Teil III
ller guten Dinge sind bekanntlich drei, zwei sind bereits vorbei – doch nicht verloren, hoffe ich. Noch einmal zur Erinnerung: was haben wir im ersten und im zweiten Teil gelernt?
- der positive Wunsch und die aufrichtige Bitte: »Ich möchte mir mehr positive seelische Intelligenz verdienen!«
- mehr Mut zum „Nein”-Sagen: daraus entsteht die Kraft, gegen den Strom zu schwimmen; der Wahrheit, der Quelle entgegen.
Das sind unabdingbare Grundlagen. Nun fehlt noch das dritte Element, der siebte Sinn. Es steht für das intuitive Erspüren der Zusammenhänge hinter den Dingen. Positive Neugier heißt das Zauberwort. Das Maß an positiver Neugier, das ein Mensch an den Tag zu legen vermag, bestimmt das Maß an positiver Intelligenz, das seine Seele verdient – soviel vorneweg.
Mit der Neugier verhält es sich wie mit der Intelligenz: es gibt sie in positiver und in negativer Ausprägung. Tratsch und Klatsch zum Beispiel entsprechen sicher nicht der Art von Neugier, die uns positive Intelligenzgesetze für die Seele beschert. Aber was dann? Als Kind habe ich häufig Aussagen vernommen wie:
- »Das ist halt so, da kann man nichts machen!«
- »Was solls! Vergiss es!«
- »Jetzt stell nicht immer solche dummen Fragen!«
- »Damit musst Du Dich halt abfinden!«
Das prägt, ob man möchte, oder nicht. Fatalismus statt positiver Neugier? Gott sei Dank ist der Funke in mir nie erloschen, den Dingen auf den Grund zu gehen.
Fragen ist die Antwort!
Kleine Kinder stellen, sofern sie gesund und munter sind, viele, viele Fragen. Warum, wieso, weshalb? Fragen macht intelligent. Doch warum geht diese natürliche, gesunde positive Neugier so vielen Menschen verloren, wenn sie erst einmal groß geworden sind?
Eine sommerliche Blumenwiese, bunt und herrlich anzuschauen. Ein Genuss für die Augen. Eine Wohltat für den Körper. Nichts wie Schuhe und Strümpfe ausziehen, und den Boden unter den Füßen spüren! Vorsichtig die Schritte setzen, eintauchen in die Welt der duftenden Blüten und der geheimnisvollen Kräuter. Blattgrün zwischen den Fingern zerreiben, mit der Zunge daran kosten, Grimassen ziehen – »Brrrr, wie bitter!« – »Mmmmh, ganz aromatisch, wie Lavendel!« – »Nein, Melisse – oder doch eher wie Minze?«
Als kleiner Junge habe ich auf den Wiesen ab und zu einige Blumen gepflückt, um meiner Mutter eine kleine Freude zu bereiten. Das ist lange her. Heute pflücke ich auf den Wiesen frische Kräuter, und lasse die Blumen stehen. In Feld und Flur, im Wald und auf der Wiese, da fühle ich mich wohl, und noch viel mehr: ich fühle mich verbunden mit der Allmacht Gottes, und der gesamten Intelligenz im Universum. Wenn ich den vertrauten Weg hinauf zur Hochwiese gehe, und meinen Blick umherschweifen lasse, so sehe ich mit meinen Augen nur das Äußere der Natur, die Formen und Farben der Flora in ihrer unendlichen Mannigfaltigkeit. Doch was sich da an Schöpferintelligenz hinter jeder einzelnen Pflanze verbirgt, das sehe ich nicht. Was in mir ist, ist Ehrfurcht, und die Ahnung von etwas ganz Großem. So lange ich zurückdenken kann, habe ich besondere Gefühle für die Schätze der Natur erleben dürfen.
