• Symbole III - „Brille” •


ie Brille, in früheren Epochen ein Anzeichen von Bildung und „Gelahrsamkeit”, ziert heutzutage die Mehrheit aller Gesichter. Und der Anteil an Brillenträgern steigt weiter, derzeit liegt er bei über 60 Prozent – ein Zuwachs von 50 Prozent seit dem Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg. Die Zeitspanne, die sich vom Beginn der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts bis heute erstreckt, firmiert auch unter dem Begriff der Wohlstandsgesellschaft. Nie zuvor in der Geschichte ging es den Menschen so gut wie bei uns. Doch was hat das mit der Brille zu tun?¹

¹ Wenn der Mensch nicht mehr den Großteil seiner Lebenszeit auf die Beschaffung seiner täglichen Nahrung verwenden muss, so kann er sich vermehrt der Entfaltung seiner geistig-seelischen Fähigkeiten widmen. Das setzt allerdings eine gewisse Bildung voraus, die erst durch Wohlstand in einem vernünftigen Maß ermöglicht wird. Nationen mit höherer Bildung weisen in der Folge einen deutlich höheren Anteil von Brillenträgern auf. Ist die Brille nicht ein Symbol fürs Lesen? Im übertragenen Sinn steht sie für das Lesen im Buch der Seele.

„Die Augen sind das Fenster zur Seele” – das ist ein Zitat, das Leonardo da Vinci zugeschrieben wird. Und in der Tat, es ist schon ein erhebendes Gefühl, wenn man einem lieben Menschen in die Augen schaut. Eine gewisse innere Scheu hält uns davon ab, dies länger als nur einen kurzen Augenblick zu tun, deshalb der Ausdruck: Augen – Blick. Es ist, als ob man eintaucht in ein Meer, dem wir doch selbst entnommen sind, dem Grund der See, die unserer Seele ihren Namen gab. In solch kostbaren Augenblicken kann in uns ein Stück Heimat anklingen, eine dunkle Ahnung dessen, was wir im Grunde unseres Wesens sind; und indem diese Ahnung emporsteigt, vereinigt sie sich mit dem Sonnenlicht, das durch unser Auge fällt, und lässt es hell und warm in unserem Bewusstsein werden. Ein Stück Selbsterfahrung ist das, ein Sich-Erkennen im Spiegel der Seelenschwester oder des Seelenbruders.

„Das Auge sieht, was es sucht” – so formulierte es der Maler Max Slevogt. Wohin also richten wir den Blick?

Ein berühmtes Brillengesicht: Mahatma Gandhi besaß die Fähigkeit, bis auf den tiefsten Grund der menschlichen Seele zu blicken. Keine innere Regung blieb ihm verborgen. Diese Fähigkeit ermöglichte es ihm, auf die Nöte und Bedürfnisse seiner Landsleute einzugehen, sie an der Hand zu nehmen, und sie in die Unabhängigkeit zu führen.

Das menschliche Auge kennt zwei Blickrichtungen: sowohl nach außen, als auch nach innen. Einerseits der Blick in die Weite der Außenwelt, andererseits der Blick auf die kurze Distanz, der die Innenwelt beleuchtet. Hier kommt die Brille als Sehhilfe ins Spiel: Brillenträger werden der Einfachheit halber nach Kurzsichtigkeit und Weitsichtigkeit unterschieden. Im Grunde artikulieren diese beiden Begriffe die Stärken desjenigen Menschen, der eine Brille trägt: kurzsichtige Menschen zeigen häufig eine ausgeprägte Sensibilität für die Innenwelt, die Welt der Seele, während weitsichtige Menschen sich eher durch einen klaren Blick für die Belange der Realität auszeichnen. Ideal wäre es, zwischen beiden Polen hin- und herpendeln zu können – denn damit schüfe man die Voraussetzung für eine vollkommen objektive Sicht auf alle Wesen und Dinge.

Die Entwicklung in unserer Gesellschaft hin zur Kurzsichtigkeit ist ein gutes Zeichen. Weltweit sind es momentan ungefähr 1,6 Milliarden Menschen, innerhalb der nächsten zehn Jahre rechnen die Forscher damit, dass der Anteil der Menschen mit einer sogenannten Myopie, dem Fachbegriff für Kurzsichtigkeit, auf etwa ein Drittel der Weltbevölkerung ansteigen wird² – ein gutes Omen, nicht nur für die Brillenindustrie: mehr und mehr Menschen richten den Blick nach innen, und schenken ihrem Seelenleben größere Aufmerksamkeit. Das ist ein enorm wichtiger Schritt auf dem Weg in das bereits angebrochene spirituelle Zeitalter.

² Quelle: Anna Maria Isabel Wilde, Untersuchungen zur Epidemiologie und Genetik der Myopie

Die Brille korrigiert unsere Fehlsichtigkeit, sei sie nun kurz, oder auch weit. Wir purzeln auf die Erde nieder, um uns zu erkennen. Das wäre gar nicht einmal so schwer, wenn wir uns so sehen könnten, wie wir wirklich sind. Was macht uns blind? Jesus Christus erklärt es in der Bergpredigt folgendermaßen: „Das Auge ist des Leibes Licht. Wenn dein Auge lauter ist, so wird dein ganzer Leib licht sein.” (Matthäus 6, 22) Das Auge ist das Symbol für unsere seelische Sichtweise, der Leib umfasst als Ganzheit Körper und Geist.

