ommer, sei willkommen. Du wärmst uns schön, wenn nun die Tage wieder kürzer werden. Auf den Feldern reift das Korn, und wie von ferne dringen Töne an mein Ohr, die selge Zeiten in mir – obschon lange her – aufleben lassen.
»Sing mit, und lass die Saiten klingen, lass Dein Herz recht fröhlich springen!« Der Sommerkanon ist’s – wiegend und schwebend lädt er ein, miteinzustimmen in die alte Weise. Entstanden ist sie wohl vor fast achthundert Jahren schon, als weiland Englands König, Heinrich der Dritte, Kunst und Kultur erblühen ließ. Und doch klingt sie so frisch als wie am ersten Tag. Zeigt sie nicht Kraft und Anmut brüderlich vereint?
So zeigt sich uns auch die Natur, die nun in ihrer Pracht und Fülle ihren Höhepunkt schon überschritten hat. Genießen wir die Stunden draußen jetzt mit wachen Sinnen, solange es noch lichtvoll grünt! Das Grün ist Balsam für die Nerven, und es stärkt uns im Bemühen, die Aufmerksamkeit auf die Gegenwart zu richten. Im Hier und Jetzt ist einzig Leben, im Hier und Jetzt sind wir in der Verbindung, und nur im Hier und Jetzt können wir auch erfahren, was im jeweiligen Augenblick wirklich zu tun ist.
In der bewußten Wahrnehmung des Augenblicks liegt die einzige Möglichkeit, das eigene Leben neuschöpfend zu gestalten, und somit aus dem Dämmerschlaf der Seele zu erwachen. Nur durch bewußte Wahrnehmung unserer Innen- und Außenwelt können wir mehr und mehr zu begreifen suchen, wie unsere Seele lernt und sich verändert – zum Guten hin, so hoffen wir, doch müssen wir dazu beständig gute, das heißt im objektiven Sinn „richtige” Entscheidungen treffen.
Leicht gesagt, doch leicht vertan – woran erkennt man sie, die wirklich guten Entscheidungen?
Das spüren wir nur allzuoft im Nachhinein, wenn wieder einmal das Gewissen plagt, die Verdauung zickt, oder der Rücken schmerzt . . . Wir kennen sie doch zur Genüge, diese unangenehmen Befindlichkeiten, die nichts anderes wollen, als uns zu unserem Glück zu zwingen – indem sie uns daran erinnern, dass wir (eine oder mehrere, möglicherweise sogar sehr viele) Fehlentscheidungen zuletzt getroffen haben. Unsere Aufgabe ist es nun, im Geist den Handlungsstrang zurückzuverfolgen, Schritt für Schritt, bis wir in unserer Vorstellung noch einmal vor den Situationen stehen, in denen wir gegen unsere innere Stimme und/oder gegen unser Gefühl entschieden haben. Wenn uns dieses Zurückgehen, diese Rückschau (in der Stille!) gelingt, so begreifen wir intuitiv, was wir in den entsprechenden Situationen versäumt haben, und respektive – wie wir hätten entscheiden sollen. Keine Sorge! Denn bald werden wir wieder in ähnliche Entscheidungssituationen geführt, in denen wir erneut auf die Probe gestellt werden, und zeigen können, dass wir aus Fehlentscheidungen etwas gelernt haben. Das ist wahre Freude!
Im Erkennen solcher kausaler Zusammenhänge erschließt sich uns ein gewaltiges geistiges Potenzial, das uns die Tür zum bewußten seelischen Lernen eröffnet. Seelisches Lernen aber ist der „Fahrstuhl nach oben”, mithin die Grundvoraussetzung für alle, die sich geistig weiterentwickeln, und in der Tat dauerhaft glücklich sein wollen. Möchten wir das? Das sollten wir, unbedingt, denn nur dann werden wir dem Sinn unserer Erschaffung wirklich gerecht.
Wollen wir das nicht, so bleiben wir vollkommen der materiellen Welt und unseren niederen Instinkten verhaftet, bewegen uns ein Leben lang im Kreis, und lassen die Werte unserer Persönlichkeit verkümmern. Solch ein Leben kann durchaus sehr schön, sehr angenehm, und sogar sehr bequem sein, denn wer sich im Kreis dreht, lebt ja wie auf einer zweidimensionalen Ebene, auf der er nahezu ohne Anstrengung nach allen Seiten hin- und hergehen kann.
Wer sich hingegen um die Bewusstmachung seiner Entscheidungen und der damit verbundenen Gefühle bemüht, der entwickelt die notwendige geistige Kraft, um den Kreis der Gewohnheit und Trägheit – ein Teufelskreis – zu durchbrechen. Diese Kraft ermöglicht es uns erst, vom Kreisen um das eigene ICH zur entscheidenden, geistig-spirituellen Dimension unseres Bewusstseins vorzudringen: aus dem zweidimensionalen Kreisen wird ein Aufwärtsgehen entlang einer dreidimensionalen Spirale. Diese Spirale trägt uns kraft eigenen Bemühens höher und höher, bis wir den Himmel schauen¹.
Licht wird es in uns, hell und schön, wenn wir denn endlich unserer Bestimmung folgen. Zuerst jedoch müssen wir ihr erst einmal gewahr werden.
¹ Anmerkung: rollen wir eine dreidimensionale Spirale ab, so entsteht vor unserem Auge eine schiefe Ebene, auf der wir empor- oder hinuntersteigen können; vergleiche hierzu auch den landläufigen Ausdruck „auf die schiefe Bahn geraten”, der allerdings nur das seelische Abwärtsgehen umschreibt. Wertneutral betrachtet können wir in jeder Entscheidungssituation von neuem die Weichen stellen, ob – und wie schnell – unsere Seele auf der schiefen Ebene aufwärts zu streben vermag, oder einfach nur sich gehen lässt, und in der Folge abwärts geht. Entweder, oder! Ein seelischer Stillstand ist auf der schiefen Ebene, die der Spirale im dreidimensionalen Raum entspricht, vollkommen ausgeschlossen.
So weit die graue Theorie. Die farbenfrohe Praxis folgt demnächst in: • Die Geschichte mit der Acht, Teil II •, auf diesem Blog, ganz ungekürzt, kräftig gewürzt . . .