brauerei gefahren – was nichts gebracht, und nur Zeit, Nerven, und Energie gekostet hat – so wäre genügend Zeit zum Umdrehen gewesen, um entspannt auf dem unteren Weg, der ja frei war, zum Ziel zu gelangen.

    Wie sagte Friedrich Nietzsche in weiser Erkenntnis: „Viele sind hartnäckig in Bezug auf den einmal eingeschlagenen Weg, wenige in Bezug auf das Ziel.”

  2. Zweimal geriet ich mit dem Fahrrad auf den „Holzweg” – ein Symbol für die Sackgassen, in die man gerät, wenn man längere Zeit unehrlich (entgegen den Warnungen seiner Intuition) gehandelt hat.
  3. Wir erhalten Warnungen, wenn wir dabei sind, Fehlentscheidungen zu treffen. Der rote Handschuh signalisierte mir: STOP – Sie sind auf dem falschen Weg; ebenso das durchstoßene und zerrissene Absperrband, das mir signalisierte, dass ich wichtige Gebote missachtet und überschritten hatte.
  4. In den Äußerungen und Handlungen anderer Menschen, die von dem, was in unserer Tagesschule läuft, nichts ahnen, stecken häufig Schlüsselbotschaften für uns. Menschen, denen wir begegnen, bekommen zur rechten Zeit das Gefühl für das rechte Wort, das bei uns „den Groschen fallen lässt” (Synchronizität der Ereignisse) – doch nur, wenn wir von uns aus positive Neugier entwickeln, und auch wirklich dahinter kommen möchten. Meine Schlüsselbotschaften waren also:
    • Warnung, dramatisch (die mögliche Konsequenzen der Sturheit aufzeigt): »Und was ist, wenn Sie morgen tot sind?« (Forstarbeiter)
    • Bestätigung einer Veränderung meiner inneren Einstellung durch positives wünschen: »dees isch dr richtige Weg!« (Spaziergänger)




Wie bibelkundig sind Sie? - mein 17321. Tag


anchmal kommt man aus dem Staunen einfach nicht mehr heraus. Da habe ich vor kurzem eine neue Klavierschülerin bekommen, ein Mädchen von vielleicht acht Jahren; eine interessante, und, wie es scheint, recht eigenwillige Persönlichkeit. Dass sie nun ab sofort ihre Spielstücke auswendiglernen soll, gefiel ihr zunächt gar nicht. Das kann ich gut verstehen, denn es bedeutet ja für sie eine ziemliche Umstellung. Deshalb spreche ich mit ihr gelegentlich darüber, wie wichtig das Auswendiglernen für die Verknüpfung der Gehirnzellen untereinander ist — und damit natürlich auch für die Entfaltung ihrer Intelligenz.

In der letzten Stunde, als es wieder einmal um dieses Thema ging, und ich sie ermunterte, Gedichte auswendig zu lernen, da schoß es plötzlich aus ihr hervor, wie aus heiterem Himmel, mit einer aberwitzigen Geschwindigkeit:

»In des Alten Bundes Schriften
merke in der ersten Stell:
Mose, Josua und Richter,
Ruth und zwei von Samuel.
Zwei der Kön’ge, Chronik, Esra,
Nehemia Ester mit.
Hiob, Psalter, dann die Sprüche,
Prediger und Hoheslied.
 
Jesaja, Jeremia.
Hesekiel, Daniel.
Dann Hosea, Joel, Amos,
Obadja, Jonas Fehl,
 
Micha, welchem Nahum folget,
Habakuk, Zephanja.
Nebst Hagai, Sacharja
und zuletzt Malechia.
 
In dem Neuen stehn Matthäus,
Markus, Lukas und Johann.
Samt den Taten der Apostel unter allem vornean.
 
Dann die Römer, zwei Korinther,
Galater und Epheser.
Die Philipper und Kolosser,
beide Thessalonicher.
 
An Timotheus und Titus,
an Philemon, — Petrus zwei,
drei Johannes, die Hebräer,
Jakob’s, Judas Brief dabei.
 
Endlich schließt die Offenbarung
das gesamte Bibelbuch.
 
Mensch, gebrauche, was du liesest
dir zum Segen, nicht zum Fluch.«

Respekt, Respekt! Der Laie staunt, der Fachmann wundert sich. Die Merkverse zur Bibel, die meine Klavierschülerin im Religionsunterricht gelernt hat, stammen von Magister Georg Ernst Göz, einem Stuttgarter Pfarrer, der sie seinen Scholaren fleißig einzuimpfen pflegte; bis heute hat sich dieser Brauch erhalten, seit über zweihundert Jahren.

Und nun zu Ihnen, liebe LeserInnen. In welchem der obig aufgezählten biblischen Bücher befindet sich der folgende Ausspruch?

»Suchet, so werdet ihr finden . . .«

Das sind Worte Jesu, und wir finden sie sowohl in der Bergpredigt (Evangelium nach Matthäus, Kp. 7, 7), als auch im Lukasevangelium, im elften Kapitel, Vers neun.

»Suchet, so werdet ihr finden.« Ist das Leben nicht voller Rätsel? Doch wer nicht fragt, erhält keine Antworten. Ist es nicht faszinierend, kleine Kinder zu erleben, mit ihrem ständigen warum, weshalb, und wieso? Gesunde Kinder sind neugierig, im positiven Sinn.