Das sind die wesentlichen Fragen, denen wir uns täglich zu stellen haben:

  1. Wie sehen wir unsere Mitmenschen?
  2. Wie sehen wir die Welt?
  3. Und wie sehen wir uns selbst?

Ist unsere Sicht klar, lauter und rein – Luther gebraucht den Begriff „einfältig” – oder ist sie eingetrübt? Durch Verurteilen, Kritisieren, Besserwisserei, und Schadenfreude kann sie sich verdunkeln bis zur vollkommenen Finsternis (Matthäus 6, 23). Um zu überprüfen, wo wir stehen, bedürfen wir der Tagesschule, die das Universum für uns als täglich sich wandelndes Lernprogramm mit großer Sorgfalt plant. Nur im Erleben unserer eigenen Reaktionen auf die Geschehnisse des Alltags lernen wir unsere momentane seelische Sichtweise kennen, und vermögen sie, sofern wir den entsprechenden Wunsch hegen, auch zu verändern. »Brille verlegt? Oder gar hinuntergefallen? Kratzer im Glas? Blaues Auge kassiert?« So drastisch muss unsere Tagesschule beileibe nicht sein. Dies soll nur einmal den Zusammenhang aufzeigen, wie uns das Universum auf eine falsche seelische Sicht richtiggehend „stoßen” kann, sofern wir es nötig haben. Könnten wir denn für ein „Veilchen” rundherum um unser Auge dankbar und auch glücklich sein? Wenn wir den Grund für solch ein Mißgeschick erkennen könnten (die Ursache liegt immer in einer konkreten Verhaltensweise des zurückliegenden Tages begründet; eine Verhaltensweise, die auf einer falschen seelischen Sicht beruhte, und eine Kausalkette in Gang gesetzt hat, die bspw. als „Veilchen” wieder sichtbar wird), so wären wir sichtlich dankbar und froh, denn das sind wir immer, wenn wir etwas wirklich sinnvolles gelernt haben. Und unsere Seele im Spiegel der Außenwelt zu erschauen, ist wirklich sinnvoll! Große Persönlichkeiten haben uns immer wieder darauf hingewiesen: „Das Auge ist ein Verkleinerungsglas nach innen.” (Friedrich Hebbel, deutscher Dramatiker).

Ein besseres Übefeld als die Erde gibt es im ganzen Universum nicht, um uns selbst zu erkennen. Und auf diesem Weg der Selbsterkenntnis wandelt sich unsere seelische Sicht. Aus Verurteilen wird Neutralität. Aus Kritisieren wird Kritikenthaltung und Verstehen. Aus Besserwisserei wird Schweigen. Aus Neid und Schadenfreude erwachsen Großzügigkeit, die dem anderen Glück und Freude gönnt. Und also ward es wieder licht in uns. Wir ahnen es: das ist der Boden, auf dem wahre, allumfassende Liebe gedeihen kann. Wir gehen unbeirrbar unseren Weg, auch unter dem Vorwurf, die Welt durch eine rosarote Brille zu sehen. Denn in uns hallt es wider: „Erst das Auge erschafft die Welt.” (Christian Morgenstern)

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• Meine Tagesschule – Deine Tagesschule? •


anchmal frage ich mich, ob ich der einzige Mensch bin, der so etwas wie die Tagesschule erlebt. Doch da sind durchaus Hinweise, dass dem nicht so ist. Die kleinen Erlebnisse, die uns den lieben langen Tag vom Aufstehen bis zum Schlafen gehen begleiten, sind nicht einfach nur Belanglosigkeiten. Da sind kausale Zusammenhänge, die uns etwas sagen wollen. Das wird mir umso deutlicher bewusst, je mehr ich versuche, über sie hinwegzusehen – und hinwegzugehen. Es ist so, als ob ein Blinder, dem sich die Augen wundersam geöffnet haben, sein Augenlicht zurückgeben wollte: »Nein, sehen, nein, das will ich nicht!« Wäre das nicht fatal? Doch wenn wir sie nicht sehen – und oft auch gar nicht sehen mögen: die Tagesschule – sie ist immer für uns da.

Die scheinbaren Belanglosigkeiten, die uns aus dem Füllhorn der Tagesschule entgegenpurzeln, haben alle eine Botschaft, durch die eine höhere, objektive Instanz zu uns spricht. Wie eine Stimme aus dem Radio, nur dass sie direkt aus dem Äther kommt. Wie war das? Wir erinnern uns: Sender und Empfänger, Physikunterricht zweites Jahr. Haben wir nicht eine innere Stimme? Wir können jederzeit eine Verbindung aufbauen. Stellen wir unsere Antennen also auf Empfang! Die Sendung hat schon längst begonnen . . .

Um genau zu sein, sie beginnt synchron mit unserem Wachbewusstsein. Und so liegt es auf der Hand, für was wir Sorge tragen müssen:

  1. wirklich aufzuwachen und
  2. bewusst durch den Tag zu gehen.

