Herzen und Masken - mein 17410. Tag


Heute ist Aschermittwoch, die Narrenasche färbt den Schnee . . .

„Wann i oft a bissl ins Narrnkastl schau’, dann siech i a Madl mit Aug’n so blau . . . ” – so sang der österreichische Schlagerbarde Peter Cornelius vor etlichen Jahren. Wissen Sie denn überhaupt, was ein Narrenkastl ist? Nein? Das tröstet mich, denn ich wusste es auch nicht, bis mir eines Tages ein Salzburger Freund mit charmanter Verbeugung ein Österreichisch-Deutsch-Wörterbuch überreichte. „Ins Narrenkastel schauen” – das bedeutet so viel wie träumerisch sehnsuchtsvoll in die Ferne blicken – und ich dachte immer, ein Narrenkastel sei ein Käfig, in den man gesteckt wird, wenn man sich als Narr entblößt.

»Nur nicht auffallen! Mach dich nicht zum Narren!« So wurden – und werden wohl noch immer – viele Kinder am Gängelband geführt, und mit der großen Erziehungsschere wird unser Bäumchen immerfort beschnitten, bis es traurig seine kümmerlichen Zweige hängen lässt. Kein Wunder, wenn es dann den Herausforderungen des Lebens wenig abzugewinnen weiss, und stattdessen viel lieber weit weg „ins Narrenkastl” schaut, wo es die Fantasiegestalten seiner Kindheit vorüberziehen sieht.

»Einmal nur die Rolle spielen, die ich mir erträumt habe! Einmal nur den grauen Alltag ganz vergessen! Einmal nur ein(e) andre(r) sein!« Und schon schlüpfts in bunte Kleider, hüpft und springt vor Lust und Freude, und verwandelt sich in das Wesen, das wir – die Zuschauer vor den Kulissen – einen Narren nennen.

Das Drehbuch ist geschrieben, die Rollen sind verteilt.
»Welche Rolle hätten’s denn gern?«

Und hinter den Kulissen?

Was da geschieht, das lässt sich nur erahnen. Was hinter Masken sich verbirgt, das scheut gar allzuoft das Licht - - und lächelt dir ins Angesicht.

Das Unterscheidungsvermögen zwischen Herzen und Masken will gelernt sein.

»Hinter leeren Fensterhöhlen wohnt das Grauen, und des Himmels Wolken schauen« - - »t i e f hinein«, so möchte man in Abwandlung der Schillerschen Verse sagen; Schneeflocken umwirbeln die Larventräger, und ein eisiger Wind sorgt für den letzten Schliff auf den polierten Masken.

Die Augen sind das Fenster zur Seele, sagt man. Warum ist es eigentlich Mode geworden, seine Augen bei Tag und Nacht hinter einer Sonnenbrille zu verbergen? Der Mensch – ein Potemkinsches Dorf? Hauptsache, die Fassade hält. Nur nicht aus der Fassung bringen lassen, selbst wenn man schon versteinert ist . . . .

Rückblende: Faschingssonntag, der Bär ist los. Es ist schon eine seltsame Karawane, die bei Schnee und Kälte durch die Straßen von Weil der Stadt zieht. Die ehemalige freie Reichsstadt, überwiegend katholisch geprägt, ist eine Hochburg der schwäbisch-alemannischen „Fasnet”. Traktoren ziehen die schweren Umzugswagen, und ein Melodienreigen verschiedenster Musikgruppen vermengt sich zu einem unentwirrbaren Knäuel in meinem halbbetäubten Ohr. Es ist das erste Mal seit meiner Kindheit, dass ich wieder solch einem bunten Treiben zusehe, und ich staune ob der Fantasie und Kreativität aller Beteiligten. Wieviel Arbeitsstunden wurden in die Vorbereitungen für diesen Umzug gesteckt! Weder Kosten noch Mühen wurden gescheut, um den Narrenzünften aus nah und fern eine adäquate Bühne für ihren großen Auftritt bereitzustellen.

Beeindruckende, handgeschnitzte Masken und die dazugehörigen, handgearbeiteten „Häser” (Narrenkleider) zeugen von einer hohen Originalität schwäbisch-alemannischer Fasnacht, einer jahrhundertealten Tradition, sowie einer hochstehenden Handwerkskunst, die treulich von Generation zu Generation weitervererbt wird. Und so wandeln von der Teufelsfratze bis hin zur personifizierten Güte fast alle Facetten menschlichen Gebarens an mir vorüber. Ein Schauspiel, das den Zuschauern den Spiegel der Welt vorhält, wie einst der Narr dem Herzog in Shakespeares Komödie „What You Want”. „Was ihr wollt”, das könnt ihr haben, und den Löffel gleich dazu. Denn die Suppe, einmal eingebrockt, will ausgelöffelt sein.

Wir tun uns schwer, den Faden, den die Parzen spinnen, bloßzulegen. Des Lebens Los, fällt uns das einfach in den Schoß? Gewisslich nicht, sonst sprächen wir nicht vom Los, das wir gezogen haben. Die Drahtzieher sind wir allein. Ursach’ und Wirkung, gestern wie heut’. Den Leuten sieht man’s ins Gesicht geschrieben, und um den Hals hängt schwer beladen — sie, die Schicksalskette unsres Lebens, mit den vielen Narrenschellen dran. Bei jedem Schritt ein jede hell erklingend, künden sie vom Karma, das es abzutragen gilt.

Gestern tanzten sie, die Hexen. Ein Veitstanz, schaurig schön und wild. Heute liegen sie in Schutt und Asche, die aufgekehrt sein will. Und wissen taten sie’s wohl vorher schon, mit einem Liedchen auf den Lippen: »Da Bach naa, da Bach naa, mit Kummer un mit Sorga, bis am Asch-, bis am Asch-, bis am Aschermittwochmorga . . . « (Den Bach hinunter, den Bach hinunter, mit Kummer und mit Sorgen, bis am Asch-, bis am Asch-, bis am Aschermittwochmorgen . . . ). So lautet das Credo der Schramberger Da-Bach-na-Fahrer, die in bunt geschmückten Holzzubern die eisigen Wasser der Schiltach befahren. Schiffchen ahoi! Der Katzenjammer lässt nicht lange auf sich warten, und auf den Fasching folgt das Fasten. So war’s, und so wird’s lang noch sein.

