Quellenkunde - mein 17301. Tag


uelle ist tot. Die Kuh, die schon länger kaum mehr Milch von sich gab, wird nun endgültig geschlachtet. Der Ausverkauf läuft auf vollen Touren. Aus und vorbei, der Traum von einer gesicherten Zukunft – für tausende von Mitarbeitern und zahlreiche Dienstleister, die dem Versandhaus, eine Institution seit Jahrzehnten, zugearbeitet hatten. Ein Alltagsfall, wie jede andere Insolvenz auch? Ja und Nein. Es ist das Symptom einer Krankheit, an der Millionen von Menschen bei uns leiden: ein Virus mit dem Namen „Undankbarkeit”. Die Schnäppchenjäger grüßen.

Am Samstagmorgen um sechs Uhr in der Früh’ begann die Schlacht um die günstigsten Angebote; schon kurz darauf gingen die Server in die Knie. Innerhalb kurzer Zeit legten Millionen von Anfragen das Netzwerk lahm, und das, obwohl die Netzwerktechniker in weiser Voraussicht die zur Verfügung stehende Hardware aufgestockt hatten.

Prozente!   10%! 20%! 30%!   Darf ’s noch ein bißchen mehr sein? Wir haben uns doch längst an den Rabatt von   70%!   gewöhnt, wie er beim Sommerschlußverkauf seit Jahren gang und gäbe ist. Das Resultat ist ein gewaltiger Scherbenhaufen: Überschuldung und eine aufgeblähte Wirtschaft, die sich gesundschrumpfen muss, bis wieder ein vernünftiges Maß erreicht ist. Bluten muss bei diesem Prozess die ganze Gesellschaft, auch derjenige, der mit seiner zur Verfügung stehenden Energie nicht zur allgemeinen Schuldenanhäufung beigetragen hat. Entscheidend ist die Frage: lernen wir aus der Misere irgendetwas dazu, oder nicht? Wir müssen die Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung vollkommen verstehen, wenn wir es in Zukunft besser machen wollen.

Dankbarkeit und Wertschätzung heißen die Werte in unserer Seele, die wir von neuem lernen müssen. Wer nicht bereit ist, einen angemessenen Betrag für ein Produkt zu bezahlen, kann weder die Rohstoffe, noch die Mühe, geschweige denn die Arbeitszeit oder gar die gesamte Lebensenergie, die in einer Ware stecken, wirklich schätzen.

Fehlende Wertschätzung für das, was man hat – auch wenn es im Materiellen vielleicht gering erscheinen mag – führt mit der Zeit dazu, dass man immer mehr haben möchte. Dieser Hunger ist unstillbar, und kann sich bis zur Konsumsucht ausweiten. Katalogblättern, Einkaufsbummeln, Shoppen gehn? Das kann nicht funktionieren. Man versucht sich damit eine Ersatzbefriedigung zu verschaffen, doch die innere Undankbarkeit, sie bleibt – und die Seele leidet weiterhin.

„Shoppen” wirkt wie eine Tablette. Man wirft sie bei Beschwerden ein, und betäubt damit die Schmerzen für eine gewisse Zeit. An den Ursachen der Schmerzen verändert das Betäubungsmittel allerdings nicht das geringste.

Menschen, die diese unersättliche Gier nach mehr entwickeln, beginnen dann oft, Ausgaben auf Pump zu bestreiten – in der trügerischen Hoffnung, dass sich an ihrer persönlichen Situation schon nichts verändern werde. Doch Leben ist ein dynamischer Prozess, und stetige Veränderung ist das Kennzeichen jeglicher Weiterentwicklung – das Universum duldet niemals Stillstand, denn es müsste daran zugrunde gehen (Urgesetz)!

Auf Pump finanzierte private Ausgaben sind also genauso wie kreditfinanzierte wirtschaftliche Investitionen eine Spekulation auf die Zukunft, ausgehend von der momentanen Situation. Spekulieren ist jedoch äußerst riskant und deshalb unerwünscht im Universum — denn Sicherheit und Geborgenheit stehen dort an allererster Stelle. Das ist auch der Grund, weshalb jegliche Erwartungshaltung enttäuscht werden muss, und so kommt es immer anders, als man denkt. Schnell sitzt man dann in der Bredouille.