Die Erlebnisse der Tagesschule sind meist unscheinbar, und werden oft in ihrer wahren Bedeutung nicht erkannt. Doch gerade diese alltäglichen, unbedeutend erscheinenden Begebenheiten halten uns den Spiegel vor. Deshalb lohnt es sich, einmal genauer hineinzuschauen:

Da wanderte ich gestern durch ein einsames Tal, und es zeigte sich weit und breit keine Menschenseele. Es begann schon langsam zu dunkeln, und ich musste an den Nachhauseweg denken. Die Blase drückte, und ich entleerte sie. Es war wie verhext: seit über einer Stunde war ich niemandem begegnet, doch just in diesem Moment bog ein Jogger um die Ecke. Eine Stunde hat 3600 Sekunden, und ausgerechnet in den fünf Sekunden, in denen sich unserer beiden Wege kreuzten, musste ich Wasser lassen. Eine unangenehme Situation, und Schulung, für uns beide. Was war meine Schule? Mir kamen im Nachhinein einige Situationen vom Vortag, an denen ich erkennen konnte, dass ich mich mehr um Würde bemühen sollte – besonders dann, wenn ich für mich alleine bin, und ich denke, »dass es eh niemand sieht«. Und die Schule des Joggers? Sich darüber auszutauschen, wäre aufschlussreich gewesen – denn sie kann ja völlig anders als die eigene geartet sein.

Manchmal darf man auch als Statist in der Tagesschule anderer Menschen eine kleine Rolle übernehmen. Da marschierte ich mit festem Schritt und zwei Walking-Stöcken auf einem geschotterten Waldweg, und überholte zwei Spaziergänger, ein älteres Paar. Der Mann drehte den Kopf, schaute mir beim Gehen mit den Stöcken zu – und rutschte mit einem Bein auf den losen Steinchen weg. Ausgerechnet in den fünf Sekunden, in denen sich unserer beiden Wege kreuzten . . . Gut, dass sich beide eingehakt hatten, so war nichts weiter passiert. Doch durfte ich dem guten Mann nicht einen Wink mit dem Zaunpfahl – pardon, wollte sagen, mit den Walking-Stöcken geben? Und was mich anging: vielleicht hätte ich mein Tempo drosseln, und nicht so schneidig überholen sollen. Rücksichtnahme ist schließlich eine Zier. War ich am Vortag rücksichtslos?

Die Tagesschule zu enthüllen, und damit dem inneren Auge sichtbar zu machen, ist Nahrung für die Seele. Dieses Bemühen schärft sowohl Wahrnehmungsfähigkeit als auch Beobachtungsgabe, und treibt damit den Prozess der Selbsterkenntnis enorm voran. Der Blick wandert ständig hin und her, von Außen nach Innen, von Innen nach Außen. Rezeption und Reflexion reichen sich in kontinuierlichem Wechsel die Hand.

Wie eng wir alle miteinander verwoben sind, soll folgende Situation verdeutlichen: ich sitze an einem Tischchen in einer kleinen Selbstbedienungscafeteria, und verspeise mein Frühstück, das ich von zu Hause mitgebracht habe. Obst und gemahlene Nüsse. Ich versuche, bewusst zu essen, und mit meinen Gedanken bei der Mahlzeit zu bleiben. Eine Frau kommt herein, holt sich einen Apfelkuchen, setzt sich, und zieht ein Büchlein aus der Tasche. Während sie liest, rührt sie in ihrer Tasse. Sie schiebt ein Stück vom Apfelkuchen in den Mund, und . . . blättert weiter. Auf einmal schreckt sie auf. Eine Wespe hat es auf ihren Apfelkuchen abgesehen. Sie versucht, die Wespe zu vertreiben. Ohne Erfolg. Sie trägt den Teller mit dem Kuchen zum Fenster, und will es öffnen. Es klemmt, und öffnet sich nur einen kleinen Spalt. Die Wespe, die sie abschüttelt, will von dem Spalt nichts wissen, und kehrt alsbald auf ihren Teller zurück. Nichts zu wollen. Zwei Meter weiter lachen die herrlichsten Früchte von meinem Teller: Pfirsich, Melone, Birne, saftig und ausgereift. Doch das interessiert die Wespe nicht im Geringsten. Und so ist die Frau gezwungen, das Büchlein zur Seite zu legen, und ihre ganze Aufmerksamkeit dem Teller zu widmen, bis sie mit dem Essen fertig ist. Wie interessant wäre es für uns beide gewesen, über diese Situtation und die gegenseitigen Spiegelungen zu sprechen! Wieviel mehr könnten wir aus dem Fundus der Tagesschule lernen, wenn wir unsere Wahrnehmungen nicht für uns selbst behalten würden.

Die Zeit wird kommen, in der wir erkennen, wie vorteilhaft es für uns alle ist, wenn wir Erlebnisse aus der Tagesschule miteinander austauschen. Die Zeit des Lichts und der Geborgenheit erfordert, dass wir gemeinsam seelisch lernen. Im gegenseitigen Austausch multiplizieren sich die Lernschritte des Einzelnen in der Gesamtheit gleichgesinnter Menschen, und die Wahrheit ist: sie potenzieren sich sogar. Das ist die gewünschte Effektivität, mit der das Universum arbeitet. Die Eigendynamik will jedoch erst einmal freigesetzt werden. Jeder kann dazu beitragen. »Ermuntre dich, mein schwacher Geist!« – denn du bist stark, so du es willst!




• Zeitgeschehen: Loveparade Duisburg •


ein, ich war nicht dabei, bei der „Loveparade” in Duisburg am vergangenen Samstag. Nur beiläufig habe ich von der Tragödie vernommen, und ich bin froh, dass keine Bilder von dem Geschehen vor Ort in mich eingedrungen sind. Dafür sind mir innere Bilder gekommen, die mir geholfen haben, die Zusammenhänge rund um den Unglücksfall besser zu verstehen. Und dass ich etwas darüber schreibe, hat mit meinem Tagesthema zu tun, das ich gestern zu bearbeiten hatte, und mir den Impuls für diesen Artikel gab: „Natürlich sein, sich geben, wie man ist, sich nicht unnötig tarnen.” Es ist eines der 44 Hauptschwingungsbänder der Seele, das einer Erklärung bedarf.

