enn’s nicht gerade ein Drama wie Hamlet ist, gibt’s bei Shakespeare immer was zum Schmunzeln – etwa im Dialog des zweiten Akts der Widerspenstigen, als der Erbschleicher PETRUCHIO dem Objekt seiner Begierde, der spröden KATHERINA, zum ersten Mal gegenübersteht:
PETRUCHIO:
. . . Hearing thy mildness prais’d in every town,
Weil alle Welt mir deine Sanftmut preist,
Thy virtues spoke of, and thy beauty sounded,—
Von deiner Tugend spricht, dich reizend nennt,
Yet not so deeply as to thee belongs,—
Und doch so reizend nicht, als dir gebührt:
Myself am mov’d to woo thee for my wife.
Hat mich’s bewegt, zur Frau dich zu begehren. –
KATHERINA:
Mov’d! in good time: let him that mov’d you hither.
Bewegt? Ei seht! So bleibt nur in Bewegung,
Remove you hence. I knew you at the first,
Und macht, daß ihr Euch baldigst heimbewegt;
You were a moveable . . .
Ihr scheint beweglich . . .
Reizend, diese Frau, nicht wahr? Doch wer zuletzt lacht, lacht am besten. Wer wird am Ende triumphieren? Wird der große Dichter uns mit einem Happy-End beglücken?
Das sei an dieser Stelle nicht verraten, Shakespeare’s Komödie in Ehren – doch mir geriet sie eher zur Tragödie, zum Kreuzweg gar – die berühmt-berüchtigte DSL-Installation in 5 Minuten.
Frohlocken am Dienstag vergangener Woche – der Anruf eines Telekom-Mitarbeiters, dass DSL ab sofort freigeschaltet sei; knirschende Zähne und Sorgenfalten am Mittwochabend, als auch der Netzwerkspezialist am Notfalltelefon nur noch mit den Achseln zucken kann. Immerhin gibt er mir einen Hinweis, der mich auf die richtige Fährte bringt. Ob ich mir wirklich ganz sicher sei, dass die Kabelei vom Splitter in der Eingangswand zum Router im Büro einwandfrei funktioniert? Mir schwant böses, und so sollte sich das bewahrheiten, was Petruchio auftrumpfend zur widerspenstigen Katharina sagt: „kiss me Kate; we will be married o’ Sunday”.
Die gute Kate, sie wollt’s nicht glauben, und auch ich spekulierte die folgenden Tage fleißig in Gedanken: wird es etwas, oder wird es nichts? – denn erst am Wochenende konnte ich mich wieder darum kümmern. Das Spekulieren schwächt die Nerven, Geduld ist auch nicht meine Stärke, und so war ich am Ende, bevor es richtig los ging:
Samstag, Feiertag;
Kabel legen, eine Plag’ . . .
und zum Feiern keinen Grund.
Erschwerend kam ein deftiger Muskelkater hinzu, den mir einige neue Körperübungen asiatischer Provenienz beschert hatten; doch es half alles nichts; ich musste hinunter, auf die Knie (stöööhn), um den Boden aufzureißen, und das Kabel mit den vier Adern, zwei für ISDN, zwei für ADSL, neu zu verlegen. Schon damals, bei der erstmaligen Bodenverlegung, hatte ich mir Stein und Bein geschworen: das mach’ ich nie wieder – nebenbei, ganz heimlich, still und leise, stiegen Zweifel in mir auf. Doch was nimmt man nicht in Kauf; alles hat im Leben eben seinen Preis.
Von der Stirne heiß
rinnen muss der Schweiß,
soll das Werk den Meister loben;
doch der Segen kommt von oben. (Schiller, Die Glocke)
Weise gesprochen, guter Friedrich, ins Schwitzen kam ich reichlich; dennoch: der Segen liess endlos lange auf sich warten. 21:00 Uhr, und weit und breit kein Feierabend in Sicht, Wochenend’ ade! Dafür herrschte das allerliebste Chaos, wie man auf dem Foto leicht erkennen kann.
Warum ich das alles schreibe?
Weil es für mich erstaunlich und lehrreich war, wie man innerlich reagiert, wenn’s schwierig wird. Wie tapfer kann man wirklich sein, wenn’s darauf ankommt? Es war zum Verrückt werden. Die Dielen, die sich über mehrere heiße Sommer wohl gründlich verzogen hatten, waren beim erneuten Zusammenbau störrischer als die widerspenstigste Katharina. Erinnerungen an frühere Urlaube wurden wach, wenn man beim hastigen Packen für die Rückreise den Koffer nicht mehr zubekam: beim Packen zu Hause hatte alles wunderbar hineingepasst. Selbsttyrannei, was ist das? Das ist das, was man erlebt, wenn sich negative Gefühle wie Frust, Ärger, Wut und Zorn zu einer Spirale verdichten, die sich immer schneller dreht, und der man aus eigener Kraft nur schwer wieder entrinnen kann. Und der Gedankenkreisel dreht sich getreulich mit: Immer auf die Kleinen! Ich hab’s doch gleich gewusst! Es wäre doch zu schön gewesen, wenn einmal etwas auf Anhieb funktioniert hätte! Wenn man dann nicht aufpasst, versinkt man schnell in Selbstvorwürfen: Ich Idiot! Ich kann noch nicht ’mal einen Laminatboden zusammenschustern! Versager! Du bist auch zu gar nichts zu gebrauchen! Kennen Sie das? Man kniet auf dem Boden, man tobt, hat Schaum vor dem Mund, den Schraubenzieher in der Hand — und ist drauf und dran, auf die Dielen einzuschlagen, Mord, Tod, Zerstörung und Gewalt! Und das verheerende dabei: man verletzt sich dabei selbst am meisten. Negativen Gedanken einen Riegel vorzuschieben, das braucht Kraft – und die hatte ich zu so später Stunde nicht mehr zur Verfügung. Anderen Glück und Freude gönnen? Neutral und gelassen bleiben? Geduld zu den kleinen Schritten? Nichts davon. An diesem Samstagabend bade ich ausgiebig in meinen schwachen Seiten. Bis weit nach Mitternacht brennt das Licht. DSL funktioniert, allen Widerspenstigkeiten zum Trotz. Kiss me Kate, we will be married o’ Sunday, Sie erinnern sich? Inzwischen ist es Sonntag geworden, doch aufgeräumt und geputzt wird erst, wenn’s hell ist; auch die Feier fällt bescheiden aus, und findet in der Badewanne statt: ein heißes Baldrianbad
, bis zur Ohnmacht, für meine aufgeriebenen Nerven.