Glauben Sie etwa, dass nur das System, die Wirtschaftsmanager, oder die Politiker die Verantwortung für die gegenwärtige Situation tragen? Irrtum! Sie handeln vollkommen gemäß unserer Stärken und Schwächen, als getreues Spiegelbild der Gesamtheit aller seelischen Entscheidungen aller Staatsbürger. Steht nur ein einziger Staatsbürger privat in der Kreide, so muss auch der gesamte Staat in der Kreide stehen. Wie unten, so oben – wie innen, so außen – Mikrokosmos gleich Makrokosmos – eine uralte Erkenntnis, die sich in allen Erscheinungen unseres Daseins wiederspiegelt.

»Tausend Wünsche, eine Quelle?«

Ein weiser Spruch, den da findige Werbetexter für den ehemaligen Katalogriesen kreiert haben, und wir sollten ihn uns zu Herzen nehmen: für all unsere Wünsche gibt es nur eine einzige Quelle, und das ist die, aus der alles Lebendige entspringt – GOTT, der Urgrund allen Seins. Wenn unsere Quellen derzeit mehr und mehr versiegen – die Finanz- und Wirtschaftskrisen halten uns den Spiegel selbstsüchtigen Verhaltens vor – so ist es an der Zeit, unsere Einstellungen und Verhaltensweisen gründlich zu überprüfen. Treffen wir die notwendigen Veränderungen, noch bevor alle Quellen zum Erliegen kommen! »Wer die Stunde des rechten Lebens hinausschiebt, gleicht nur dem Bauern, der darauf wartet, dass der Fluss versiegt, ehe er ihn überquert«. So schrieb der römische Dichter Horaz schon vor gut zwei Jahrtausenden.

Dankbarkeit ist eine Tugend, und dankbarer werden kann man für so vieles, so klein es auch sei. Machen Sie Dankbarkeit zu Ihrer Herzenssache! Erst mit Dankbarkeit im Herzen erschließt sich uns die ganze Fülle unseres Daseins, und dann läuft sie wieder, unsere Quelle, an deren Tropf wir unumstößlich hängen; munter sprudelt sie, in einem fort — für den, der »Danke!« sagen kann.




• Bitte lächeln • - mein 17288. Tag


eute will ich Ihnen von einer Begegnung mit zwei Menschen aus der ehemaligen DDR erzählen, die nun schon einige Wochen zurückliegt, und über die ich lange nachgedacht habe. Diese Begegnung fand an einem eben so schönen wie ungewöhnlichen Ort statt: auf einer bayrischen Hochalm im Liegestuhl vor dem herrlichen Panorama der Alpspitze, deren ebenmäßige Pyramidenform die Strahlungswellen aus dem Kosmos reflektiert, und bis hinüber in das Ammer- und das Estergebirge wirft; schützend hält sie ihre Hand – über’s ganze Land, das sie um fast 2.000 Höhenmeter überragt.

 

Ich hatte gute eintausend Höhenmeter mit dem Radl hinter mir, und Hunger wie ein Wolf. Mein Proviant war etwas spärlich ausgefallen, in der Hoffnung, die Last auf meinem Rücken etwas zu verringern. So war ich denn heilfroh, dass ein älteres Ehepaar auf den benachbarten Liegestühlen, zwee waschechte Bälinää, mich sogleich als notorischen Hungerleider ausjekiekt hatten.

„Brich mit dem Hungrigen dein Brot”, so fordert es die christliche Barmherzigkeit, und diese beiden haben reichlich es an mir getan – obwohl sie sich, wie später ich erfuhr, als überzeugte Atheisten offenbarten.