„Natürlich sein – sich nicht unnötig tarnen.” – in Duisburg sind die Verantwortlichen in Deckung gegangen, bei laufenden Ermittlungen, das ist nur zu verständlich: da schweigt man lieber, vor allem, wenn es um strafrechtliche Konsequenzen geht. Menschliche Regung zeigt sich dagegen an anderen Orten. Trauernde Angehörige, natürlich, sie erinnern uns an das, was der Schlagersänger Michael Holm vor gut 35 Jahren auf den Punkt gebracht hat: „Tränen lügen nicht”. Zahlreiche Menschen sind persönlich betroffen. Schuldige zu suchen ist müßig, wo die Eigendynamik von Hunderttausenden zu unkontrollierbarem und unvorhersehbarem Verhalten geführt hat. Steht nicht vielmehr jeder Einzelne mit seinen Entscheidungen in der Verantwortung? Schuldzuweisungen helfen niemandem weiter. Aus solchen Ereignissen zu lernen und zu verstehen, die kausalen Zusammenhänge zwischen den Ursachen und den verheerenden Auswirkungen herauszufinden – das ist die Aufgabe von uns Menschen aus höherer Sicht.

Wieso ziehen derartige Veranstaltungen so viele Jugendliche magisch an, obwohl die Risiken seit langer Zeit bekannt sind? Solche Großereignisse mit weit über einer Million Teilnehmern – „Megaevents” werden sie im neudeutschen Sprachgebrauch ja auch genannt – sprechen in vielen Menschen den göttlichen Wesenskern an, den sie allerdings – um sich zu schützen – die meiste Zeit in sich verborgen halten. Die „Loveparade” suggeriert es ja bereits im Namen: »Liebe! Befreiung! Glück! Ungestüme Lebensfreude!« – wenn auch nur für kurze Zeit, da machte sich wohl keiner etwas vor. Oder doch? Auf jeden Fall, das Bedürfnis, wieder einmal mehr sich selbst zu sein, den Harnisch und die Tarnkappe abzulegen, ist menschlich vollkommen verständlich. Auch dem Karneval, der fünften Jahreszeit, liegt dieses Bedürfnis mit zu Grunde. Unter der Oberfläche des ausgelassenen Feierns verbergen sich jedoch ganz andere Motive – vor allem die Sehnsucht nach Liebe, Zuwendung und Anerkennung durch Andere – und die „Loveparade” war ein Katalysator, der diese tiefe Sehnsucht aus den verdrängten Schichten des Unterbewußtseins ans Licht beförderte.

Tanz und Bewegung haben seit jeher etwas Befreiendes. Ursprünglich war die „Loveparade” eine Art Demonstration neu aufkommender Musikstile. Zeitgleich mit dem Aufkommen monotoner, tranceartiger Rhythmen aus dem Computer Ende der 80-er Jahre schufen sich begeisterte Szenegänger mit der „Loveparade” die Möglichkeit, einmal im Jahr eine exessive Tanzparty in der Öffentlichkeit zu feiern, um ihren Lebensstil über den begrenzten Raum der Diskotheken und Techno-Clubs hinaus vor aller Augen publik zu machen.

Entblößung um jeden Preis? Einmal im Jahr stand man nun also im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit: Tanzen und Feiern bis zum Abwinken, bis zur Erschöpfung und darüberhinaus – für einige Stunden den Alltag vergessen, den Frust, den Ärger, den Chef, einfach alles, was nun einmal lästig und – da es ja nur die Lebensfreude trübt – vollkommen überflüssig zu sein scheint. Für viele war die „Loveparade” der Höhepunkt des Jahres, für manche das Highlight ihres Lebens – nur einmal dabeigewesen zu sein. Doch ist Dabeisein wirklich alles?

Das Logo der „Loveparade”, die es ja nun nicht mehr geben wird, hatte ein blutrotes Herz im Mittelpunkt, um das sich kreisförmig zahlreiche, nach außen hin immer kleiner werdende Punkte gruppierten; sozusagen ein stilisierter Blick aus der Vogelperspektive auf die Köpfe der Tanzenden, die sich um das „Lovemobil” drängten. Aus diesen technisch hochgerüsteten „Lovemobils” (Kostenpunkt der Audio-Ausstattung eines solchen Mobils: ca. 50.000 €) trieb der monotone Rhythmus in einer Lautstärke, die ein still dabeistehender Zuschauer kaum verkraften könnte, die Tanzenden in die Ekstase. Verwundert es, dass zeitgleich mit der Verbreitung der Technomusik eine Party-Droge aufkam, die auf den Namen „Ecstasy” getauft wurde? Schnelle Technorhythmen erinnern in der Tat an ein rasendes, zuckendes Herz, an den millionenfach verstärkten Puls des menschlichen Organismus in einem Zustand der permanenten Überlastung; ein Organismus, der kaum mehr nachkommt, genügend Blut durch den Kreislauf zu pumpen. Man weiß seit langer Zeit vom Sport, dass der Körper nach intensiver Belastung vermehrt Endorphine, auch „Glückshormone” genannt, ausschüttet. Sie suggerieren ihm neue Kräfte, obwohl der Organismus bereits vollkommen erschöpft ist. Lebensenergie verpufft, Warnungen verschwinden. Eine Art euphorische Trance ist die Folge, in der die bewußt-objektive Wahrnehmung des Geschehens weitgehend ausgeblendet wird.