Zerknirschter Sünder, jetzt bereue?
Sei besser fest in Tat und Treue.
Erkenne dich, dein wahres Wesen.
Nur an dir selbst kannst du genesen.

Ist’s nicht die schönste Rolle auf der Welt, sich selbst zu sein? Dazu bedarf’s – hurra – keiner Verstellung mehr.

Die Larve schlüpft.
Heraus kommst du.
Wie aus dem Ei gepellt.
Geschenk und Freude für die Welt.

Erst wenn wir alle Masken abgelegt haben, zeigt sich unser wahres Herz. Wer sich von Herzen wünscht, sich zu erkennen, der steht unter Schutz. Symbol: der weiße Schirm. Die Trauer weicht der Freude. Die Finsternis dem Licht.




Wie schwingt Ihre Ehrlichkeit? - mein 17373. Tag


enn ein großes Orchester harmonisch zusammenspielt, dann klingt es rund und ausgewogen. Der Ort, an dem ein Orchester für gewöhnlich spielt, nennt sich deshalb nicht Disharmonie, sondern Philharmonie. Schrille Mißklänge sind dort eigentlich fehl am Platz, denn sie stören empfindlich das würdevolle Ambiente eines klassischen Konzertsaals.

Heilende Schwingungen: würdevolle Musik ist Nahrung für die Seele.

So unterschiedlich die Klangfarben eines großen Orchesters auch sein mögen, so fügen sich dennoch die einzelnen Instrumente zu einem harmonischen Ganzen zusammen. So sollte es zumindest sein, wenn die Schwingungen, die von der Luft an unser Ohr getragen werden, der Seele gut tun sollen; denn dann sind sie für uns eine ganz besondere, feinstoffliche Nahrung.

Eine Flöte kommt der idealen Schwingung, der Sinuskurve, am nächsten. Andere Instrumente wie Cello oder Oboe erzeugen komplexere Schwingungsgebilde mit „farbigeren” Obertönen, die jedoch alle aus einer Überlagerung von Sinusschwingungen hervorgehen. In der Physik nennt man das Klangerzeugungsverfahren der Sinuskurvenüberlagerung die additive Synthese.

Übertragen wir das Schaukeln des Kindes auf die Zeitachse, so erhalten wir eine reine Sinuskurve.

Alles schwingt, alles singt, alles klingt. Das Große wie das Kleine, das Sichtbare wie das Unsichtbare; selbst Elektronen und Photonen, Quarks und Elementarteilchen; ob sie nun bereits bekannt sind, oder den Instrumenten der Forscher noch verborgen. Schwingen ist natürlich, und je mehr sich irgendein beliebiges Schwingungsgebilde einer Sinuskurve annähert (so komplex diese durch eventuelle Überlagerungen auch sei), desto harmonischer wird seine Gestalt — und als um so angenehmer empfinden wir es auch. Alles schwingt, alles singt, alles klingt — und so auch unsere Körperzellen, wie unsere Seele. Vielleicht verstehen Sie jetzt besser, warum wir uns in der Gegenwart guter Menschen so ~ beschwingt ~ fühlen! Nichts lohnt sich mehr, als an der Harmonisierung unserer Körper- und Seelenschwingungen zu arbeiten.

»Wie das wohl geht?« — so wird sich nun manch einer fragen.

»Geduld, Geduld!« — wir werden’s wagen, zusammen gehn wir Schritt für Schritt.

Der erste dieser Alltagsschritte: wir sagen laut und deutlich »Bitte!«»Ich möchte mich erkennen, wie ich wirklich bin.«

Ziele setzen, das macht Sinn. Konkret: EIN Tagesziel, und nicht zuviel. Wie wäre es mit Ehrlichkeit? Die Tagesschule ist bereit.

 

Also, unser Tagesthema heißt Ehrlichkeit, und wir brauchen nun nichts weiter zu tun, als wach und bewußt durch den Tag zu gehen, und uns bei allem, was wir erleben, immer wieder zu fragen, was das denn mit unserem Tagesthema zu tun hat. Nicht schwer, oder? Damit das nicht graue Theorie bleibt, einige Erlebnisse aus meiner Tagesschule vom vorletzten Samstag.

Samstag, Einkaufstag! Ein frostiges Wintermärchen verzaubert Wald und Flur.

Schön ist die Welt! Ich sehe sie mit staunenden Augen.

Langsam und vorsichtig, mit Helm gewappnet, radle ich durch den Winterwald. Zum Genießen der Landschaft bleibt wenig Gelegenheit, denn ich muss mich auf den Weg konzentrieren. Dann bin ich vor Ort. Mein Ziel: der kürzlich wiedereröffnete Einkaufsmarkt – mit deutlich verbessertem Angebot, einer reichhaltig-frischen Auswahl, und einer Bio-Abteilung, die das Herz höher schlagen lässt. Schließlich bin ich Unternehmer, der sein Geld gut angelegt wissen möchte; und deshalb investiere ich es in das Objekt, das mir den größten Nutzen bringt – meinen Körper! Er ist die Wohnung für meine Seele, und sie soll es gut in ihm haben. „Veritas in Sanitas”. Sanieren wir ihn, den Körper – auf dass unsere Seele in ihm und mit ihm gesunde.