Jahrelang plagten mich kalte Füße. Nichts half. Nicht einmal die dicksten Wollsocken in der Nacht. Ich musste mich wohl oder übel damit abfinden – so dachte ich – schließlich war es bei meinem Vater ganz genau so. Doch das Unglücklichsein mit diesem Zustand blieb. Und Wollsocken in der Nacht mochte ich ohnehin nicht. Ich hätte schon gerne gewusst, warum und wieso meine Durchblutung nicht gut funktionierte. An mangelnder Bewegung konnte es eigentlich nicht liegen. Doch woran lag es dann? Wie ein Blinder tastete ich mich vorwärts. Wo war die Antwort auf meine Fragen? Ein Schritt nach links, zwei Schritte nach rechts, drei Schritte rückwärts, und das Ganze wieder von vorn. Die Jahre vergingen. Das Frieren blieb. Die Wende kam erst, als mich mein Körper dazu zwang, mich mehr mit seinen Bedürfnissen zu beschäftigen. Er wollte nicht mehr. Er verweigerte die Zusammenarbeit. Das Ross bäumte sich auf, und wollte seinen Reiter, der ihm immer nur die Sporen gab, endlich abschütteln.
Ernährungsumstellung war angesagt. Hochwertig, basisch, vegetarisch, frisch, lebendig. Obst, Gemüse, Kräuter, Nüsse, Getreide. Der Körper atmete auf, und begann, seine Selbstheilungskräfte zu reaktivieren. Ich, der Reiter, lernte das Staunen. Und ich begann, mein Pferd zu lieben. Heiß und innig. Es war keine Romanze für einen Sommer, ganz im Gegenteil. Die Liebe wuchs und gedieh – bis heute, siebzehn Jahre später. Die Liebe ist zu einem dauerhaften Freundschaftsband geworden. Heute sind wir beide wieder unzertrennlich, wie als kleine Kinder. Die Füße sind warm, und so der ganze Körper, obwohl ich stundenlang am Schreibtisch sitze. Die positive Neugier hat gesiegt. Und es geht weiter.
Kräuter faszinieren mich momentan am meisten. Meine Mutter verwendete viel Schnittlauch, Dill und Petersilie, frisch auf den Tisch, aus dem eigenen Garten. Das hat nicht jeder. Ein Anfang, immerhin. Dann, das erste Jahrzehnt außer Haus, gerieten Kräuter bei mir erst einmal in Vergessenheit. Erst sehr viel später, nach meiner Ernährungsumstellung, kamen Rucola, Salbei, Borretsch, Brennnessel, Thymian und Rosmarin hinzu. Wacholderbeeren und Lorbeerblätter. Peperoni, und viele andere, auch Exoten. Doch die Grüngetränke am frühen Morgen setzten am meisten in Bewegung. Beispielsweise eine Handvoll Salbeiblätter, mit frischem Quellwasser gemixt, abgeseiht und getrunken – ein wahres Entgiftungswunder. Das Lymphsystem steht Kopf, und reinigt sich. Einen lieben langen Tag. Wer das am eigenen Körper erfahren darf, wache Beobachtung körperlicher Vorgänge vorausgesetzt, der wird sich wundern. Und begreift, oder ahnt zumindest, dass hier intelligente Gesetze am Werk sind. Gespeichert in der Welt der Pflanzen, aktiv als helfende, heilende Macht. Doch nur, wenn wir sie in den Körper hineinlassen! Und diese Intelligenzgesetze für den Körper herzlich und dankbar begrüßen. »Willkommen Freunde! Kommt herein! Schön, dass ihr mich besuchen kommt!«
Wirkt das ein bisschen komisch, so zu reden? Macht nichts! Wir sollten lernen, mit unserem Körper und der Nahrung, die wir unserem Körper zukommen lassen, zu kommunizieren. Sie bestehen schließlich beide aus lebenden, schwingenden Gesetzen, und sie arbeiten um so fleißiger für uns, je größer unsere Wertschätzung für sie ist.
Die Intelligenz aus heilenden Kräutern hat meinen Stoffwechsel angeregt, ja vielmehr: dauerhaft in Schwung gebracht. Anregende Impulse finden sich in Büchern wie: “Was blüht denn da?” – “Kräuterfibel” – “Gesundheit aus der Apotheke Gottes“ . . . Die Liste ist unendlich. Wie der gesamte Kosmos der Natur. Er macht mich neugieriger von Tag zu Tag. Ich möchte ihn mir mehr und mehr erschließen. Welche Erfahrungen mir meine Tagesschule in letzter Zeit diesbezüglich vermittelt hat, verdeutlicht folgende Auflistung:
- Schon seit Jahren arbeitet der Wunsch in mir, Menschen zu finden, die sich mit Kräutern gut auskennen. Die ersten, die mir diesbezüglich „über den Weg liefen”, wohnten für einen regelmäßigen Austausch viel zu weit entfernt. Bleib ich dran (an diesem wertvollen Ziel), oder lasse ich mich davon abbringen oder gar entmutigen?