Szenenwechsel. Seit langer Zeit habe ich kein Fernsehgerät mehr, und ich bin froh darum – mein Geist fühlt sich seither sehr viel leichter und ruhiger an, und dieses befreite Bewußtsein tut mir gut. Manchmal steigen Fernsehbilder, die ich als Heranwachsender angeschaut habe, wieder in mir hoch – so wie jene amerikanische Serie, die ich mir damals nie entgehen ließ: „Auf der Flucht” hieß sie, und sie zeigte einen Menschen, der von der Polizei gejagt wurde, Tag und Nacht – ob er ein Verbrechen begangen hatte, oder nur verdächtigt wurde, blieb unklar – ein Nervenkitzel über Wochen und Monate hinweg. Dieser Mensch kam nie zur Ruhe, fand nie entspannenden, erholsamen Schlaf. Er agierte wie ein gehetztes Tier, dessen Spuren die Bluthunde wittern.

Heute weiß ich, warum mich diese Serie in den Bann geschlagen hatte: ich erlebte ein klein wenig von mir selbst, denn auch ich war auf der Flucht. Vor der Realität, vor der Wahrheit, und vor allem: vor mir selbst. Fleißig bastelte ich mir Traumwelten zusammen, stürzte mich in Abenteuer, später dann in Stress und Arbeit, weil ich der Auseinandersetzung mit meinem wahren Selbst aus dem Weg ging. Und, zugegeben, weil ich in der Außenwelt – meine eigenen Handlungen und Entscheidungen mit eingeschlossen – so wenig von dem vorfand, was meinem wahren Wesen im Innersten entsprach: Licht und Liebe. Was blieb, war eine ungestillte Sehnsucht. Ist es Zufall, dass sich Sucht auf Flucht reimt? Ist nicht auch die „Loveparade” ein Synonym für die Flucht vor der Realität?

Wir leben in einer Welt voller Versprechungen. Verlockende Angebote, bunte Vögel, der Preis ist heiß. Kein Wunder, dass man sich bei Lockvogelangeboten schnell die Finger verbrennt. Besser, man prüft vorher. Nicht einmal, nicht zweimal. Ständig! Jeder Mensch hat vollkommene Entscheidungsfreiheit, innerhalb eines Umfelds, das immer undurchschaubarer wird. Ein (Ver-)Irrgarten. Ohne höhere Führung ist man darin unweigerlich verloren. Unsere Schwierigkeiten im persönlichen Bereich, wie auch im großen, globalen Getriebe dieser Welt spiegeln uns allzu deutlich die Konsequenzen unseres eigenmächtigen Handelns – Ursache und Wirkung – und sonst nichts.

Wenn wir also keine Opfer sind, sind wir dann Täter wohl zu nennen? »Tät-er das, was er tun sollte, käm’ er nicht in Schwierigkeiten!« ruft es von oben. Die Sani-tät-er hatten in der Nacht zum Sonntag alle Hände voll zu tun. „Sanitas” umfasst als Begriff die körperliche und geistige Gesundheit des Menschen, und hier gilt es, vom willenlos Dahintreibenden „Tät-er” zum willensstarken, tätigen Menschen heranzureifen.

Damit schließt sich der Kreis: „Natürlich sein, sich geben, wie man ist, sich nicht unnötig tarnen.” Das ist gar nicht so einfach, in einer Welt hochfrequenter elektronischer Wechselfelder, der Mobiltelefone, der Nanotechnologie, der Gentechnologie, der akkustischen und informationstechnologischen Dauerberieselung – und, fast hätten wir’s vergessen, der Musiktechnologie, Technomusik, Hip-Hop, Rap, und was es sonst noch alles gibt, respektive. Leben aus der Retorte? Bei der „Loveparade” dabei zu sein, das empfanden viele Jugendliche als „hip” und „cool”. Wie kann man in einer hochtechnisierten Welt, die überwiegend materielle Werte propagiert, seelisch heil durchkommen, geschweige denn natürlich sein?

Besser, wir zünden ein Licht an, als über die vorherrschende Orientierungslosigkeit zu klagen – denn es ist durchaus ein langsamer Wandel zu erkennen. Wechseln wir den Standpunkt. Sehen wir diese Situation als Herausforderung, als Chance, den ersten Schritt zu tun, immer und immer wieder – denn steter Tropfen höhlt den Stein. Indem wir unsere eigene Intuition und Seelenkraft stärken, werden wir zum Vorbild für unsere Mitmenschen.

»Mut! Mut! Mut!«

Rückgrat zeigen

Mutig sein heißt: Nein sagen können, Rückgrat zeigen, standhaft bleiben, sich selber treu sein, auch wenn die ganze Welt – meist ist es ja nur die Mehrheit der Gesellschaft – ihr Fähnlein nach dem Wind ausrichtet. Natürlich sein, das heißt auch, die Natur zu unserem Verbündeten und Gefährten zu machen. Wir brauchen die unverfälschte Intelligenz der Natur – die die Intelligenz Gottes ist – in unserer Nahrung, in unserer Luft, in unserem Wasser, und in unserem Körper. Entwickelt sich unser Körper Tag für Tag in eine gesunde, natürliche Richtung, so gesundet die Seele mit ihm und in ihm.