200 Meter vor dem Ziel umschmeichelt mich ein großes Discounterschild mit Billigpreisen – alles gibt es fast umsonst, und sogar Reisen . . . da lockt mich der Verstand, der kühle Rechner, kurz einmal hineinzuschauen. »Reifes Obst bekommt man jetzt sehr schwer, Leute, schafft doch mal was her!« Der Bauch, der schweigt, ich geh’ hinein, und eine Papaya ist mein! 1,49 € ist der Preis, an einem Ende ist sie weiß. Das ist kein Schnee, das ist schon Schimmel! Gut, das kann man wegschneiden, aber ansehnlich ist sie wirklich nicht. »Geh weiter!« — mahnt mich nun die Pflicht. »Bleib heiter!« — denk ich, »macht mir Licht!«

Das geht mir dann tatsächlich auf, als ich in dem Einkaufsmarkt, in dem ich einkaufen soll, vor dem Obststand stehe: »Reife Papayas!« Viel schöner, als bei dem Discounter. Und was kosten sie? 1,49 € ist der Preis, ich weiß, ich weiß . . . genauso viel, wie beim Discounter. Was ist das Tagesthema heute — Ehrlichkeit? Ich versuche mich zu rechtfertigen. »Ich hab doch nichts gestohlen, oder?«»Und was ist mit dem Umsatz, der dem Einkaufsmarkt jetzt fehlt?«

Das Universum arbeitet ganz schön präzise. Auf Heller und Cent genau wird abgerechnet, im Soll genauso wie im Haben. Und Ehrlichkeit wird dreifach vergütet. Das glaubt ihr nicht? Da will ich abends mein Altpapier in die große Gemeinschaftstonne geben. Sie ist mit einem Vorhängeschloß gesichert, damit unehrliche Zeitgenossen sie nicht für ihren Müll missbrauchen können. Ich schließe auf, und will den Deckel abheben, doch der ist festgefroren. So zerre und rüttle ich daran, bis er endlich aufspringt. Schwungvoll schnappt er zurück, und in hohem Bogen fliegt das Vorhängeschloß ins verschneite Gebüsch. Da liegt es nun, und da liegt’s gut – in irgendwelchen Mauerritzen; ich habe es trotz intensivster Suche, auch am nächsten Tag, nicht wieder auffinden können. So muss ich wohl oder übel für Ersatz sorgen — damit die unehrlichen Zeitgenossen in Zukunft wieder außen vor bleiben. Kostenpunkt: schätzungsweise 4,50 €. So viel wie drei Papayas. Die hätte ich mir gönnen können, wenn ich ehrlicher gewesen wäre: Ehrlichkeit verlangt von uns, auf unsere Gefühle zu hören. Und die bekam ich an diesem Einkaufstag ausschließlich für den qualitätsbewußten Einkaufsmarkt.

Wie schwingt sie dann, die Ehrlichkeit in unserer Seele, nach einem falschen Schritt? Sie kommt ein wenig aus dem Tritt. Vielleicht in etwa so:

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Au weia! Ab dem nicht erlaubten Einkauf beginnt die Schwingung zu verzerren. Mit jeder weiteren Fehlentscheidung wird sie unharmonischer — doch keine Sorge, wir können die „verletzte” Schwingung wieder in Ordnung bringen: durch eine neue, nun aber objektiv betrachtet richtige Entscheidung im Bereich der Ehrlichkeit. Die einzige Bedingung hierzu: der aufrichtige Wunsch.

»Dein Wunsch sei mir Befehl!« — als ich mich am Abend nach einem Thermenbesuch auf den Heimweg mache, fährt ein Zug an mir vorüber, in die Richtung, in die ich am nächsten Morgen zum Orgeldienst fahren muss; doch um Geld zu sparen, hatte ich mich bereits aufs Fahrradfahren eingestellt. In dem Moment, als ich den Zug sehe, kommt mir ein Denkanstoß: »Es ist eisglatt und gefährlich, lass morgen früh das Rad zu Hause, und nimm den Zug!« Wie reagiere ich? Bin ich stur, oder flexibel? Das entscheidet mein Wunsch. »Möcht’ ich ehrlich sein? Nein? Der Zug kostet mich stolze 10 Prozent meines Verdienstes. Bin ich mir das wert?« Das ist nie verkehrt. Die Selbstliebe lässt grüßen.

Ich bin dann mit dem Zug gefahren, und war sehr froh darüber. Eine gute Entscheidung, und ehrlich noch dazu. Jetzt tanzt sie wieder, unsre Ehrlichkeit — sie lässt ihr Band harmonisch schwingen — und ich bekomme Lust zu singen . . .

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Vielen Dank dem tschechischen Ensemble für Alte Musik „Musica Florea” für diese wunderbare, und darüberhinaus noch lizenzfreie! Aufnahme für Radio Tschechien (Czech Rádia) der Sechs Brandenburgischen Konzerte von Johann Sebastian Bach.




• Dein Wunsch sei mir Befehl! • - mein 17340. Tag


st das wirklich nur so eine scherzhafte, umgangssprachliche Redensart, wie man gemeinhin annimmt? Kinder nehmen diese Redensart durchaus ganz wörtlich, denn sie glauben noch an das Christkind; und manches Kind, das schon in die Schule geht, schreibt ihm deshalb dieser Tage einen lieben, langen Brief mit tausend Wünschen.

Warum tut es das? Und warum tun wir Großen es nicht mehr? Sind unsere Erinnerungen bereits so stark verblasst? Haben wir nicht alle als Kind die Erfahrung gemacht, dass unsere Wünsche in Erfüllung gehen, wenn wir sie nur laut und deutlich genug artikulieren? Ein kleines Kind, das schreit, wird umgehend gestillt. Es schreit, weil ihm etwas fehlt. Es schreit, weil es friert, weil es Hunger oder Durst hat, weil es ihm zu laut, zu unruhig, oder zu hell ist. Ein kleines Kind kann seine Bedürfnisse noch nicht selber stillen. Und so ist es die Aufgabe der Großen, es an die Hand zu nehmen, und zu erspüren, welche Bedürfnisse es hat.