- Bereits vor zehn Jahren wurde in Bad Liebenzell, meinem Wohnort, ein Apothekergarten angelegt. Im Sommerhalbjahr finden regelmäßig Führungen statt. Immer wieder nehme ich mir vor, einmal daran teilzunehmen. Ich verschiebe es von Jahr zu Jahr.
- Dann, vor einigen Wochen, verleiden mir meine täglichen Spaziergänge zusehends. »Immer dieselben Wege! Immer derselbe Anblick!« Der vertraute Gang wird mir unerträglich. Missmut bestimmt mein Gemüt. Zu dumm. Warum? Der Körper beginnt, mit mir zu sprechen. »Immer dasselbe! Kopfsalat, Petersilie, Rucola, Radieschen, jeden Tag!« Ich sehe mich, wie ich einkaufen gehe. Stimmt. Mein Rucksack füllt sich oft mit nahezu denselben Dingen. Beschränktes Warenangebot. »Was kann ich daran ändern?«
- Dann lese ich eine Ankündigung im „Blättle”: am Wochenende ist Sommerfest im Kurpark, der Apothekergarten feiert sein zehnjähriges Bestehen, und es gibt kostenlose Führungen, samt einer botanischen Exkursion mit einem Diplombiologen in die nähere Umgebung Bad Liebenzells! Ich bin Feuer und Flamme – und spüre: das ist die Rettung. Mein Gemüt jubiliert.
- Gesagt, gelesen, getan: ich komme in Kontakt mit Kräuterkundigen. Die gibt es tatsächlich, vor Ort! Zwei Frauen sind an einem Austausch interessiert. Die eine macht gerade eine Yoga-Ausbildung, die andere verspricht mir ein Kräuterbuch, das sie nicht mehr benötigt. Tatsächlich! Wenige Tage später halte ich das Buch in meinen Händen. Welche Freude und Dankbarkeit! Es ist schon etwas abgegriffen – doch das zeigt mir nur, dass mit diesem Buch bereits fleißig gearbeitet wurde. Es enthält mehr als 150 Kräuterbeschreibungen, schematische Zeichnungen, insgesamt gut vierhundert Seiten geballtes Kräuterwissen.
Positive Neugier wird belohnt: Nach der Kräuterführung geht es zum Einkauf. Was sehe ich da? Freude! Eine ganze Kiste Wildkräutersalat (den gibt es sonst nie)! Wenn das kein Zufall ist . . .
- Sieh da! Als ich an einem der folgenden Wochenenden mit einer Tüte Waldkräutern Richtung Heimat marschiere, begegne ich einer Frau, die ebenfalls am Kräuter sammeln ist. Wir kommen schnell ins Gespräch. Sie wohnt auch schon über zehn Jahre hier – und heute sehen wir uns das erste Mal! Ich freue mich schon auf ein Wiedersehen. Zu zweit bereitet Kräuter sammeln mindestens das doppelte Vergnügen.
- Von Woche zu Woche erweitert sich mein Kräuterrepertoire. In kurzer Zeit kamen hinzu:
- Ackerschachtelhalm
- Ampfer
- Ehrenpreis
- Frauenmantel
- Huflattich
- Ackerhellerkraut
- Hirtentäschel
- Gänsefuß
- Gänsefingerkraut
- Geißfuß
- Johanniskraut
- Mauerlattich
- Schafgarbe
- Schöllkraut
- Waldmeister
- Wiesenknopf
- Zaunwinde
- Die vertrauten Pfade, die ich gehe, bescheren mir inzwischen neue Freude – als ob ich sie noch nie gegangen wäre. Ich entdecke Pflanzen, die schon immer da waren. Und stumm gegrüßt haben. Jahrelang bin ich an ihnen vorübergegangen. Jetzt grüße ich zurück. Das ist ein Teil vom Glück. Ein jeder kann es finden, mit ein bisschen positiver Neugier . . .