Deshalb: die Menschen in unserem Land brauchen Vorbilder. Dringend. Werden sie eins. Nehmen Sie Ihre Gesundheit selbst in die Hand. Sagen Sie »Nein« zu Gentechnologie und Nanotechnologie in Nahrungsmitteln – durch Ihren bewußten Einkauf. Seien Sie bereit, an sich zu arbeiten, und beginnen Sie in allem bei sich selbst. Bringen Sie den Wunsch auf, der Stimme Ihres Gewissens zu folgen. Fragen Sie jeden Tag Ihre Intuition: »was ist heute wirklich wesentlich, was sollte ich jetzt wirklich tun?« Wie schrieb Johann Heinrich Zedler (1706 – 1751) in seinem Universallexikon unter dem Eintrag „Gesundheit” so treffend:

„ . . Nächst diesen schreibt man auch dem menschlichen Verstande eine Gesundheit zu, wenn nemlich sich selbiger in dem Stande befindet, dass er das wahre und falsche recht erkennen kann, und nach der wahren Erkenntniß den Willen beweget, sein Thun darnach einzurichten . . ”

Rückgrat zeigen

Wir müssen zur Natur zurückkehren, wenn wir begreifen wollen, was „natürlich sein” wirklich bedeutet.




• Die Geschichte mit der Acht, Teil II •


Zum besseren Verständnis des nun folgenden empfiehlt es sich, zuerst Teil I dieser Abhandlung (• Die Geschichte mit der Acht, Teil I •) zu studieren.

rau ist alle Theorie, erinnern wir uns. . . doch nun zur Praxis. Ohne Übung geht es nicht, und Meister fallen für gewöhnlich nicht vom Himmel; ganz im Gegenteil, sie gehn getreu den umgekehrten Weg, der naturgemäß sehr viel beschwerlicher ist. Die Spirale aus Teil I grüßt stumm und lächelnd uns zurück, auch wenn sie ungerührt – doch um so mehr vollkommen unbeirrt – den ehernen Gesetzen, die sie schufen, folgt.

Dess sollten wir auch uns befleißigen, an jedem neuen Tag:

dem Lauf des Lebens

Die Helix - die dreidimensionale Spirale unserer Seele.

achtsam folgen, um mit des Kindes Neugierde den Dingen, die um uns herum – und was doch noch viel wichtiger ist – in unsrer Innenwelt geschehen, auf den Grund zu gehen; denn alles hier hat seinen Grund, und jede Wirkung seine Ursache!

Rudolf Steiner (1861 – 1925), dessen unkonventionellen Erkenntnisse und darauf aufbauenden Empfehlungen für viele Zeitgenossen damals, vor nunmehr rund einhundert Jahen, „Steine des Anstoßes” waren, hat das wachsame Beobachten der alltäglichen Kausalkette klar und prägnant als Übungsweg zur geistig-spirituellen Schulung empfohlen. In Steiners Begrifflichkeit stärkt dieser Übungsweg das „Freiwerden des Ätherleibs” (Ätherleib == Aura). Das Üben selbst erfordert drei zusammenhängende Schritte (nach Rudolf Steiners Ausführungen zum Thema der „Imagination”):

  1. Den Dingen der äußeren, physischen Welt (Vorgänge, Menschen, Erscheinungen) so genau wie irgend möglich auf den Gund gehen.
  2. Sich ganz den in der Seele aufsteigenden Gedanken, Gefühlen, und vor allem Bildern hingeben.
  3. Die inneren Bilder in scharf konturierte Begriffe fassen.

»Voilà, da ham’ wir sie!«
 
Die Tagesschule . . . sehen, was läuft!
 
»Tagesschule wach erkennen,
Prüfungen beim Namen nennen,
Spieglein, Spieglein in der Hand . . . 

. . . hast Du heute Dich erkannt?«

Auch wenn der Begriff der „Tagesschule” unserer heutigen Zeit entnommen ist, so lässt er sich doch kaum treffender umschreiben, als Rudolf Steiner es in obigen drei Punkten getan hat. Rudolf Steiner brachte mühsam Stein um Stein ins Rollen – doch erst heute, hundert Jahre später, erwacht im Bewusstsein vieler Menschen das Bedürfnis geistig-seelischer Schulung. Der Boden ist bereitet, und wenn auch alle Übergänge in der geistigen Entwicklung der Menschheit fließend verlaufen, so markiert das Jahr „2012” hier einen Neubeginn.

Eine unserer wesentlichsten Aufgaben in dem erwachenden „spirituellen” Jahrtausend ist es, den Begriff der „Tagesschule” (un)endlich tausendfach zu prägen, und ihn mit allen Facetten des Lebens zu füllen – denn das gesamte Universum investiert sehr viel Energie in die Tagesschule derjenigen Menschen, die sich seelisch entfalten wollen. Das Forum Tagesschule . . . sehen, was läuft! (im Aufbau) soll in den kommenden Jahrzehnten diese Menschen zu gemeinsamem Lernen und seelischem Austausch zusammenführen.

»Willst Du ein Tagesschüler werden, was ist zu tun, konkret, auf Erden?«

Da wir seelische Entwicklungsprozesse im allgemeinen nicht unmittelbar erfassen können, ist es sinnvoll, uns für jeden Tag ein seelisches Thema vorzunehmen, das uns bei allem, was an äußeren Erlebnissen und Gedanken den Tag über auf uns einströmt, begleitet. Ich habe mir zu diesem Zweck 44 Kärtchen angelegt, auf denen jeweils ein Schwingungsband der Seele steht. Am Abend, wenn der neue Tag schon längst bereitet ist, mische ich den Stapel durch, und ziehe ein Kärtchen. »Oho! Liebevoll sein! – Na, da kann ich ja mal gespannt sein . . . « Wer mag, kann sich das Kärtchen unter das Kopfkissen legen :wink: .