Als Erwachsene tun wir uns häufig sehr viel schwerer damit, den Dingen auf den Grund zu gehen. Wir erleben jeden Tag so viele kleine, unscheinbare Dinge, und haben keinen Zugang zu dem, was sie uns sagen wollen — weil wir die Sprache, die sie sprechen, nicht verstehen; kein Wunder, wenn uns niemand das Vokabular erklärt!

Da gibt’s im Alltag häufig kleine Störungen und Mißgeschicke, Unachtsamkeiten, die weh tun können, kleine Verletzungen am Körper, allerlei Unannehmlichkeiten in der Begegnung mit anderen . . . — aber natürlich auch viel schönes, was unser Herz erfreut; und schließlich sind all diese Erlebnisse über den ganzen Tag hinweg mit einer Menge an Gefühlen verknüpft, angenehmer genauso wie unangenehmer Art.

Alles Zufall? Ja, natürlich! Freuen Sie sich an dem, was Ihnen heute bereits zugefallen ist! Ihnen persönlich! Und jedem Menschen fällt etwas anderes zu, denn jede Seele hat ihre eigenen Aufgaben zu bewältigen; schließlich — und unserem Schöpfer sei gedankt dafür — sind wir alle individuell verschieden, jeder einzelne einmalig, ein unverwechselbares Original. Was Ihnen heute zufällt, nennt sich Ihre persönliche Tagesschule, und der Alltag unterrichtet Sie in einer klugen Weise. Doch ist’s nicht anders heut’ wie damals, als wir noch die Schulbank drückten; versäumten wir nicht manche Stunde, schlaftrunken voller Müdigkeit? Wir müssen aufwachen, bewußter durch den Alltag gehen, hellwach im Hier und Jetzt sein — wenn wir vom Unterricht der Tagesschule seelisch profitieren wollen.

Was wünscht sich denn der Mensch am liebsten? Geschenke! Hübsch verpackt, mit einem Schleifchen drumherum. So präsentiert sich uns an jedem Tag ein liebevoll gestaltetes Überraschungspaket. Öffnen wir es, so schlagen wir die Augen auf, und begegnen dem nächsten Tag mit einer veränderten seelischen Sicht! Die Tagesschule ist ein großes Geschenk an uns Menschen, denn nur mit ihrer Hilfe ist es möglich, sich im Spiegel des Erlebten selbst zu erkennen, und die geforderten Lernschritte zu erzielen. Dauerhaft glücklich sein kann nur der, dessen Seele dauerhaft lernt.

Also brauchen wir nur fleißig zu wünschen, am besten gleich nach dem Erwachen, wenn wir die Geschenke der Tagesschule annehmen wollen. „Ich möchte meine Tagesschule erkennen! Ich möchte sehen, was heute wirklich läuft!” — und schon beginnt’s zu weben und zu wirken, wie von Zauberhand. Das glauben Sie mir nicht? Wohlan! So überprüfen Sie es selbst.

„Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!” — ein weiser Ausspruch, der uns ermutigt, neue Wege zu probieren. Wohin sollt’ ich meine Schritte lenken? Zeige mir den Weg!

Vor einigen Tagen ging ich hinunter ins Städtchen, um einige Dinge zu erledigen, doch drückte mir ein ganzes Bündel voller ungelöster Fragen auf die Schultern. Fragezeichen, wo ich hinsah, nirgends ein Lichtlein auf dem Weg vor mir. Keine Antwort, weit und breit? Da sprang mir etwas in die Augen. Drei silbergraue Fahrzeuge, direkt vor meiner Nase. Und was entdeckte ich, als ich genauer hinzuschauen mich entschied?

Welche Freude! Dreimal PF-AD! Dreimal versilbert! Ich bin fasziniert. Was ist das für eine Symbolik, die sich hinter diesem Bild verbirgt?

Was hat es mit dem Silber wohl auf sich? Adalbert Stifter erzählt in seinen „Feldblumen” vom Heideknaben Felix. Der glaubt, wenn es ihm »tief im Innersten so fromm wurde, er sähe weit in der Öde draußen Gott selbst stehen, eine ruhige silberne Gestalt: dann wurde es ihm unendlich groß im Herzen, er wurde selig . . . und es war ihm, dass es nun gut sei, wie es sei.« Dreimal Silber? Die heilige Dreifaltigkeit? Die 3 war immer schon als Zahl mir heilig. Für mich ein schönes Bild für Gott, der immer da ist, und sich freut, wenn wir Verbindung zu ihm suchen.

Und dreimal PFAD? Der Pfad der Tugend (und der Jugend) ist bekanntlich schmal, doch er ist immer da – in dreifacher Ausfertigung, wie man dem Foto sicherlich entnehmen kann. Welche Pfade sollt’ ich wählen? Meine Pfade, die mich sicher durch das Labyrinth des Lebens geleiten mögen, heißen: Gesundheit – Freundschaft – Selbstlosigkeit. Und wenn ich diese Pfade nie verlasse, so stehe ich mit allem, was ich tue, unter Schutz.

Das ist natürlich eine vollkommen persönliche Interpretation, meine Sichtweise aufgrund der Denkanstöße, die mir die Tagesschule mit den Fahrzeugen konkret vermittelt hat.

Tagesschule erkennen macht glücklich. Warum? Weil man mehr und mehr Geborgenheit erlebt. Man fühlt sich nie wieder allein, wenn man „mit oben” in Verbindung steht, und sieht, wie wunderbar man eingewoben ist; als Teil des Ganzen, in den hohen Plan, der – von weiser Hand gelenkt – unaufhaltsam seinem großen Ziel entgegengeht.