Die Adventszeit, die Zeit des Wünschens und Wartens . . .

Jedes Kind wird größer, und so bleibt es nicht aus, dass es seinen eigenen Willen entwickelt. Ihn erprobt es an der Welt — und erfährt beträchtlichen Widerstand. So muss es langsam, aber sicher die Erfahrung machen, dass die Bäume auf der Erde nicht in den Himmel wachsen — doch dem Himmel entgegenstrecken — ja, das darf, das soll, das muss es, wenn es glücklich werden möchte! Nicht jeder Wunsch geht in Erfüllung, und auch bei weitem nicht so schnell, wie’s Kinder nun mal gerne hätten. Da muss man sich mit seinem heiß und innig ersehnten Laufrad schon mal bis zum nächsten Geburtstag gedulden, und mit den Fingern zählt man am Adventskranz jede Kerze, die schon brennt; ist’s endlich Heilig Abend, so kann man’s kaum erwarten, bis es so weit ist —— hurra, Bescherung! Fröhlich klatschen Kinder in die Hände, und ihre Augen glänzen wie die silbernen Kugeln, die am festlich geschmückten Christbaum hin- und herschwanken, trunken vor all der Herrlichkeit und Pracht.

Ist diese Treppe, die sprichwörtlich „in den Himmel führt”, nicht ein schönes Symbol für das Höherstreben der Seele?

Dein Wunsch sei mir Befehl! Das ist der Ruf des Lebens, der in jedem von uns widerhallt.

So wie wir alle rufen,
so schallt es uns zurück.
Und führt uns, auf den Stufen,
hinauf zum Lebensglück.

Stufen steigen ist mühsam. Als Kinder hatten wir unsere Lieblingsplätze im Wald, wo wir unsere Baumhütten bauten. Einer dieser Plätze lag auf dem felsigen Schloßberg, und der Zugang war eine unglaublich steile und ausgetretene Sandsteintreppe, die sich Himmelsleiter nannte. Wollten wir dem Himmel näher kommen, so mussten wir also Stufe um Stufe erklimmen, schön vorsichtig und konzentriert. Zum Glück gab es auf einer Seite ein Eisengeländer, an dem man sich festhalten konnte. So ging alles gut, und wir kamen heil hinauf und auch wieder herunter.

Dein Wunsch sei mir Befehl! Wir sollten darauf vertrauen, dass es das Leben gut mit uns meint, und uns gern an die Hand nimmt, um uns den Weg zum Licht zu weisen — doch sind wir auch bereit, die Hand dem unsichtbaren Band entgegenzustrecken? Das Band ist immer für uns da, wie die Rettungsleine eines Schiffs. Es wartet nur darauf, dass wir es ergreifen.

Dein Wunsch sei mir Befehl! Wie glücklich können wir nun sein, wenn unsere Wünsche in Erfüllung gehen? Mein brennender Herzenswunsch ist momentan, mehr über das zu erfahren, was man das kleine ICH oder das kleine EGO nennt; warum? Weil ich immer deutlicher spüre, dass dieses „ich, ich, ich!” mich gefangen hält, und mich abhängig macht von Anerkennung, Lob, und Zuwendung durch andere. Es trennt mich von der Liebe, die ich schenken möchte. Es ist, als ob es immerfort auf alles, was ich tue, einen Schatten wirft, der das reine, helle Licht der wahren Liebe trübt.

Szenenwechsel. Dein Wunsch war mir Befehl! tönt es von „oben”. Da haben wir die Bescherung — und Heilig Abend ist’s noch lange nicht. Die Tagesschule lässt grüßen.

Tagesschule vom vergangenen Donnerstag, Chronologie der Ereignisse.

Rückblende, Zusammenfassung und Lernimpulse aus dieser Tagesschule:

  1. Was sind Positiv-Negativ-Prüfungen? Ich habe Ihnen mehrere „klassische” Positiv-Negativ-Prüfungen geschildert.
    • Das Schaltgetriebe, das sich in den Speichen festhakt.
    • Die Zugkontrolle am Morgen.
    • Der zerplatzte Eimer am Abend.

    Solche Positiv-Negativ-Prüfungen sind eine Art „Weichenstellung” für den Tag. Lassen wir uns die Freude am Leben durch derartige Mißgeschicke verderben? Seien Sie kein Spielverderber. Werden Sie eine positive Macht. Und Ihr Herze lacht. Wir können nur dann dauerhaft glücklich sein, wenn wir lernen, in allen Geschehnissen, so unangenehm sie auch zunächst sein mögen, das Positive, das Geschenk zu sehen. Positiv-Negativ-Prüfungen erleben wir häufig in den ersten zwei Stunden nach dem Erwachen; doch auch zu späterer Stunde, wenn unsere Seele es benötigt.

  2. Wir unterliegen in unserem Verhalten, und damit einhergehend, in unserer gesamten seelischen Entwicklung, dem Gesetz von Ursache und Wirkung, dem sogenannten Kausalprinzip. Durch jede von uns getroffene Entscheidung wird ein weiteres Glied an die Kausalkette angehängt. Beobachten wir die Ereignisse unserer Tagesschule, so können wir die Kausalkette zurückverfolgen; am leichtesten geht das, wenn wir bewußt und wach im Hier und Jetzt sind, und uns auf die kausalen Zusammenhänge mit dem Vortag beschränken.
    • Störungen, Ärger, Mißgeschicke, Niederlagen?
    • Belohnungen, Geschenke, freudvolle Gefühle, mehr Energie als gewöhnlich?

    Wir brauchen nur zu fragen. »Warum? Was ist der Grund? Was war gestern?« Wenn Sie sich den gestrigen Tag vergegenwärtigen, dann verstehen Sie besser, was heute in Ihrer Tagesschule läuft — und was Sie Ihnen sagen möchte.
     