Die Nacht ist vorüber. Ich sammle meine Gedanken. Was steht an? Was sind meine Wünsche für den Tag? »Liebevoll sein!« Ich möchte mehr darüber lernen, und mich in meiner Tagesschule erkennen.

Solch ein Tag ist schnell vorbei – eine Kreisumrundung auf der Spirale, die dem Licht entgegenführt. Mannigfache Lernanreize, Denkanstöße und Prüfungen verbergen sich in ihm, denn jeder Tag wird für uns individuell mit unvorstellbarer Präzision und Sorgfalt geplant. Wenn ich dann abends den vergangenen Tag wie einen Film noch einmal an mir vorüberziehen lasse, so hat das Bild, das ich von mir selber habe, ein klein wenig schärfere Konturen bekommen – und ist nicht mehr ganz so verzerrt wie gestern noch. Doch das Schönste daran ist: mit meinen 44 Karten weiß ich ganz genau, was ich gelernt, und wo ich mich verbessert habe. Heute war es „liebevoll sein”, und morgen? Jeden Tag ein anderes Thema. Du hast die Wahl! Jeden Tag ein anderes Schwingungsband, das sich verbessert und mehr Energie bekommt. Die Aura wird harmonischer; sie intensiviert sich und beginnt zu strahlen. Einzig Lernen macht meine Seele glücklich, das habe ich inzwischen begriffen, auch wenn es manchmal weh tut. Wir wissen es: „Steter Tropfen höhlt den Stein, bis der Kern wird sichtbar sein.”

Ergo: erinnern wir uns an den Titel dieses Beitrags – „Die Geschichte mit der Acht” – achtsam die Schule des Tages beobachten, achtsam mit sich selbst und seinem Körper sein – das ist die eine Seite der ominösen „8”. Die andere Seite erschließt sich uns erst, wenn wir uns bemühen, diese „8”-samkeit beständig in die Tat umzusetzen, und unsere Tagesschule erkennen. Die „8” wird wendig, und neigt sich, bei entsprechender Wunschkraft, mehr und mehr in die Horizontale! So wird aus der gewöhnlichen „8” die geheimnisvoll liegende „∞”, das mathematische Symbol der Unendlichkeit.


 
Chorus Mysticus
 
»Ewig schwingend,
sich umschlingend,
schließt die Seele
Band um Band.«
 
~»Was getrennt war,~
~unvereinbar,~
nahmst Du achtsam
an die Hand.«
 
»Neugeboren!
Auserkoren!
Tritt herein,
in heilges Land . . . «
 
» . . . denn nun geht
nie mehr verloren,
was einst nur
auf Zeit bestand.«

Wir werden niemals an ein Ende gelangen, wenn wir uns dafür entscheiden, seelisch zu lernen. Keine Angst! Langweilig wird es auch nie sein – denn das Erforschen kausaler Zusammenhänge erfüllt uns mit dauerhafter Freude. Es verbessert unsere seelische Intelligenz, und Hand in Hand damit schwingt unsere Seele mit mehr Energie, weil sie ständig etwas Neues dazu lernt. Bemühen wir uns um die beschriebene Art der Seelenschau, so wird jeder Tag, den wir erleben dürfen, zu einem Mosaiksteinchen im Spiegelbild unserer Persönlichkeit, bis wir uns eines Tages vollständig erkannt haben – und erst dann werden wir sein, wer wir in Wahrheit sind.

»Kausalität statt Banalität!«»Erkenne Dich!«

Lass die oberflächlichen Ablenkungen des Lebens hinter Dir, und tauche in die unbekannten Tiefen Deines Daseins ein! Das Licht, nach dem Du Dich so sehnst, wird Dich auch auf dem tiefsten Grund, in Finsternis und Dunkelheit noch sicher führen, bis endlich jene Lebensfluten, die kraftvoll Dir entgegenströmten, alles Grobe, Gemeine, und Verletzende von Deiner Seele abgewaschen haben. »Weiter! Immer der Quelle zu!« Nur so bereitest Du in Dir den Boden, auf dem dauerhafte Freude und – mit viel Geduld und Tapferkeit – die Fähigkeit zu echter, seelischer Liebe heranwachsen dürfen.




• Die Geschichte mit der Acht, Teil I •


ommer, sei willkommen. Du wärmst uns schön, wenn nun die Tage wieder kürzer werden. Auf den Feldern reift das Korn, und wie von ferne dringen Töne an mein Ohr, die selge Zeiten in mir – obschon lange her – aufleben lassen.

Sommerkanon.js
Sommerliches Grün

»Sing mit, und lass die Saiten klingen, lass Dein Herz recht fröhlich springen!« Der Sommerkanon ist’s – wiegend und schwebend lädt er ein, miteinzustimmen in die alte Weise. Entstanden ist sie wohl vor fast achthundert Jahren schon, als weiland Englands König, Heinrich der Dritte, Kunst und Kultur erblühen ließ. Und doch klingt sie so frisch als wie am ersten Tag. Zeigt sie nicht Kraft und Anmut brüderlich vereint?