Die lebhafte Frau, die mich beiläufig nur gefragt hatte, «wat icke denn so mache», war jantz hin und wech, als sie vernahm, dass ich ausgebildeter Kirchenmusiker sei. Die Lunte war gelegt; unser Gespräch gewann an Tiefe. Nachdem ich Schweinshaxe und Rippchen dankend abgelehnt hatte, und mir statt dessen Käse, Radi und die Petersilie gut munden ließ, musste ich erst einmal mein ganzes Leben auf der Hochalmwiese ausbreiten: «wie kommt een vernünftijer junger Mann wie Sie dazu, keen Tierchen mehr zu essen? Also, dat versteh ick ja nu wirklich nich.» So hörten Sie andächtig zu, und ernster wurden ihre Mienen. Als nun die Vorzüge fleischloser Kost erschöpfend abgehandelt waren, betraten wir, und just zu diesem Zeitpunkt war es nur ein kleiner Schritt, den Boden, der voll Tücke ist – denjenigen des Glaubens und der Religion. «Nu’ saachen se mal, warum lächelt denn der Jesus nie an seinem Kreuz? Det is ja wirklich fürchterlich! Wir ham vor kurzem eene Kirchenführung mitjemacht, un ooch der Führer konnt es uns nich’ sagen». – «Ja, warum lächelt denn der Jesus nicht, am Kreuz, das wir ihm schlugen? Hätten Sie denn an seiner Stelle wohl gelacht?» – Ich konnte dieser Frau keine befriedigende Antwort geben.

Inzwischen kann ich diese beiden sehr viel besser noch als damals auf der Alm verstehen; sie haben mir enorm geholfen, die Mentalität der Menschen aus der ehemaligen DDR besser zu begreifen. Diese vierzig Jahre hinter Mauern waren für die Menschen, die dort inkarnierten, eine Vorbereitung auf das, was damals sie – vom Sozialsystem umsorgt – kaum kannten, doch heute um so mehr beherzigen müssen: Eigenverantwortung im Denken und Entscheiden, Entscheidungen dann gründlichst hinterfragen – sich selbst auf beide Hinterfüße stellen, sich frei machen von jeglichen Erwartungen – und endlich bei sich selbst anfangen, wenn’s denn nachhaltig besser werden soll.

Und Jesus, warum lächelt er denn nicht? Weil viele Menschen ihn, den Freudenspender, voller Fröhlichkeit im off’nen, weiten Herzen, immer noch so gern als Leidensträger sehen wollen. Herrjeh, zerknirschte Sünder! Am Kreuz ist er gestorben, damit uns unsre Sünden all’ erlassen sind – auf dass du bleiben könntest, wie du bist, mein allzu blau geäugtes Kind? Ein Irrtum, der dem Gang der Geschichte für Jahrhunderte ein unverwechselbares Antlitz gab – ein häßliches, gequält und schmerzverzerrt.

Jesus Christus ist nicht für uns, sondern wegen uns gestorben. Die Dornen, die man ihm auf’s Haupt gewunden hat – sind sie wahrhaftig nicht ein stechendes Symbol der negativen Eigen-schaften, die wir in unsrer Seele tragen? Wir dulden sie oft allzu lange, mitunter gar ein ganzes Leben, und unter ihnen leiden alle Menschen, die mit uns jemals in Berührung kommen. So stellen Sie sich doch nur einmal vor, sie müssten ständig in die Stacheln eines Dornbuschs greifen! Genau so muss es Jesus mit den Menschen seiner Zeit ergangen sein, denn seine Seele war von allen Schwächen frei – und ist’s, und wird’s auch immer sein. Und wir? Wir müssen eines Tages dieses Ziel der Schwächenfreiheit ebenfalls erreichen, es führt kein Weg daran vorbei. Wir müssen unsre negativen Eigenschaften überwinden, um zum wahren Menschsein vorzudringen; begehret nicht, geliebt zu werden, so werdet vielmehr Liebende auf Erden! Mit Fröhlichkeit im Herzen, und Demut obendrein.

Was ist ein Liebender? Ein Liebender ist, wer sich selbst erkennt. Und wem dies immer besser mit der Zeit gelingt, der darf getrost die Dornenkrone an den Nagel hängen.