    Einige Beispiele aus der geschilderten Tagesschule:

    • Der Auftakt der Mißgeschicke: Die Mütze, die meinen Kopf schön warm hält – und mir Geborgenheit gibt – wird von einem Zweig vom Kopf gefegt. Und gestern? Zwei Situationen kommen mir, wo ich bewußt gegen die Intuition meinen Kopf, meinen Willen durchgesetzt habe.
      Die Arbeit umgehend abbrechen, wenn es Zeit zum Essen ist? Fehlanzeige. Ich hätte diese Möglichkeit gehabt. Ich liess den Körper hungern, ihm mangelte Geborgenheit, und damit auch der Seele, denn die beiden gehen immer Hand in Hand. Die Sache mit der Mütze weist mich darauf hin.
    • Die zweite Situation vom Vortag schwor die schweren Mißgeschicke bis zum späten Abend herauf. Ich will, ich will, ich will! Ich wollte unbedingt einen Artikel fertigstellen, und es zog sich hin; ich war müde, das Konzentrieren wurde zur Qual, und ich musste noch vor Ladenschluss zum Einkaufen. Doch es fehlte nicht mehr viel. Alles in mir spannte sich an. Druck baute sich auf. Nicht umsonst sagt man umgangssprachlich »Das drücken wir noch durch!« Und so drückte ich die Sache durch. Mit flatternden Nerven. Wider besseren Wissens. Es war nur eine Viertelstunde. Doch sie schlug die Wunde, die, mit Salz und Essig bestreut, am darauffolgenden Tag mir höllisch brennen sollte.
      Der nächste Morgen: Druck, Druck, Druck, Anspannung, flatternde Nerven, alles, was schief gehen kann, geht daneben; in der Viertelstunde, bis der Zugkontrolleur mich zum Sitzen und Innehalten zwingt, spüre ich förmlich, wie mein Körper Stresshormone und Adrenalin ausschüttet, und von Säuren überschwemmt wird (umgangssprachlich: »Es war mal wieder alles Essig . . .«).
      Will ich das? Ist das Selbstliebe? NEIN. NEIN, und nochmals NEIN.
      Wunderbar. Damit hat die Tagesschule ihr Ziel erreicht. Sie führt uns die Konsequenzen unserer Entscheidungen vor Augen — in der Hoffnung, dass wir begreifen, dass sich Glücklicher zu werden mehr lohnt als Unglücklich zu bleiben. Die Tagesschule hilft uns, mehr und mehr uns selbst zu erkennen. Sie spiegelt unsere Entscheidungen des Vortags. Manchmal tut’s weh, oft ist es lustig, und immer sehr, sehr originell.

      Da war doch noch die Sache mit der Bierhefe? Die Krönung

      Mißgeschicke werden uns geschickt, damit wir ihre Botschaft lesen.

      des Tages. Bierhefe, ein Wundermittel für die Nerven. Doch kein Alibi und auch kein Freibrief, um sich und seine Nerven permanent zu überlasten. Peng! Da liegt der Eimer mit der Hefe im Schlamm. Bierhefe packt die Nerven in Watte. Meine liegen blank. Am Boden. Wie die Hefe, die jetzt den Waldboden düngt.

      »Ein Loch ist im Eimer, Karl-Otto, Karl-Otto /
      Dann stopf es, oh Henry, oh Henry /
      Womit denn, Karl-Otto, Karl-Otto . . .«
      so tönt die alte Leier. Zeit, etwas zu ändern.

Was ist die Rettung?
Die Rettung ist der positive Wunsch.

»Wie lange willst du denn noch mit dem Kopf durch jede Wand? Reichen dir die Schmerzen und Blessuren, die du dir in deinem Leben zugefügt hast, immer noch nicht aus?«

»Hmmmmmm . . .«

»Möchtest du glücklich sein? Möchtest du gut zu dir sein? Tut dir Geborgenheit gut?«

»Jaaaaaaaaa!«

»Dann schenk sie dir! Beginne bei dir selbst.«

So lassen wir sie heilen, unsre Wunden. Und lassen wir es ziehen, in Frieden, unser Ego, unser kleines ICH. Eines Tages brauchen wir’s nicht mehr, weil wir erkennen, dass wir’s wert sind, uns auszusöhnen mit uns selbst; und dann beginnen wir, als Licht zu strahlen, um das zu sein, was wir in Wahrheit sind: Gottes Kind.

post scriptum: Teilt die Erlebnisse eurer Tagesschule mit anderen! Berichtet davon im Forum. Gemeinsam lernen ist einfach effektiver, und wir alle haben dann mehr Freude . . .




Sturheit unter der Lupe - mein 17333. Tag


Wie würden Sie antworten, wenn Ihnen jemand folgende Frage stellt:

»Sind Sie stur?«

it Sturheit identifizieren wir uns nicht so gerne, oder? Es fällt uns schwer, den Begriff der Sturheit zu umschreiben, und noch viel mehr, Sturheit an uns selbst wahrzunehmen. Dagegen ist es geradezu ein Kinderspiel, sture Verhaltensweisen bei anderen Menschen zu erkennen, und sich darüber zu ärgern. Redewendungen wie „So ein sturer Bock aber auch!” legen ein Zeugnis davon ab.

Vorsicht Spiegelung! Wer sich bereits ein klein wenig mit dem Spiegelprinzip auseinandergesetzt hat (»Wie außen, so innen«; siehe Spiegelgesetze), der wird sich einer Beurteilung anderer Menschen zu enthalten versuchen; denn er ahnt, dass die Sturheit, die er an seinem Gegenüber wahrnimmt, letztendlich zu ihm selbst gehört.

Wenn du den Zeigefinger auf andere richtest, zeigst du dann nicht auch auf dich selbst? Ein Finger deiner Hand zeigt von dir weg, und vier Finger zeigen auf dich. Probier es einfach aus.
 