So zeigt sich uns auch die Natur, die nun in ihrer Pracht und Fülle ihren Höhepunkt schon überschritten hat. Genießen wir die Stunden draußen jetzt mit wachen Sinnen, solange es noch lichtvoll grünt! Das Grün ist Balsam für die Nerven, und es stärkt uns im Bemühen, die Aufmerksamkeit auf die Gegenwart zu richten. Im Hier und Jetzt ist einzig Leben, im Hier und Jetzt sind wir in der Verbindung, und nur im Hier und Jetzt können wir auch erfahren, was im jeweiligen Augenblick wirklich zu tun ist.

In der bewußten Wahrnehmung des Augenblicks liegt die einzige Möglichkeit, das eigene Leben neuschöpfend zu gestalten, und somit aus dem Dämmerschlaf der Seele zu erwachen. Nur durch bewußte Wahrnehmung unserer Innen- und Außenwelt können wir mehr und mehr zu begreifen suchen, wie unsere Seele lernt und sich verändert – zum Guten hin, so hoffen wir, doch müssen wir dazu beständig gute, das heißt im objektiven Sinn „richtige” Entscheidungen treffen.

Leicht gesagt, doch leicht vertan – woran erkennt man sie, die wirklich guten Entscheidungen?

Das spüren wir nur allzuoft im Nachhinein, wenn wieder einmal das Gewissen plagt, die Verdauung zickt, oder der Rücken schmerzt . . . Wir kennen sie doch zur Genüge, diese unangenehmen Befindlichkeiten, die nichts anderes wollen, als uns zu unserem Glück zu zwingen – indem sie uns daran erinnern, dass wir (eine oder mehrere, möglicherweise sogar sehr viele) Fehlentscheidungen zuletzt getroffen haben. Unsere Aufgabe ist es nun, im Geist den Handlungsstrang zurückzuverfolgen, Schritt für Schritt, bis wir in unserer Vorstellung noch einmal vor den Situationen stehen, in denen wir gegen unsere innere Stimme und/oder gegen unser Gefühl entschieden haben. Wenn uns dieses Zurückgehen, diese Rückschau (in der Stille!) gelingt, so begreifen wir intuitiv, was wir in den entsprechenden Situationen versäumt haben, und respektive – wie wir hätten entscheiden sollen. Keine Sorge! Denn bald werden wir wieder in ähnliche Entscheidungssituationen geführt, in denen wir erneut auf die Probe gestellt werden, und zeigen können, dass wir aus Fehlentscheidungen etwas gelernt haben. Das ist wahre Freude!

Im Erkennen solcher kausaler Zusammenhänge erschließt sich uns ein gewaltiges geistiges Potenzial, das uns die Tür zum bewußten seelischen Lernen eröffnet. Seelisches Lernen aber ist der „Fahrstuhl nach oben”, mithin die Grundvoraussetzung für alle, die sich geistig weiterentwickeln, und in der Tat dauerhaft glücklich sein wollen. Möchten wir das? Das sollten wir, unbedingt, denn nur dann werden wir dem Sinn unserer Erschaffung wirklich gerecht.

Wollen wir das nicht, so bleiben wir vollkommen der materiellen Welt und unseren niederen Instinkten verhaftet, bewegen uns ein Leben lang im Kreis, und lassen die Werte unserer Persönlichkeit verkümmern. Solch ein Leben kann durchaus sehr schön, sehr angenehm, und sogar sehr bequem sein, denn wer sich im Kreis dreht, lebt ja wie auf einer zweidimensionalen Ebene, auf der er nahezu ohne Anstrengung nach allen Seiten hin- und hergehen kann.

Wer sich hingegen um die Bewusstmachung seiner Entscheidungen und der damit verbundenen Gefühle bemüht, der entwickelt die notwendige geistige Kraft, um den Kreis der Gewohnheit und Trägheit – ein Teufelskreis – zu durchbrechen. Diese Kraft ermöglicht es uns erst, vom Kreisen um das eigene ICH zur entscheidenden, geistig-spirituellen Dimension unseres Bewusstseins vorzudringen: aus dem zweidimensionalen Kreisen wird ein Aufwärtsgehen entlang einer dreidimensionalen Spirale. Diese Spirale trägt uns kraft eigenen Bemühens höher und höher, bis wir den Himmel schauen¹.

Blick in den Kosmos

Licht wird es in uns, hell und schön, wenn wir denn endlich unserer Bestimmung folgen. Zuerst jedoch müssen wir ihr erst einmal gewahr werden.

¹ Anmerkung: rollen wir eine dreidimensionale Spirale ab, so entsteht vor unserem Auge eine schiefe Ebene, auf der wir empor- oder hinuntersteigen können; vergleiche hierzu auch den landläufigen Ausdruck „auf die schiefe Bahn geraten”, der allerdings nur das seelische Abwärtsgehen umschreibt. Wertneutral betrachtet können wir in jeder Entscheidungssituation von neuem die Weichen stellen, ob – und wie schnell – unsere Seele auf der schiefen Ebene aufwärts zu streben vermag, oder einfach nur sich gehen lässt, und in der Folge abwärts geht. Entweder, oder! Ein seelischer Stillstand ist auf der schiefen Ebene, die der Spirale im dreidimensionalen Raum entspricht, vollkommen ausgeschlossen.

So weit die graue Theorie. Die  farbenfrohe  Praxis folgt demnächst in: • Die Geschichte mit der Acht, Teil II •, auf diesem Blog, ganz ungekürzt, kräftig gewürzt . . .