Jesus lebt, und wir mit ihm! Er ist mitten unter uns. Für uns ist er geboren, zur Freude und als Vorbild. Ihm nachzufolgen, heißt, in seinen Spuren treu zu wandeln. ER geht den Weg uns weit voraus, der stets in allem tut den ersten Schritt.

Vielen Dank, Edgecombe, für deine Inspiration. Leider ist über dich als Künstler nichts im Internet zu finden. Deshalb ein Link zur Inspirationsquelle dieses Bildes: I Asked Jesus.




Ursachenforschung - mein 17259. Tag


an mag ihn mögen oder nicht, den Doktor Faust, der unserem Sprachmagier Goethe jahrzehntelang im Magen lag, bis er ihn schlußendlich doch noch verdaut bekam. Den Auswurf studieren wir in zwei Teilen, Faust I und Faust II, und wir staunen ob der seelischen Abgründe, die Goethe unserem inneren Auge eröffnet; Faust war ein Mensch aus Fleisch und Blut, doch hatt’ er auch den rechten Mut. Er wollte wissen, „was die Welt – im Innersten zusammenhält”. Und wenn er anfangs auch über Leichen geht – wir erleben das im ersten Teil der Tragödie mit Gretchen, dem Symbol der kindlichen Reinheit und Unschuld – so muss auch Faust für alle seine Taten büßen, und nur auf dem Pfad der Tugend kann er Läuterung erlangen, und so zu einem sinnvollen Werkzeug waltender Schicksalsmächte werden.

Die positive Neugier ist es, die mich bei Faust so fasziniert. Er interessiert sich für verborgene Zusammenhänge, und schaut sich die Welt genauer an, als es dem geschäftigen, oberflächlichen Blick des Alltagsmenschen für gewöhnlich zu eigen ist.

Das Drama um Doktor Faustus ist ebenso ein weit ausgreifender Weltenspiegel, wie es eine tief angelegte Seelenschau ist; es wird somit zum Bindeglied zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos, das die Seele als Wesenheit geistigen Ursprungs begreift, und unser irdisches Dasein im Zwiespalt zwischen Gewissen und Tat vollkommen durchschaut. Gleicht nicht oftmals unser Tasten durch das irdische Labyrinth, im Bannkreis ständiger Verlockungen und Gefährdungen, einem flackernden Irrlicht in der Dunkelheit, das sich einen Weg durch heimtückische Moore suchen muss? Wie leicht lassen wir uns durch mephistotelische Eingebungen unseres Verstandes¹ fehlleiten.

„Das also war des Pudels Kern!” lässt Goethe seinen Faust, den verwandelten Mephisto (Symbol für Hinterlist und Argwohn) erkennend, sprechen – und wohnt ein wenig dieses dämonischen Kerns nicht in jedem von uns? Wir müssen ihn in Schach halten, unbedingt – und unsere Energie auf die Entfaltung des göttlichen Kerns, der in jedem von uns angelegt ist, ausrichten.

Der Weg ist das Ziel: die hochgereckte Faust muss sich zum demütigen Bitten und Flehen öffnen – bei jedem Menschen, denn die Faust ist eine Begleiterscheinung unseres freien Willens.

Den Ursachen aller Dinge und Erscheinungen auf den Grund zu gehen bringt uns Erkenntnis über die Welt, und damit Erkenntnis über uns selbst, da die Welt uns einen exakten Spiegel vorhält. Welterkenntnis führt deshalb unweigerlich zur Selbsterkenntnis. Goethe’s unermüdlicher Forscherdrang ist ein berückendes Beispiel hierfür; das Motto seiner Lebensgestaltung gipfelte in einem einzigen Satz: „Willst du ins Unendliche schreiten, geh nur im Endlichen nach allen Seiten.”.