Jesus gebraucht für diesen Zusammenhang ein klares Bild:
 

»Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge?«
 
Matthäusevangelium, Kp. 7,3

Also gut. Wir entscheiden uns für den schwierigeren, doch seelisch weitaus lohnenderen Weg: wir machen uns auf die Suche nach dem Balken im eigenen Auge, dem Balken, der uns seelisch blind macht; er symbolisiert nichts anderes als unsere falsche seelische Sicht.

„Ich will! Ich will! Ich will!”

»Des Menschen Wille ist sein Himmelreich!«
». . . und auch sein Höllenreich!«

 

so müssen wir ergänzen, wenn wir die ganze Wahrheit zu erfassen suchen.

Sturheit ist nichts anderes, als in den kleinen Entscheidungen des Alltags überwiegend seinen eigenen Willen durchzusetzen, entgegen der feinen Stimme der Intuition, die oftmals etwas anderes von uns fordert. Wir müssen lernen, unsere Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen zu überprüfen.

„Ich will! Ich will! Ich will!”
„Soll ich?”
„Sollte ich wirklich?”
 

Wer sich in Entscheidungssituationen leichten Herzens von seinem eigenen Willen verabschieden kann, der hat mit Sturheit keinerlei Probleme, denn er kann etwas, was mir schwerfällt:

das Kapitulieren.

Wie schön, dass es die Tagesschule gibt! Mit ihrer Hilfe können wir den Balken im eigenen Auge erkennen. Erkennen wir die Tagesschule, erkennen wir in ihrem Spiegel mehr und mehr uns selbst. Selbsterkenntnis aber ist es, was uns Flügel verleiht.

So will ich euch nun ein wenig von meiner Tagesschule erzählen, damit ihr besser versteht, wie sie mit uns arbeitet.

Es ist Ende November, die Lebenssäfte sind aus den Bäumen gewichen, und die Forstverwaltung hat jetzt alle Hände voll zu tun. Die Motorsägen kreischten in den vergangenen Tagen um die Wette, und manchmal drang der dumpfe Aufprall einer mächtigen Tanne an mein Ohr. Mein Freund, der Baum, ist tot; er starb im Morgenrot . . . (erinnern Sie sich noch an das schöne Lied, das die Schlagersängerin Alexandra Ende der sechziger Jahre gesungen hat?)

Heute (bezieht sich auf Donnerstag letzter Woche) muss ich zum Unterrichten, und meine Fahrradstrecke führt einige Kilometer durch den Wald. Zwei Möglichkeiten gibt es, den Berg hinauf, und oben am Hang entlang, oder in mittlerer Hanglage immer leicht ansteigend bis zur Hochfläche. Für gewöhnlich nehme ich den unteren Weg, weil er weniger Kraft kostet, als der obere.

Schon vergangene Woche kam ich in Schwierigkeiten: ohne Zeitreserve eingeplant zu haben, stand ich vor einem rotweiß gemusterten Band, und einer Warntafel mit der Aufschrift „Vorsicht Forstarbeiten! Durchgang verboten. Lebensgefahr!” Ich stand still und horchte. Nichts war zu hören, außer dem Schweigen des Waldes. Ein Blick auf die Uhr. Die Zeit war knapp kalkuliert. Ich ging über alle Warnungen hinweg, und beschwichtigte diese noch mit Gedanken wie „das war doch schon so oft, dass tagelang die Absperrung nicht entfernt wurde, obwohl alle Baumfällarbeiten längst abgeschlossen waren”. Doch so ganz wohl fühlte ich mich nicht in meiner Haut, als ich den Weg entlangradelte. 2/3 der Waldstrecke lagen bereits hinter mir, und ich begann schon zu triumphieren: »Siehst du wohl, ich hab es doch gewusst!« — da versperrte mir eine gefällte Kiefer den Weg. Ich stolperte mit dem geschulterten Fahrrad über die sperrigen Äste und das dichte Nadelkleid, und schaffte es mit Müh’ und Not, schwitzend und keuchend, über den Stamm hinwegzukommen.

Szenenwechsel, gleiches Spiel, eine Woche später: klug geworden aus der vergangenen Woche? »Ob sie den Baum wohl inzwischen weggeräumt haben? Heute mache ich es clever. Ich nehme den oberen Weg.«

Nicht zu übersehen: ein Warnsignal.

Zuerst muss ich schieben, ein schmaler, ansteigender Fußpfad. Ein roter Handschuh liegt am Boden, nicht zu übersehen. Er springt mir direkt ins Auge, als ob er mir etwas sagen wollte. »Weiter! Keine Zeit verlieren!« Doch wenige Meter danach ist der Weg zu. »Zum Glück nur kleinere Bäume und Äste! Da kommst du durch! Es ist nicht mehr weit bis zum Hauptweg! Ich muss unbedingt zur Brauerei, um Bierhefe zu holen!« — ich hatte telefonisch eine feste Uhrzeit zum Abholen ausgemacht. Und so schultere ich erneut das Rad, um mich durch das Dickicht zu kämpfen, mit zitternden Beinen. Endlich stehe ich auf dem Hauptweg. Alles scheint frei zu sein, und keine Absperrung ist zu sehen. »Nichts wie los!« Ich trete in die Pedale, und bin fast durch, da —— blockiert ein Forsttraktor den gesamten Weg. Als ich mich vorbeigeschlängelt habe, schaue ich auf eine langgestreckte Tanne, die von zwei Forstarbeitern bearbeitet wird. Entgeistert schauen wir uns gegenseitig an, und ich gerate in Erklärungsnot. »Ich bin an keiner Absperrung vorbeigekommen . . . ich muss hier durch, muss dringend zur Arbeit . . .«»Und was ist, wenn Sie morgen tot sind?« antwortet mir der Arbeiter mit seinem orangefarbenen Schutzhelm auf dem Kopf. Es stellt sich heraus, dass ich nur deshalb nicht an der Hauptabsperrung vorbeigekommen war, weil ich zu Beginn der Fahrt jene Abkürzung gewählt hatte, die mich am roten Handschuh vorbeiführte. Als ich einwende, dass beide Wege gesperrt seien, klärt mich der Forstarbeite
r auf, dass der untere Weg inzwischen frei sei. »So ein Pech!« Doch dass ich auch umdrehen, zurückfahren, und den unteren Weg nehmen könnte, kommt mir gar nicht erst in den Sinn. »Ich will meine Bierhefe!« – das ist mein einziger Gedanke. Und so lotst mich ein Waldarbeiter mit der Motorsäge in der Hand durch den Wald, an der gefällten Tanne, die den Weg versperrt, vorbei. Die Zeit drängt immer mehr, ich schwinge mich in den Sattel, und erhöhe nach und nach die Geschwindigkeit, bis die Umgebung nur so an mir vorbeifliegt. »Was ist denn das?« Bevor ich es richtig realisieren kann, und in die Eisen steige, macht es „rrrratsch!” – ich bin durch die Absperrung am anderen Ende des Waldwegs hindurchgebraust; das weißrote Schutzband ist zerrissen – es war aus Plastikfolie, Gott sei Dank. Auf den letzten Metern hinunter zur Brauerei begegnet mir ein Spaziergänger mit seinem Hund, wir grüßen uns. »Endlich da!« Ich schaue auf die Uhr. Es ist eine Viertelstunde später als telefonisch avisiert. Die Tür ist abgesperrt, es macht niemand auf, das Auto des Brauereimeisters ist nicht zu sehen. »Bierhefe ade!« Ich stehe da, und ——— stehe still. Endlich. 5 Minuten vor 12. Endlich begreife ich, dass es so nicht weiter geht. Eigenmächtig handeln, meinen Willen durchsetzen, koste es, was es wolle, und wenn man sein eigenes Leben dabei aufs Spiel setzt? Wie sagte der Forstarbeiter? »Und was ist, wenn Sie morgen tot sind?« Habe ich danach gefragt, was heute wirklich dran ist?

Nachdenklich radle ich zum Unterricht weiter, zuerst ein Stück den selben Weg zurück; die heutigen Erlebnisse gehen mir durch den Kopf, und auch die zurückliegenden Wochen. Überdeutlich spüre ich, dass ich aus dem Lot geraten bin, mich vollkommen überlastet habe, und mehr und mehr mit dem Kopf durch die Wand gegangen bin, ungefragt und ungeprüft. »Dein Wille geschehe!« Von wegen. Mein Wille war geschehen. Die Konsequenzen? Ein Tag wie heute, und das tagtäglich?? Nein danke, dass muss ich mir nicht geben. Leben will ich, glücklich und gesund. Ich versuche, mir selbst zu vergeben. Endlich kann ich wieder von Herzen wünschen, um Führung von „oben ” bitten — und darum, dass ich die Kraft finden möge, nicht blind zu handeln, sondern innezuhalten, um meine täglichen Entscheidungen sorgfältiger zu überprüfen. »Wen seh ich da, den kenn ich doch?« Ich komme an dem Spaziergänger mit seinem Hund vorbei, der auch mich wieder erkennt. Er nimmt wohl an, dass ich mich verfahren habe, und ruft mir zu: »dees isch dr richtige Weg!«

Sieh einer an! »Das ist der richtige Weg!« – übersetzt für die des schwäbischen Dialekts Unkundigen. Was ist der richtige Weg? Der Weg, der zu mehr Ehrlichkeit in unseren Entscheidungen und weniger Sturheit in unserem Verhalten führt — und weiter zur Selbsterkenntnis, zur Freude, zum Glück, zur Liebe, zum Seelenfrieden. Und wie sieht er aus, dieser Weg? Bitten, Wünschen, Fragen, Prüfen! Darauf vertrauen, dass es eine weise Führung gibt, die es gut mit uns meint. Und diese weise Führung hilft uns, indem sie uns den lieben langen Tag mit Geschehnissen konfrontiert, die wir selbst heraufbeschworen haben — nicht, um uns zu strafen, sondern um uns zu schulen, so dass wir erkennen können, ob wir objektiv betrachtet (aus höherer Warte) richtige oder falsche Entscheidungen getroffen haben. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns darum bemühen, unsere Tagesschule zu erkennen, und aus ihr lernen. Das hilft der Entfaltung unserer seelischen Werte enorm.

Zusammenfassung meiner Erkenntnisse aus der geschilderten Tagesschule:

  1. Wenn wir immerzu eigenmächtig (stur) entscheiden, werden wir auf die falsche Fährte gelockt; wir werden „blind” für die Wahrheit, und können den richtigen Weg nicht mehr vom falschen Weg unterscheiden.
    Wer stur an seinem einmal eingeschlagenen Weg festhält, verliert seine Fähigkeit, zu kapitulieren. Und immer gibt es Alternativen, die jedoch nur der erkennen darf, der bereit ist, sein Handeln jederzeit zu hinterfragen.
    • Erste Alternative: der untere Waldweg wäre frei befahrbar gewesen.
    • Zweite Alternative: wäre ich nicht zur Brauerei gefahren – was nichts gebracht, und nur Zeit, Nerven, und Energie gekostet hat – so wäre genügend Zeit zum Umdrehen gewesen, um entspannt auf dem unteren Weg, der ja frei war, zum Ziel zu gelangen.

    Wie sagte Friedrich Nietzsche in weiser Erkenntnis: „Viele sind hartnäckig in Bezug auf den einmal eingeschlagenen Weg, wenige in Bezug auf das Ziel.”