So hielt ich es gestern mit Goethe, und ging hin zu jener Seite, die sich Monbachtal nennt; ein Seitentälchen, das sich aufgrund seiner wildromantischen Schönheit einiger Bekanntheit erfreut. Da es angefangen hatte, zu regnen, suchte ich eine Waldhütte auf, ließ mich rücklings auf eine Sitzbank nieder, und schloss die Augen, da ich ein klein wenig müde war. Ich war durchaus nicht alleine – eine Gruppe „Indianer” hatte bereits einige Zeit vor mir in der Hütte Zuflucht gesucht. Unter der fachkundigen Anleitung einer „Squaw” bastelten die Kinder aus Kastanien, Ästchen und Federn alles, was ein Indianerherz erfreut – mit prächtigem Federnschmuck gezierte Häuptlinge, Pferde, Büffel, und allerlei andere Tiere. Es lag ein eigentümlicher Friede und eine sanfte Schwingung über den Bewohnern dieser Hütte, und ich fühlte mich den Menschen, die gegenüber am Tisch saßen, tief verbunden. Es fiel kein lautes Wort, und es wurde nicht gestritten. Selten habe ich Kinder so ruhig, und über längere Zeit konzentriert bei einer Sache verweilend, erlebt. Das elektrisierte mich – als Klavierlehrer erlebe ich Woche für Woche Kinder, die ganz anders sind – häufig nervös, leicht ablenkbar, unmotiviert und unkonzentriert.

Warum und weshalb? Wieso konnten die Indianerkinder so hellwach und voller Begeisterung bei der Sache sein, obwohl sie, ebenso wie in der Schule, von einer „Squaw” fachkundigen Unterricht erhielten, mit Ge- und Verboten? Ich fing ein Gespräch mit der Gruppe an, und es stellte sich heraus, dass es ein Kindergeburtstag war, der gebührend gefeiert wurde; mit Lagerfeuer, selbstzubereitetem Essen, und allem, was sonst noch dazugehört.

Die Liebe zur Natur leuchtete aus allen Gesichtern; die Physiognomie des Vaters mit breiten, sehr kräftigen, und hochgezogenen Wangenknochen verband sich in mir sofort mit dem Bild eines Indianers, der, auf seinem Pferd reitend, mit kraftvoll gespannten Sehnen einen Pfeil anlegt. Das Profil einer vergangenen Inkarnation war in sein Gesicht förmlich eingemeißelt.

Rasch fokussierte sich unser Gespräch auf das Thema Ernährung, und es bestätigte sich einmal mehr, was vielen Menschen nicht bewußt ist: dass das, was wir essen, nicht nur Wohl und Wehe unseres Körpers bestimmt, sondern auch das Wohl und Wehe unserer Seele! Über unser Verhalten teilt sich dieser Umstand auch anderen Menschen mit. Wer häufig Fleisch und Wurst isst, legt den Keim für Aggresivität und Brutalität, für Streitsucht und Rechthaberei tief in sich hinein. Diese Kinder, die mir durch den liebevollen gegenseitigen Umgang aufgefallen waren, erhalten nach den Aussagen der Mutter sehr wenig Fleisch und Wurst, nicht mehr als einmal jede Woche, und generell eine gesunde, vollwertige Ernährung. Und solche Kinder sind ein Geschenk!

Sie bilden das Fundament unserer Zukunft. Wie schön wird es sein, in einer Welt ohne Streit und Kritiklust, Besserwisserei und Schuldzuweisung zu leben, und als Teil einer großen „Mannschaft” an dem zu arbeiten, was auf Dauer einzig Sinn macht: Paradies unter den Menschen zu schaffen.

¹ In Goethes „Faust” wird die Faust zum Sinnbild unseres eigenmächtigen Willens, der gebrochen werden muss. Im Universum ist kein Platz für Menschen, die um jeden Preis mit dem Kopf durch die Wand gehen wollen.