  2. Zweimal geriet ich mit dem Fahrrad auf den „Holzweg” – ein Symbol für die Sackgassen, in die man gerät, wenn man längere Zeit unehrlich (entgegen den Warnungen seiner Intuition) gehandelt hat.
  3. Wir erhalten Warnungen, wenn wir dabei sind, Fehlentscheidungen zu treffen. Der rote Handschuh signalisierte mir: STOP – Sie sind auf dem falschen Weg; ebenso das durchstoßene und zerrissene Absperrband, das mir signalisierte, dass ich wichtige Gebote missachtet und überschritten hatte.
  4. In den Äußerungen und Handlungen anderer Menschen, die von dem, was in unserer Tagesschule läuft, nichts ahnen, stecken häufig Schlüsselbotschaften für uns. Menschen, denen wir begegnen, bekommen zur rechten Zeit das Gefühl für das rechte Wort, das bei uns „den Groschen fallen lässt” (Synchronizität der Ereignisse) – doch nur, wenn wir von uns aus positive Neugier entwickeln, und auch wirklich dahinter kommen möchten. Meine Schlüsselbotschaften waren also:
    • Warnung, dramatisch (die mögliche Konsequenzen der Sturheit aufzeigt): »Und was ist, wenn Sie morgen tot sind?« (Forstarbeiter)
    • Bestätigung einer Veränderung meiner inneren Einstellung durch positives wünschen: »dees isch dr richtige Weg!« (Spaziergänger)




Mein 17323. Tag
• Laterne, Laterne, Sonne, Mond und . . . blauer Himmel natürlich! •


ie Sterne überlassen wir den Kindern, die in der Abenddämmerung mit glänzenden Augen und leuchtenden Laternen in den Händen ihre Lieder anstimmen — jedes Kind ein Sternlein, das Licht hinausträgt, in die dunkle Welt.

Laternen leuchten für gewöhnlich, wenn es dunkel ist, denn das ist schließlich ihre Aufgabe: Licht ins Dunkel zu bringen.

Stört Sie das Blinken? Sie können die Laterne ausschalten – mit einem Mausklick.

Um so mehr fühlte ich mich heute gestört, am helllichten Tag die Straßenbeleuchtung brennen zu sehen. Ein Blick aus dem Küchenfenster genügt, um den Kopf zu schütteln. »Welche Energieverschwendung! Merkt das denn keiner? Alle reden vom Sparen, doch in der Praxis . . . «

Der Vormittag vergeht. Die Sache interessiert mich. Immer wieder ein Blick hinaus — die Straßenlampen brennen um die Wette, bei blauem Himmel und herrlichstem Sonnenschein. »Sollte ich vielleicht mal bei der Stadtverwaltung anrufen?« »Nein! Du solltest deine Tagesschule erkennen.« Betretenes Schweigen meinerseits.

Nach dem Mittagessen zieht es mich ein paar Schritte hinaus. Herrlich, die Sonne auf der Haut! Es ist mild, ich trage nicht einmal eine Jacke. Ich gehe unter den brennenden Straßenlaternen entlang, der gestrige Tag zieht noch einmal durch mein Gemüt. Es war ein Tag, der enorm an meinen Nerven gerüttelt hat. Das eine kam zum anderen hinzu, und irgendwann platzte mir der Kragen. Meine Sicherung brannte durch, während eines Telefonats. Der Grund meines Zorns war das Geschäftsgebaren eines Unternehmens, doch entlud er sich — wie immer — an der falschen Person. Ich hätte es gerne ungeschehen gemacht. Danach kam ich einfach nicht mehr zur Ruhe, angespannt lag ich abends im Bett. Schwere Sorgen trieben meine Gedanken ohne Unterlass im Kreis herum. Ich konnte den Ausstieg aus dem Sorgenkarussell nicht finden. Meine Batterien waren restlos entleert. Alle Energie verbraucht, verraucht und verpufft in dem Ärger, den ich an der Supportmitarbeiterin abgelassen hatte. Gedankenverloren gehe ich meine Runde, überlege . . . was ist das mit den Lampen für eine Tagesschule?

Die Synchronizität der Ereignisse, in die wir eingebunden sind, zeugt von der unglaublichen Präzision der Tagesschule.

Kurz vor der Haustür bin ich dann perplex: ich wende meinen Blick nach allen Seiten — die Straßenlaternen sind aus! Mir geht ein Licht auf. Gestern war mir die Sicherung durchgebrannt — und wer brennt durch, am heutigen Tag? Die Straßenbeleuchtung, sieh mal einer an! Ich hab’s erkannt, und somit brauchen auch die Lampen nicht mehr zu brennen.

Nicht, dass Sie mich falsch verstehen: ich habe nicht dafür gesorgt, dass die „verschwenderi-
sche” Festbeleuchtung abgeschal-
tet wurde, aber mein Gemüt ist mit allem, was um mich herum geschieht, verbunden — und wird mit den Geschehnissen des Tages perfekt synchronisiert. Das heißt, ich bekam genau zum richtigen Zeitpunkt das Gefühl, an die Sonne hinauszugehen, den Fotoapparat mitzunehmen, mir Gedanken über den gestrigen Tag zu machen, und . . . erhielt synchron mit dem Abschalten der Straßenbeleuchtung die Hilfe von „oben” in Form von Denkanstößen, um die Zusammenhänge der Tagesschule zu erkennen. Hat man die Ursache für störende Gefühle erkannt, dann verschwinden sie sogleich. Eine Spiegelung im Äußeren wird damit hinfällig, die Lampen brauchten also nur so lang zu brennen, bis ich hinter mein gestriges Fehlverhalten kam.

Ich habe mir vergeben — für meine übertriebene Emotionalität — und dem Unternehmen für sein Geschäftsgebaren, das mich zur Raserei gebracht hatte. Ich kann nur dankbar dafür sein, denn ich habe aus diesen Geschehnissen gelernt. Eines Tages werde ich vollkommen ruhig und gelassen sein können, so dass mich nichts mehr aus der Fassung bringt, auch wenn es um mich her gewaltig stürmt und tobt.