Zunge hüten - mein 17247. Tag


er macht die Fehler? Immer nur die anderen?
Man sagt nicht von ungefähr „wer sich rechtfertigt, klagt sich an”.
Bei uns im Haus ist es gang und gäbe, dass man am Anfang einer neuen Woche das Kehrwochenschild eine Tür weiterreicht. Nachdem es bei mir hing, als ich vom Urlaub zurückkehrte, habe ich also Kehrwoche gemacht und das Schild weitergereicht. „Alles in Ordnung, erledigt!” – so dachte ich. Am nächsten Morgen: Klingeling, die Dame, der ich das Schild an die Tür gehängt hatte, steht mit in die Hüften gestemmten Armen vor meiner Tür. „Was das soll? Das mit dem Schild?” Ich wäre schon vor einer Woche drangewesen. Sie hätte die Kehrwoche bereits für mich gemacht. Auweia. Nichts genutzt – doppelt geputzt. Doch statt des ihrerseits erwarteten Dankeschöns für ihre Mühe erteile ich ihr eine Abfuhr: sie möge sich nicht in Angelegenheiten einmischen, die sie nichts angehen. Ich bin nicht sehr freundlich (wir sind uns seit Anbeginn nicht grün), rede mich heraus, und es fällt mir schwer, zuzugeben, dass es mein Fehler war.

Sie glauben nicht an kausale Zusammenhänge, an das Gesetz von Ursache und Wirkung? Am darauffolgenden Tag hatte ich mir beim Mittagessen am dampfenden Gemüseeintopf leicht die Zunge verbrannt. Ein Mißgeschick, wie es jeder Mensch erleben kann. Weshalb, warum, wieso? Das sind die wesentlichen Fragen, die man sich bei derartigen Gelegenheiten stellen sollte. Ist bei Ihnen jetzt der Groschen gefallen? Ich hatte am Vortag meine Zunge nicht im Zaum gehalten. Die brennende Zunge beim Mittagessen des darauffolgenden Tages erinnerte mich schmerzhaft daran. Und damit hat das Mißgeschick auch schon seinen Zweck erfüllt. Es kann demjenigen, der es erlebt, helfen, kausale Zusammenhänge mit dem Vortag aufzuspüren, um dadurch die Schattenseiten der eigenen Persönlichkeit besser kennenzulernen. Das aber ist die große Chance, eben diese Schattenseiten mit der Zeit zu überwinden – so wie beispielsweise meine Neigung, mich für gemachte Fehler zu rechtfertigen.




Banalitäten? Kausalitäten! - mein 17228. Tag


rster Gedanke heute morgen beim Erwachen: ich muss dringendst einkaufen gehen, habe rein gar nichts mehr im Haus, nicht einmal mehr Toilettenpapier – wie ich während einer „Sitzung” gestern mit Bestürzung festgestellt hatte. Ich schwinge mich aufs Rad, mit den Gedanken schon im Urlaub, bei Erholung, Entspannung und Aufladung – kaufe ein, was noch bis Sonntag einzukaufen ist, und mache mich auf den schweißtreibenden Rückweg, immer schön den Berg hinauf. Dann, kurz vor dem Ziel, fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Toilettenpapier vergessen, und einiges andere noch dazu! Puuh! Wenn das keine klassische Positiv-Negativ-Prüfung am frühen Morgen ist! Nichts zu wollen, ich fahre nicht noch einmal hinunter. Doch was ist der kausale Zusammenhang mit dem gestrigen Tag für solch ein Mißgeschick?

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht an Demenz leide – Vergesslichkeit war noch nie meine Stärke. Es scheint mir eher so zu sein, dass mir die Gedanken an das, was dringlich war, beim Einkauf nicht kommen durften – warum? Weil ich den Einkauf bis zuletzt verschoben hatte; von vorgestern auf gestern, und von gestern auf heute – frei nach dem Motto das Wesentliche zuletzt. Stur sein, so nennt man das auch. Natürlich, es ist anstrengend, bei hochsommerlichen Temperaturen die vollen Satteltaschen den Berg hinaufzukarren, doch es führt kein Weg daran vorbei. Einerlei, man muss im Leben auch einmal bereit sein, in den sauren Apfel hineinzubeißen. Äpfel – 2 Kilo habe ich jetzt wieder von ihnen zu Hause, doch so sauer sind sie gar nicht – süß und saftig, vom Bodensee. Und so verwandeln wir doch alles scheinbar Negative – im hellen Licht der rechten Sicht.